In der Küche der Eurythmie

Im Jahr 2016 haben Martina Maria Sam und Stefan Hasler begonnen, alte und neu aufgetauchte Dokumente und Aufzeichnungen des Lauteurythmiekurses von Rudolf Steiner neu zu sichten. Lohnte es sich, «alles noch einmal umzudrehen» und einen erweiterten Lauteurythmiekurs herauszugeben, fragten beide. Die Antwort: Ja, unbedingt! Das Gespräch führte Wolfgang Held.


Martina Maria Sam Beim Toneurythmiekurs haben wir ja schnell bemerkt, dass es sich lohnt, da wir viel Neues entdeckt haben. Zu unserer Überraschung mussten wir jetzt beim Lauteurythmiekurs viel mehr umpflügen als beim Toneurythmiekurs. Eigentlich wollten wir nur die Druckfassung mit der ersten Ausschrift der Stenografin Helene Finckh vergleichen und bei fraglichen Stellen Michaelis Messmer als Expertin für diese Stenografie zurate ziehen. Michaelis hat aber begonnen, alles zu überprüfen …

Stefan Hasler … wobei sich herausstellte, dass im zwölften Vortrag ein Fünftel des Textes fehlte. Die jetzt abgedruckten Variationen von Grundübungen sind bis jetzt nicht bekannt gewesen. Wir vermuten, dass Helene Finckh es nicht übertragen hat, weil sie selbst nicht mehr drauskam.

Sam Sie hatte aufgeschrieben, was sie hörte, und konnte nicht verfolgen, was die Eurythmistinnen im Einzelnen taten.

Hasler Über ein Jahr lang hat Michaelis Messmer die Original­stenogramme neu gelesen. Frau Finckh verwendete – um alles mitschreiben zu können – eine verkürzte Stenografie, das macht es noch schwerer. Weil manche Zeichen für vieles stehen können, waren wir häufig mit Messmer zusammen über das Stenogramm gebeugt und haben um das Verständnis gerungen. So kommt im vierten Vortrag Russisch, Englisch, Französisch und Ungarisch vor. Über die Dokumentation aller Aufführungen konnte Martina dann die Gedichte identifizieren. Im Ungarischen gelang es leider nicht, weil es nicht aufgeführt wurde. Wir haben alle ungarischen Eurythmisten verrückt gemacht: Sucht ein Gedicht vor 1924 mit diesem Inhalt. Mit jedes Aufzeichnung, die wir studierten, gab es neue Entdeckungen. Das Notizheft von Maria Jenny-Schuster hielten wir erst für eine Abschrift des 1927 gedruckten Lauteurythmiekurses, bemerkten dann aber zu unserer Überraschung, dass es tatsächlich Notizen aus den Stunden mit Rudolf Steiner waren.

Bild: Stefan Hasler und Martina Maria Sam, Foto: W. Held.
Stefan Hasler und Martina Maria Sam, Foto: W. Held.

Sam Das wurde uns daran deutlich, dass wir Sätze bei ihr fanden, die Lücken im Stenogramm ergänzen konnten. So wurden manche Sachverhalte deutlich: Rudolf Steiner sagt als Beispiel für eine Seelengeste, er sei in Wien einmal mit einem berühmten Komponisten zu Tisch gesessen, der gesagt habe: «Welch herrliche Symphonie haben wir heute geschmeckt.» Und dann sollte die Eurythmistin ‹liebenswürdig› zeigen. Darauf Rudolf Steiner: «Das hätte der Brahms nicht machen können!» Maria Jenny-Schuster vermerkte dazu, dass er dabei eine Geste machte, die einen dicken Bauch andeutet …

Hasler Dazu kam zusätzlich der Nachlass von Ilse Kändler-Roloff mit einer ziemlich ordentlichen Schrift. Das heißt, sie hat es abends noch einmal abgeschrieben.

Die beiden haben während der eurythmischen Übungen mitgeschrieben?

Hasler Es waren Eurythmiestudentinnen, die als Gäste dabei waren. Durch die verschiedenen Mitschriften konnten wir die Texte vergleichen und mit entsprechenden Vermerken ergänzen. Glücklicherweise haben beide Eurythmistinnen Zeichnungen gemacht, die den Text von Helene Finckh ergänzen.

Sam Auch hier im Archiv haben wir noch drei Mitschriften gefunden. Helene Finckh hat notdürftig abgezeichnet, was Rudolf Steiner an die Tafel malte, aber die demonstrierten Bewegungen konnte sie nicht auch noch notieren. An denen waren aber die Eurythmisten vor allem interessiert und sie haben versucht, diese zeichnerisch festzuhalten. Diese Zeichnungen lassen teilweise ganz neue Bewegungsinterpretationen zu. Leider konnten wir die Autorenschaft dieser drei Mitschriften bisher noch nicht identifizieren.

