Psychologische und mentale Geografie

Die Ausstellung ‹American Geography› in den Hamburger Deichtorhallen zeigt die kontrastreichen Schwarz-Weiß-Bilder des ‹Magnum›-Fotografen Matt Black (geb. 1970), die er in den vergangenen Jahren in den USA aufgenommen hat. Seine Arbeiten dokumentieren «den Zusammenhang zwischen Migration, Armut, Landwirtschaft und der Umwelt in seiner Heimat Kalifornien und in Südmexiko.»1 Zu sehen ist die Ausstellung noch bis zum 28.2.2021.


Auf die Frage: «Wie haben Sie Ihre Bildsprache für dieses Projekt entwickelt? Sie zeigen ja ganz bewusst keine Klischeefotos von Armut» antwortet Matt Black: «Ich denke nicht wirklich in solchen Kategorien und setze mich auch nicht hin und entwickle eine visuelle Strategie. Es war mir aber schnell klar, dass ich meine Erfahrung und meinen Standpunkt, an so einem Ort zu leben, kommunizieren will. Ich repräsentiere in meinen Fotografien eine bestimmte psychologische und mentale Geografie.» Für das Projekt reiste er über 100 000 Meilen durch 46 Bundesstaaten und besuchte Gemeinden, deren Armutsquote über 20 Prozent liegt.2

Matt Black: Allensworth, California, USA, 2014 © Matt Black/Magnum Photos

Im Zusammenhang der technischen Zweckbauten wirkt der abgelichtete Mensch wie ein Schatten seiner selbst, aufgesogen von der Umgebung. Er ist als Mensch nicht mehr wirklich. Der Mensch schreibt sich der Erde ein; er ist wie hineinsedimentiert in diese.3 In den Bildern ist auch zu sehen, dass die Arbeit mit dem Tier, hier dem Pferd, die Sedimentation der Seele abmildert. Das Tier repräsentiert das Seelische des Erdorganismus. Sein Auge kann als das seelische Wahrnehmungsorgan desselben gelten.4

Den geografischen Doppelgänger erkennen

Der von Matt Black gewählte Titel für seine Fotoarbeiten, ‹Psychologische und mentale Geografie›, lässt sich mit dem Inhalt der Vorträge von Rudolf Steiner in ‹Individuelle Geistwesen und ihr Wirken in der Menschenseele› vom 16. November 1917 in St. Gallen (GA 178) verbinden. Das Bodenseegebiet wurde von iroschottischen Mönchen christianisiert. Columban (540–615 n. Chr.) und sein Schüler Gallus waren die ersten Christen, die hier tätig wurden. Diese Mönche hatten Kenntnis vom amerikanischen Kontinent und aufgrund der Kräftewirkungen auf den dortigen Menschen – vor allem durch den Erdmagnetismus dieser geografischen Gegenden – wurde das Wissen um diese Gebiete im Verborgenen gehalten. Laut Rudolf Steiner verstärken die von Nord nach Süd verlaufenden Gebirgszüge Amerikas dort die erdmagnetische Wirkung.5 Er beschreibt diese Kraftwirkung, die er auch als «geografischen Doppelgänger» bezeichnet, und bringt damit das Wesenhafte dieser Kraftwirkungen zum Vorschein. Nach der Empfängnis stellt sich diese Wirkung auf den Menschen ein, die ihn bis zum Tode begleitet. Als aus dem höheren Ich wirkenden positiven amerikanischen Gestalter nennt Rudolf Steiner Waldo Emmerson. Als negativen benennt er Woodrow Wilson. Die negativen Kräfte machen sich durch Gier und Machtwillen bemerkbar.

Im Zusammenhang der technischen Zweckbauten wirkt der abgelichtete Mensch wie ein Schatten seiner selbst, aufgesogen von der Umgebung.

Deichtorhallen Hamburg, Halle für Zeitgenössischer Kunst. Foto: © Henning Rogge/Deichtorhallen Hamburg

Von Rudolf Steiner wurde in St. Gallen die Forderung an den geistig strebenden Menschen gestellt, eine Kenntnis von den Geistwesen, die an seinem Leben beteiligt sind, zu gewinnen. Ein Gedankenleben, das nur das Materielle anerkennt, kann die Gegenwart nicht gewinnen. Die Gegenwart erscheint dann nur als die verlängerte Vergangenheit, die sich als gegenwärtiger Ausgangspunkt erst erschließt, wenn die Zukunft hereingeholt wird. Das gelingt durch freies Interesse, Fantasie und das Denken neuer Zusammenhänge. So kann auch die Vergangenheit in neuem Licht erscheinen. Die rein materialistische Verbindung des Menschen mit der Erde findet in ihr nur einen sterbenden Organismus vor. Die tiefe Depression, die daraus folgt, hat Matt Black mit seinen Bildern eingefangen.


Titelbild: Ausstellungsansicht „Matt Black – American Geography“, Foto: © Henning Rogge/Deichtorhallen Hamburg

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Footnotes

  1. Deichtorhallen/Matt Black.
  2. Ebd.
  3. Blog Roland Wiese.
  4. Wolf-Ulrich Klünker, Der Engel und das Tier, in: ‹Das Goetheanum› 14/2019.
  5. Rudolf Steiner, Individuelle Geistwesen und ihr Wirken in der Menschenseele. 16. November 1917 in St. Gallen, GA 178. Siehe auch: The Magnetosphere

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