Die Skulptur des Menschheitsrepräsentanten, auch die ‹Gruppe› genannt, lädt ein zum inneren Gespräch, lädt ein zu einem Weg zur Mitte, zu mir.
In diesem inneren Gespräch mit mir entsteht eine ‹forschende Wortwerkstatt›; ja, so möchte ich es nennen. Diese Perspektive, all das, was als Rudolf Steiners ‹Gruppe› in mir ist, stellt mich vor mich selbst. Ich finde die Kräfte in mir. So gerüstet, suche ich kaum begangene Pfade in der Seelenwelt. Es ist der Versuch, mit den Wesen der Gruppe in mir ein persönliches Gespräch zu führen. Dieses Hineinnehmen spricht nicht nur anders, es wirkt auch anders. Der Perspektivwechsel auf die persönliche Betroffenheit hilft mir. Mir scheint, mein mutig gewordenes Ich versucht, sich gegen eine Übermacht zu behaupten. Ich helfe mir dadurch, dass ich frech werde, das kann gefährlich werden, aber der Ansatz ist nicht verkehrt, denn die Widersacher betreten ungebeten die Bühne meines Bewusstseins. Ich könnte ihnen meine Bühne überlassen, wer möchte schon immerzu kämpfen? Oder ich mische mich ein und versuche, Regisseur zu werden. Dazu brauche ich den inneren Dialog mit beiden, versuchsweise auf Augenhöhe, das ist gefährlich, ich muss mich durchsetzen. Wer könnte dem Treiben Einhalt gebieten, wenn nicht ich?
Als Regisseur fällt mir auf, dass die beiden ein beschränktes Repertoire an Textvorlagen haben, es kommt immer wieder das Gleiche. Die beiden werden berechenbarer, auch im Alltag. Wenn ich ihre Texte wiedererkenne, erkenne ich sie am immer Gleichen wie an einem Merkzeichen oder Markenzeichen? Was bedeutet es für sie, wenn ich beginne, sie zu verstehen? Mir scheint, sie verstehen, nimmt ihnen etwas die Kraft. Anders scheint es beim Menschheitsrepräsentanten. Wenn ich ihn verstehen lerne, wird er stärker, es ist paradox. Der dialogische Umgang mit den beiden als Umgang mit der eigenen Seele hat therapeutische Dimensionen. Alltagssituationen sind die Fußabdrücke der beiden. Wenn ich es schaffe, mit den beiden direkt zu reden, betrete ich ihre Welt mit Bewusstsein. Dabei muss ich mir Nüchternheit abnötigen, muss wissenschaftlich werden. Ich muss sie in mir zu Wort kommen lassen, wie sie sind. Das macht, dass ich ihre Welt betreten darf. Dort fällt mir etwas auf, wie bei einem Besuch bei fremden Menschen. Ich sehe, wie sie wohnen. Bei den beiden kommt das ewig Gleiche und schon Bekannte und ein deswegen ewig Langweiliges drängt sich mir auf. Es wirkt so befremdlich, dass für einen Moment unklar wird, worin ihre Versuchung bestanden haben soll. Aber sie hat doch bestanden, besteht immer noch? Das Betreten Ihrer jeweiligen Welt macht mir die eigentümliche Empfindung, dass es ganz andere Welten sind, die mit meiner Menschenwelt nicht zusammenstimmen, sondern in ihrem seltsamen Charakter wie von woanders herzurühren scheinen. Trotz ihrer unbestreitbaren Gegenwart scheinen diese Welten etwas gänzlich Unzeitgemäßes in sich zu tragen, oder, so kommt es mir vor, sie wirken wie von einem ‹anderen Planeten›. Ich fühle ihre charakteristischen Züge, und das macht ihre Fremdheit deutlich. Wie kann ein Wesen so typisch sein? Was habe ich in diesen fremden, nicht zu den Menschen gehörenden Welten eigentlich verloren?
So macht ihr es mir leichter, mich von euch zu lösen. Ich habe euch wie ein Gegenüber vor mir. Ich verlasse in einem ersten Schritt die Region, in der ihr, mich im Unklaren lassend, über mich verfügt habt. Es ist, bei aller Unbeholfenheit, der Schritt aus dem Identifiziert-Sein mit euch. Das Geheimnis der Freiheit liegt in der Distanz. Das ist eine Entdeckung. Die Nebel können sich etwas lichten. Darauf kommt es an. Also dann sprechen wir jetzt miteinander. Bis jetzt wollte ich euch immer fortschicken, aber wohin eigentlich? Zum Teufel etwa? Diese Erkenntnis scheint mir sogar den Trennungsschmerz von Luzifer zu ersparen? War nicht Luzifer der Schmerzensbringer? Aber Vorsicht, sie möchten die Karten nicht ganz auf den Tisch legen. Ein Leben ohne Luzifer ist wie zuckerfreie Diät. Und ohne Ahriman? Wie ist es da? Ohne Macht?
In Christo ist alles anders und ich kann frei atmen. Ich komme in Ihm in mein Eigenes, in unsere und meine Menschenwelt. Es gibt da Freiheiten und Nuancen, auch die Freude, es gibt dort nicht die ewig gleichen Anliegen und Festlegungen, wie es geschehen muss. Es gibt Menschenkunst. Die scheinbare Ungewissheit, liegt in dem, das durch uns noch erfüllt werden möge, was in die Welt kommen möchte, durch uns mit Ihm in uns. Da kommen wir bei uns an.