Helene Finckh hat notdürftig abgezeichnet, was Rudolf Steiner an die Tafel malte, aber die demonstrierten Bewegungen konnte sie nicht auch noch notieren. An denen waren aber die Eurythmisten vor allem interessiert und sie haben versucht, diese zeichnerisch festzuhalten.

Jede Generation muss sich die Quellen neu erschließen. Geschieht das jetzt?

Hasler Auf jeden Fall – und die reichen Quellen lassen uns unmittelbarer auf diese Quellen schauen. An einer Stelle wussten wir nicht, was an Gebärden gemacht worden ist, weil das niemand aufgezeichnet hat. Rudolf Steiner hat z. B. das junge Vorstandsmitglied Günther Wachsmuth auf die Bühne gestellt und daneben Emica Senft. Nun sollte sie eine Bewegung machen, wo sie gewissermaßen Wachsmuth ironisch hochnehmen sollte. Im bisherigen Text hieß es einfach: Eurythmistin macht eine ironische Gebärde. Und jetzt haben wir zwei Zeichnungen, die die ganze Situation wunderbar einfangen (siehe Bild Rückseite dieser Ausgabe). Da war Situationskomik. Man sieht, wie ‹gern› Wachsmuth auf der Bühne stand.

Wir haben alle aufgefundenen Zeichnungen in die Neuausgabe des Lauteurythmiekurses aufgenommen, sodass wir dort über 700 Abbildungen haben! Beim Kurs geschah ja viel gleichzeitig: Rudolf Steiner sprach, zeichnete an die Tafel, er hat selbst Bewegungen gemacht und hat Eurythmiefiguren gezeigt. Das veranlasste uns ja, die Eurythmiefiguren ganz neu anzuschauen, weil wir im Laut­eurythmiekurs herausfinden wollten, welche Figur er wohl gezeigt hat. So konnten wir 145 Originale von Edith Maryon finden. Zuvor waren nur elf bekannt. Im Text sind diese Figuren jetzt zu sehen, von denen wir wissen, dass er sie gezeigt hat.

Und dadurch zeigt sich eine Vielfalt von dem, was Rudolf Steiner gemeint hat?

Sam Es ist alles vieldeutiger und offener als vorher. Das ruft uns dazu auf, uns forschend damit auseinanderzusetzen. Man kann sehen, wie er von vielen Seiten her versucht, eine Gebärde zu charakterisieren und darzustellen.

Hasler Bei den Konsonanten zum Beispiel forderte er eine Eurythmistin auf, eine Gebärde zu zeigen, dann eine andere mit den Worten: «Jetzt zeigen sie ein anderes R.» Er wollte die gleichen Laute von verschiedenen Menschen sehen. Er stellte die Eurythmistinnen mit ihren Lautgebärden mal nebeneinander, mal hintereinander, sodass die Zuschauer vergleichen konnten. Wir gewinnen also jetzt einen neuen Blick auf seine Methode. Wie ‹methodenvielfältig› er diesen Kurs gehalten hat, ist kaum zu glauben: Er hat sich selbst bewegt, er hat Sprechgebärden gemacht, Eurythmiegebärden, die Eurythmisten haben demonstriert, er hat sie korrigiert, er hat an die Wandtafel gezeichnet, er hat Eurythmiefiguren gezeigt.

Sam Wie viele Erinnerungen deutlich machen, hat Rudolf Steiner ja seine Vorträge sehr gebärdenreich gesprochen, er hat sie mit vielen – wie er es in einer Eurythmie-Ansprache nennt – «Sinngebärden» begleitet. Und wie im Toneurythmiekurs haben wir auch hier die Wandtafelzeichnungen so dargestellt, dass man den effektiven Entstehungsprozess nachvollziehen kann. Dabei konnten wir auch frühere Fehler korrigieren. So galt bisher eine Strichzeichnung als Bild des Buchstabens Z. Wir haben jetzt herausgefunden, dass es sich um ein F handelt. Das ist eine Bewegung mit zweimaligem Ansetzen. Da hat sich einiges aufklären lassen.

Titelbild: Notizzettel von unbekannter Hand. © Rudolf-Steiner-Archiv

Kommen da Freude über die Entdeckung und Schmerz über bisherige Irrtümer zusammen?

