Der neue Papst ist ein Kosmopolit. Er hat französische, spanische, italienische und kubanische Wurzeln. Seine Vorfahren stammen aus New Orleans. Dort wird der Begriff ‹Kreole› verwendet für Menschen mit europäischer, afrikanischer und indigener Herkunft.
Die Großeltern Leos XIV. waren wie viele afroamerikanische Familien nach Chicago gezogen, um der rassistischen Verfolgung in den Südstaaten zu entkommen. Hier kam Papst Leo am 14. September 1955 als Robert Francis Prevost zur Welt. Er war der jüngste von drei Brüdern, die Mutter war Bibliothekarin, der Vater Schulleiter. Es war von Beginn an klar, dass Robert Priester werden würde, schon das kleine Kind spielte am liebsten Messe. Mit dem mittleren Bruder, John, ist Bob, wie er familiär genannt wird, bis heute eng verbunden. Der Älteste dagegen, Louis, ist ein glühender Anhänger Trumps und so geht die bekannte Spaltung mitten durch die Familie.
Leo XIV. wurde am 8. Mai 2025 zum Papst gewählt und damit zum Bischof von Rom, sowie – nicht zu vergessen – zum souveränen Monarch der Vatikanstadt. Er war als Ordensgeistlicher 2001 bis 2013 Generalprior des Augustinerordens, von 2015 bis 2023 Bischof in Chiclayo im Nordwesten Perus. Zuletzt Kurienkardinal in Rom. Er hat drei Staatsbürgerschaften, USA, Peru und Vatikan, dazu spricht er neben Englisch und Italienisch noch Spanisch, Portugiesisch und Deutsch.
Seine erklärten Ziele sind einerseits die Fortsetzung der von Franziskus begonnenen Initiativen, der synodiale Weg, die Fürsorge für die Armen, Ausgegrenzten, Flüchtlinge, Kriegsopfer. Ihm liegt der sogenannte globale Süden ebenso am Herzen wie seinem Vorgänger. Sein großes Thema ist zugleich die Einigkeit der Weltkirche, sowohl innerhalb der kirchlichen Strukturen als auch von dieser Einigkeit aus in die Welt zu wirken, um aktiv Frieden zu fördern. Klimapolitik ist ihm selbstverständlich zur Erhaltung der Schöpfung. Was Reformen angeht, ob Zulassung von Frauen zum Priesteramt oder Abschaffung des Zölibats – darauf darf man vermutlich nicht hoffen. Er steht Lebensformen wie beispielsweise Regenbogenfamilien skeptisch gegenüber. Als Vermittler fühlt er sich dazu berufen, ausgleichend zu wirken. In Asien und Afrika steht die katholische Kirche bekanntlich den europäischen Positionen völlig verständnislos gegenüber. Noch vor seiner offiziellen Amtseinführung hat Leo XIV. in einer bemerkenswerten Ansprache an die Medienschaffenden eine Position bezogen, die als wegweisend gelten kann.
Darin verweist er gleich zu Beginn auf die Bergpredigt, «Selig, die Frieden stiften» (Mt 5,9). Dieser Seligpreisung ist der nun folgende Gedankengang gewidmet. Es folgt eine deutliche Erklärung in Bezug auf Meinungs- und Pressefreiheit:
«Ich möchte daher heute erneut die Solidarität der Kirche mit den Journalisten bekräftigen, die wegen ihrer Suche nach der Wahrheit und ihrer Berichterstattung im Gefängnis sitzen – und ich möchte gleichzeitig ihre Freilassung fordern. Die Kirche erkennt in diesen Zeugen – ich denke dabei an jene, die selbst unter Einsatz ihres Lebens über Kriege berichten – den Mut derer, die Würde, Gerechtigkeit und das Recht der Völker auf Information verteidigen, denn nur informierte Völker können freie Entscheidungen treffen.»
Das ist eine erstaunlich politische Stellungnahme gleich zu Beginn eines Pontifikats und es ist von Herzen zu hoffen, dass diesem Bekenntnis entsprechende Taten folgen und dass die Kirche ihre durchaus weltliche Machtpotenzialität auch einsetzt im Hinblick auf diese Ideale. Damit hat der neue Papst schon einmal aufgeräumt mit Vorstellungen, wie sie jüngst Julia Klöckner, die neue Präsidentin des deutschen Bundestages formulierte – sie wünschte sich mehr Zurückhaltung, in Bezug auf gesellschaftspolitische Fragen, die Kirchen sollten sich doch auf ihr eigentliches Metier, den Glauben, besinnen.