In der Osternacht I
Die Liebe wächst durch uns und wir durch sie;
sie wirkt durch unsre Sehnsucht und Verlangen
in dem sie unser Selbst zum Wachsen treibt und Blühen
Und unsren Leib erglühen lässt in inniger Umarmung.
Wann aber lebt sie auch in herbstlichem Verwelken?
Wenn Traurigkeit erklingt im kalten Abendhauch
als Wanderers Nachtlied, das im Sommermond
schon ahnt, wie Blätterfallen alles Leben wandelt.
So führt das Leben uns durch alle Höh’n und Tiefen
Und Abschiedstraurigkeit erträumt sich mehr
Von dieser schönen Welt und doch … noch mehr …
Doch führt kein Nachtlied je heran ans neue Licht
In tiefen Schlaf noch ist gehüllt der Ostermorgen.
… Die Liebe wächst durch uns und wir durch sie.
Luzifer
Wenn ich wandere durch das menschliche Brachland
und die Wüste sich dehnt und Sand in den Augen
den Blick trübt und die Träne quillt,
sehne ich mich nach Deinem Flammenflügel,
der mich der Trübe enthebt.
Und ach, für Momente
gewährst Du Urlaub in Licht und Wärme
vom Staub der Bedürftigkeit
und aber stürzt mich in mein Eigen-Unerfülltes.
Du Königin und Herrscher der Mondliebe,
Du kennst die Menschen gut;
und Du weißt um Deine Macht.
Und ist es Wonne, die so kurz, so verletzend
das Herz erfüllt? So kurz nur,
denn dem Ikarus gleich, lässt Du mich stürzend zurück.
Und doch, Du spendest auch Kraft
und Tatendrang und Glanz und Süße
und Ansehen vor den Menschen.
Dann neige ich mich vor Dir in dem Glauben,
ich wäre schon, was Du mir schenkst als lichtes Gewand.
Aber, o hilf, Dein Geschenk wärmt nicht!
Und ich bemerke, Dir geht’s nur um Dich;
ich bin Dir nur Mittel und ich ließ es zu:
Deinen Missbrauch an meiner Seele.
Und so bereitest Du mich zu:
Dass ich werde zur Gefahr meiner Mitmenschen.
Und lieferst mich aus an Deinen dunklen Bruder.
Du trägst auf Dauer nicht in der Prüfung des Lebens.
Ein verlässlicher Freund bist Du nicht.
Und doch, wenn ich mich verlasse, dann rufe ich Dich zuweilen,
denn dann füllt mich wieder die trostlose Hoffnung
dass bei Dir wächst, – vielleicht doch –, das Rettende auch?
Und dann kommst Du, Du kommst schon so lange
und immer wieder und lässt mich verbrannt zurück,
wie ein Verräter.
Und doch die Liebe, aber die Liebe!
Aber ach, welche?
Ahriman
Du sagst: «Sag doch einfach nichts.
Du musst gar nicht lügen, – sage einfach nichts.
Das reicht doch, dann bist du raus.
Wer wird sich denn quälen.
Es kommt doch darauf an,
dass Du nachher nicht im Regen stehst.
Dir wird schon etwas einfallen,
bleibe einfach unbeteiligt und halte dich raus.»
Ich aber gebe Dir das Wissen und die Macht,
in der Welt zu herrschen und zu siegen,
über die Besserwisser und Nichtstuer.
Ist das nichts?
Mit erstaunlichen Dingen kannst Du sie
täuschen und gefügig machen.
Du musst ihnen nur Angst machen, dann geht’s.
Du wirst es sehen.
Komm auf meine Seite, dann hast Du es besser
in diesem Jammertal, denn etwas anderes ist es ja nicht.
Lass Dir nichts vormachen von den Pfaffen,
die es nicht besser wissen und Dir was vorlügen vom Jenseits.
Wahr ist, was gefällt,
etwas anderes bleibt dir ohnehin nicht. Der Rest ist Unsinn.
Das könntest du dir endlich auch mal merken, finde ich,
wie viel muss ich denn noch in dich investieren?
Deinen ganzen Seelenschmus kannst du dir schenken,
das interessiert mich nicht,
ich will, dass du machst, was ich dir sage.
Das allein interessiert mich.
Einfach machen, sage ich dir,
die Maschine muss laufen, pünktlich.
Den ganzen Rest brauchst du nicht,
das ist nur Ballast.
Ich sage: «Ich werde wohl selbst prüfen,
was Ballast ist, und ich werde es herausfinden.
Aber was könntest Du uns geben,
wenn es um das Menschwerden geht,
wenn es nach Deiner Sicht nur Ballast gibt?
Das ist, was mich interessiert:
Was ist Dein Beitrag? Hast Du etwas parat,
oder geht es nur um Dich?»
In der Osternacht II
oder: An den Schmerz
Die Liebe wächst durch uns und wir durch sie,
wie wenn wir selbst ein leichter Hauch nur wären,
durch den von jenseits etwas in die Welt
gesprochen würde, ein Wort, das durch uns klingt verwandelt
unser Herz.
Ein tiefer Schmerz noch trennet uns von Ihm,
noch sind wir nur ein Instrument für etwas,
das uns übersteigt, noch nicht gestimmt für solche Klänge.
Wir sind nur Raum und Klause für ein hohes Wirken,
das nur durch unser Tun sich zeigen kann.
Nur unser Selbst kann diese Schleuse öffnen
und öffnen sich dem Strom, der uns erwartet.
Der Weg der Erde führt durch Seine Liebe
und führt uns unsrer Liebe zu, die erst noch keimt.
Die Liebe wächst durch uns und wir durch sie.