Hasler Also von uns nur Freude, denn es macht die Eurythmie interessanter! Vor allem bezüglich der Planeten- und Tierkreisgebärden haben wir jetzt reiche neue Hinweise.

Sam Gerade bezüglich des Tierkreises ist die Genese interessant. Er hat die Gebärden erstmals 1914 Elise Wolfram gegeben, weil sie sich mit dem Tierkreis beschäftig hat. Zu Beginn des Krieges ließ er ihr mitteilen, dass sie jetzt, im Kriegsgeschehen, nicht mehr geübt werden dürften. Er hat stattdessen 1915 sozusagen als Ersatz dafür die Dichtung der ‹Zwölf Stimmungen› gegeben. Erst 1924, zehn Jahre nach der eigentlichen Erforschung, übergab er sie sämtlichen Eurythmisten.

Hasler Er gibt sie innerhalb eines Vortrages, des zehnten, und wiederholt sie im nächsten Vortrag – das war es. Diese Seite der Eurythmie bringt Rudolf Steiner in einer guten Stunde. Nach dem Kurs konnte er wegen Reisen und dann seiner Krankheit nicht mehr an Proben teilnehmen und die Gebärden gegebenenfalls korrigieren. Das heißt: Wie sollen die Eurythmistinnen innerhalb von einer guten Stunde 19 Gebärden, die vollkommen neu sind, erinnern? Deswegen lohnt es sich so, das ursprüngliche Material zu studieren. Die hundertjährige Tradition hat ihren Wert, aber jetzt stehen wir zum Teil in einem Spannungsfeld, und dann heißt es eben für uns Eurythmistinnen und Eurythmisten: Ich habe eine gewisse Gewohnheit, wie ich eine Gebärde ausführe – und jetzt muss ich diese Gewohnheit überprüfen …

Aus Notizbuch Nr. 238 von R. Steiner. © Rudolf-Steiner-Archiv
Aus Notizbuch Nr. 238 von R. Steiner. © Rudolf-Steiner-Archiv

Sam Wir haben von den Tierkreisgebärden gesprochen, die Rudolf Steiner schon 1914 gegeben hat. Die sind interessanterweise in demselben Notizbuch drin wie die Notizen zu dem Zyklus ‹Der menschliche und der kosmische Gedanke› vom Januar 1914, also Vorträge über die zwölf Weltanschauungen im Zusammenhang mit dem Tierkreis. 1924 holte er sich für die Vorbereitung des Eurythmiekurses dieses alte Notizbuch von 1914 wieder hervor und ergänzte es mit neuen Eintragungen. 1914 hatte er die Gebärden als einfache Bewegungen beschrieben. Nun ergänzte er diese mit den inneren, den geistigen Qualitäten – manchmal auch etwas anders, als er sie dann im Vortrag beschreibt. Das zeigt seine Arbeitsweise: Er greift etwas früher Erforschtes auf, das seine Gültigkeit nicht verloren hat, ergänzt und erweitert es aber. Diese Aufzeichnungen finden sich hinten im Notizbuch. Dann arbeitet er, wie er es oft getan hat, im Notizbuch von hinten nach vorne weiter. Da finden sich dann Vorbereitungsnotizen für die nächsten Stunden. Auch da ist zu sehen, dass er sich offensichtlich alte Aufzeichnungen über die früheren Kurse vorgenommen hat und Einzelnes herausschreibt und ergänzt. Vieles davon war auch schon publiziert, aber eben nicht so, dass man den Prozess im Ganzen erkennen konnte.

Hasler Im Ita-Wegman-Archiv fanden wir auch ein kleines Ringbuch mit Notizen zu den ersten Vorträgen, die jetzt zum ersten Mal publiziert wurden. Die waren unbekannt. Da ist interessant, dass Steiner die Laute in Beziehung zu der hebräischen Sprache bringt. Da sieht man die hebräischen Zeichen in seiner Handschrift.

Sam Da gehörte es zur Arbeit, die losen Blätter in die richtige Reihenfolge zu bringen. Eingestreut finden wir dort Notizen zum Heilpädagogischen Kurs und zu Karmavorträgen – also zu ganz anderen Gebieten. Das gibt einen Einblick in Rudolf Steiners ungeheure Arbeitsfülle in dieser Zeit.

Es ist alles vieldeutiger und offener als vorher. Das ruft uns dazu auf, uns forschend damit auseinanderzusetzen. Man kann sehen, wie er von vielen Seiten her versucht, eine Gebärde zu charakterisieren und darzustellen.

Welche Arbeit steht mit dem Zyklus jetzt an?