Nun spricht der Papst über Sprache! Über das Ideal der Wahrheit und Güte, das in der Wortwerdung zum Ausdruck kommt – oder eben nicht. Er geht sogar noch zwei Schritte weiter. Im ersten Schritt wird die Wortwelt als wirklichkeitsstiftend dargestellt und im zweiten Gedankenschritt als der eigentliche Schöpfungsraum, in dem sich unser aller Leben gerade in einem entscheidenden Prozess befindet. Im Grunde spricht der Papst vom Logos, in der Gegenwart. Kommunikation als Kommunion.
«Wir leben in Zeiten, die schwer zu bewältigen und schwer zu beschreiben sind. Zeiten, die uns alle vor Herausforderungen stellen, vor denen wir uns jedoch nicht drücken dürfen. Im Gegenteil, diese Zeiten verlangen von jedem von uns, dass wir in unseren unterschiedlichen Rollen und Diensten niemals der Mittelmäßigkeit verfallen. (…) Heute besteht eine der wichtigsten Herausforderungen darin, eine Kommunikation zu fördern, die uns aus dem ‹Turm zu Babel› herausführt, in dem wir uns manchmal befinden, aus der Verwirrung liebloser Sprachen, die oft ideologisch oder parteiisch sind. Daher ist Ihr Dienst mit den Worten, die Sie verwenden und der Stil, den Sie wählen, von entscheidender Bedeutung. Wie Sie wissen, ist Kommunikation nicht nur die Übermittlung von Informationen, sondern auch die Schaffung einer Kultur menschlicher und digitaler Umfelder, die zu Räumen des Dialogs und der Diskussion werden.»
Was die Rede des Papstes am Ende entwirft, ist nichts weniger als ein neuer Begriff von Öffentlichkeit und damit eine zukünftige Kultursphäre der Mitmenschlichkeit.
«Befreien wir die Kommunikation von allen Vorurteilen und Ressentiments, von Fanatismus und von Hass; befreien wir sie von Aggression. Wir brauchen keine laute, gewaltsame Kommunikation – wir brauchen eine Kommunikation, die zuhören kann und die Stimmen der Schwachen, die keine Stimme haben, hörbar macht. Entwaffnen wir die Worte, und wir werden dazu beitragen, die Welt zu entwaffnen.»
Würde sich unser sogenanntes Nachrichtenwesen dahingehend entwickeln und ebenso der einzelne im Internet dazu aufschwingen, diese Worte zu beherzigen, dann wären wir vermutlich – von heute aus gesehen – alle ein bisschen selig. Ein Papst, der den Finger auf diese brennende Zeitwunde legt, lässt hoffen.
Bild Papst Leo XIV. Foto: Edgar Beltrán, The Pillar – Own work
Ein sehr schöner und einfühlsam geschriebener Artikel – bis auf den letzten Absatz! Zitat des neuen Papstes: „«Ich möchte daher heute erneut die Solidarität der Kirche mit den Journalisten bekräftigen, die wegen ihrer Suche nach der Wahrheit und ihrer Berichterstattung im Gefängnis sitzen – und ich möchte gleichzeitig ihre Freilassung fordern.“ Zitat der Autorin: „Würde sich unser sogenanntes Nachrichtenwesen dahingehend entwickeln….“ Was heißt hier „sogenannt“, was soll dieser offene Seitenhieb auf den Journalismus und seine Delegitimierung durch dieses eine Wort? Warum widersprechen Sie hier direkt der Aussage des Papstes, die Sie oben lobend zitieren? Es gibt schlechten und widerlichen Journalismus, das weiß auch der Papst und das wissen wir alle. Was aber wäre die Welt ohne das Nachrichtenwesen, das wir eben haben, und für das wir im Wesentlichen nur dankbar sein können? Sollen wir alle nur noch das „Goetheanum“ lesen? Lassen wir doch bitte als Anthropsophen endlich diese pauschale, billige und arrogante Kritik an – zumeist – hoch engagierten Jounalisten – unseren Zeitgenossen.