Sam Das ist ja das Schöne, dass Stefan als Leiter der Sektion für Redende und Musizierende Künste über den Kreis der Eurythmieausbilder, über seine Kurse in verschiedenen Eurythmieschulen etc. das, was wir hier finden, sogleich weitergeben, sogleich in die Praxis umsetzen kann.

Hasler Wir haben jedes Jahr im Januar in der Ausbilderkonferenz der Eurythmieschulen berichtet, was wir gefunden haben. Und wir haben schon bei der letzten großen Eurythmietagung 2018 einzelne Variationen von Tierkreis- und Planetenzeichen mit der Bühne hier gezeigt. Bei der nächsten Tagung 2021 werden wir Übungen aus dem zwölften Vortrag zeigen.

Sam Stefan hatte zu einer eurythmischen Geste sechs Variationen an einzelne Eurythmistinnen und Eurythmisten gegeben. Sie sollten sich damit beschäftigen und ihr Ergebnis dann vorstellen. Das war eindrucksvoll.

Hasler Da zeigte sich der Prozess, der an jeden und jede selbst die Aufgabe stellt, sich damit auseinanderzusetzen und eine Beziehung zu diesen Gebärden neu zu bilden. In dem Sinne geht der Prozess los. Ab jetzt ist all das hier veröffentlicht. Alles, was wir dazu gefunden haben und wissen, ist im Buch zu finden. Damit ist unser Job getan. Jetzt steht alles für die Arbeit der Einzelnen zur Verfügung.

Sam Was das Schöne ist: Dadurch löst sich diese unfruchtbare Unterscheidung in ‹traditionell› und ‹modern› auf. Es ist an der Zeit, dass jedes und jede Einzelne selbst forscht, dass er bzw. sie das Gelernte in Beziehung setzt zu der Vielfältigkeit des Überlieferten. Was stimmt für mich, was stimmt für die Sache? Das Interessante ist: Man ist viel mehr in seiner eigenen ‹Mündigkeit› gefragt, man ist gefragt, sich selbst zu den Quellen in ein Verhältnis zu setzen. Zugleich spannt sich so ein Bogen zu dem, was damals vor 100 Jahren passiert ist.

Hasler Was so bisher auch die ersten Eurythmisten nicht zur Verfügung hatten.

Abbildung Aus Marie Steiners Notizbuch 25, © Rudolf-Steiner-Archiv.
Aus Marie Steiners Notizbuch 25, © Rudolf-Steiner-Archiv.

Wir haben auf der einen Seite im Textteil alles, was wir an Dokumenten haben. Im Anhang wird erläutert, was man für den Text als Hintergrund wissen muss. Außerdem ist jetzt ein Kommentarband zum Lauteurythmiekurs entstanden – mit Beiträgen verschiedener Autorinnen und Autoren –, der ganz anderen Charakter hat, der zeigt, wie sich einzelne Menschen forschend zu den im Lauteurythmiekurs präsentierten Inhalten in Beziehung setzen. Jetzt ist die Frage, wie jeder mit diesem neu gehobenen Schatz lebt.

Anders als Anthroposophische Medizin, biologisch-dynamische Landwirtschaft und Waldorfpädagogik ist die Eurythmie kaum aus dem Zirkel der Anthroposophischen Gesellschaft herausgekommen. Vor 20 Jahren forderten deshalb einige, die Eurythmie müsse anschlussfähiger werden. Kann dieser neue Weg zu den Quellen die Eurythmie befreien?

Hasler Ja, Martina hat es ausgeführt: Der Schritt zu der Quelle ist jetzt direkt zu gehen. Bis jetzt haben wir Eurythmistinnen und Eurythmisten durch die Generationenfolge quasi von Zuccoli, Lea van der Pals und Else Klink gelernt, also Menschen, die Rudolf Steiner noch kannten. Heutige Studierende können ja nur noch von jemandem lernen, der es wieder von jemandem gelernt hat, und dieser wiederum von jemandem. Mit diesem Material aus der eurythmischen Werkstatt Rudolf Steiners können sie selbst auf den Weg gehen.

Warum ist diese Editionsarbeit nicht früher geschehen?

Sam Das ist das Gesetz der hundert Jahre, der drei Generationen. Von den Pionieren, die ihr Feuer noch an die Schüler weitergeben können, bis zur dritten Generation, den Schülern der Schüler. Dann ist der Impuls zu Ende. Dann geht es ‹horizontal› nicht mehr weiter. Dann ist nichts mehr von der Ursprungskraft da. Das ist die Krise, die zugleich eine Chance ist. Du merkst nach 100 Jahren: Jetzt ist es nochmals neu möglich, sich mit dem Urimpuls zu verbinden. Aber jetzt natürlich anders als ursprünglich. Und das meine ich seit 2012 deutlich in der Eurythmie zu bemerken, dass etwas Neues da ist. Irgendwie ist der Himmel nach hundert Jahren noch einmal offen, sodass jede und jedes sich direkt mit dem geistigen Impuls in Beziehung setzen kann, nicht mehr nur durch die Überlieferung.

Dass wir nun alles so herausgeben konnten, ist auch erst heute möglich. Wir haben andere Recherchemöglichkeiten, auch die Übersicht über das noch vorhandene Material ist jetzt da. Das brauchte seine Zeit. Aus dieser Übersicht heraus wächst bei Stefan und mir aber immer mehr die Hochachtung vor dem, was frühere Generationen gemacht haben. Was z. B. Eva und Edwin Froböse für die Eurythmiewelt an Grundlagen gelegt haben, mit welcher Sorgfalt sie wirklich alles zurate gezogen haben, was zu ihrer Zeit in den 1950er- bis 1970er-Jahren zur Verfügung stand, das kann man gar nicht überschätzen. Wir müssen es für die heutige Zeit wieder etwas anders machen, das entwertet aber in keiner Weise das bisher Geleistete.

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Hasler Vieles, was wir an Quellen schon hatten und kannten, wurde neu dadurch interessant, dass anderes aufgetaucht ist.

Sam Es braucht einen unglaublichen Kontext, eine große Übersicht, um die Dokumente würdigen und einschätzen zu können – handelt es sich hier um eine frühe Abschrift des Lauteurythmiekurses, weil man kein Geld hatte fürs Buch, oder um etwas Originales?

Ihr seid beide humorvolle Menschen und trotzdem – ich kenne keinen anderen Editionsprozess, wo so viel Schmunzeln dabei ist.

Hasler Steiner selbst hat diesen Lauteurythmiekurs so humorvoll durchgeführt. Durch die Neuübertragung und die Ergänzungen kommt sein Humor viel deutlicher heraus. Er hat das mit einer Leichtigkeit und einer Freude vor diesen ihm doch sehr nahen Eurythmisten, vor diesem erweiterten Publikum gemacht. Wir hatten jetzt die Chance, das Originalmaterial in der Hand zu haben. Und wir können dadurch quasi die Verbindung mit der damaligen Situation erleben. In der gedruckten Fassung, wo das dann schön hintereinander geordnet ist, da mag das schon wieder schwieriger sein, diese Ursprünglichkeit zu erleben.

Durch die Neuübertragung und die Ergänzungen kommt sein Humor viel deutlicher heraus. Er hat das mit einer Leichtigkeit und einer Freude vor diesen ihm doch sehr nahen Eurythmisten, vor diesem erweiterten Publikum gemacht.

Sam Da habe ich gute Hoffnung, dass das trotzdem möglich ist. Mir ging es ähnlich beim Schreiben der Kindheitsbiografie Rudolf Steiners. Ich habe an seiner so urbildlichen Entwicklung erlebt, dass ich dadurch noch einmal ganz anders in meine eigene Kindheit eintauche. Dann habe ich gedacht: Ja, ich als Autorin erlebe das so. Aber ob das die Leserinnen und Leser auch so fühlen? Ich habe jetzt erfahren, wenn du das als Autor oder Herausgeberin selbst intensiv erlebst, ist es oft so, dass es bei den Lesern nicht anders ist. Und: Natürlich, wir sind begeistert davon und das steckt auch andere an. Stefan und ich haben schon öfters erlebt, wenn wir etwas aus der Forschung gezeigt oder erzählt haben, wie die Menschen vorne auf der Stuhlkante sitzen und das Neue selbst ausprobieren wollen. Ich glaube, es liegt aber auch an der inneren Qualität des Lauteurythmiekurses, da liegt viel Humor drin. Wenn beispielsweise Emica Senft bei einer Demonstration zu laut aufstampft und Steiner zu ihr sagt, es käme beim Eurythmischen nicht darauf an, dass man’s hört, sondern dass man’s sieht. Wir sind ja jetzt gerade mit dem Apollinischen Kurs beschäftigt – da ist die Stimmung anders.

Hasler Der Lauteurythmiekurs hat wirklich dieses leichte Element. Man merkt: Das war eine Stimmung von Festtagen.


Buch Rudolf Steiner, Eurythmie als sichtbare Sprache, Laut-Eurythmie-Kurs, GA 279. Rudolf-Steiner-Verlag. Basel 2019

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