Das Pentagon-Dodekaeder und die menschliche Gestalt

Der Umschlagtext des Buches ‹Das Pentagon-Dodekaeder als strukturgebendes Maß des Menschen› von Hartmut Endlich verspricht viel. Wird dieses Versprechen eingelöst?


Das Buch beginnt mit Leonardo da Vincis weltberühmter Darstellung des in Kreis und Quadrat stehenden Menschen. Dann geht der Autor und anthroposophische Arzt auf die heutige zergliedernde Naturwissenschaft ein, auf die «aus Erkenntnissplittern gebildete Medizin und Pharmazie», in der «kein Weg der Heilung im Sinne eines wirklichen Gesünder-Werdens» gefunden wird. Er legt seine Methodik der makroskopierenden Tätigkeit dar, welche am Vorbild Goethes zurück zur Ganzheit führt. Diese Ganzheit findet sich in der Geometrie bei den Platonischen Körpern. Unter diesen zeichnet sich das Pentagon-Dodekaeder durch eine Besonderheit aus. Durch innere Verbindungslinien aller Eckpunkte untereinander lassen sich alle anderen Platonischen Körper in ihm finden. Dies ist einzigartig unter den Platonischen Körpern. Staunend betrachten wir Johannes Keplers Zeichnungen, in denen er analog zu Platon vier dieser Körper den vier Elementen zuordnet und mit den Symbolen von Erde, Wasser, Luft und Feuer darstellt. Das Pentagon-Dodekaeder aber, das alle anderen Platonischen Körper in sich enthält, wird der Quinta Essentia, dem allumfassenden Kosmos, zugeordnet und mit Himmelssymbolen versehen.

Nun führt der Verfasser den goldenen Schnitt und seine Beziehung zum Pentagon-Dodekaeder ein. Doch dieses Teilungsverhältnis lässt keine ganzheitliche Betrachtung der menschlichen Körperproportionen zu. Daher projiziert der Buchautor das Pentagon-Dodekaeder in die Ebene und führt uns zu seiner Entdeckung. Durch Einzeichnen der Fünfsterne in die Fünfecksflächen dieser Projektion entsteht ein Linienmuster. Legt man dieses über das menschliche Skelett, zeigt sich eine Entsprechung zwischen der Projektionsfigur und der Gestalt des Menschen. Und sogar zu den Chakren steht diese Projektion des Pentagon-Dodekaeders in Beziehung!

Ein anschaulich bebilderter Durchgang durch die Anatomie eröffnet uns weitere Zusammenhänge zwischen Mensch und Dodekaeder. Hier wird deutlich, dass die kosmische Zwölfheit des Pentagon-Dodekaeders beim Skelett des Menschen vollkommener als beim Tier auftritt. Doch zurück zur Geometrie. Indem um das Pentagon-Dodekaeder ein Ikosaeder und um dieses wiederum ein Dodekaeder konstruiert wird, entsteht bei fortgesetzter Reihe ein Raumgebilde zwischen Punkt und Unendlichkeit. Der Mensch, der auf vielfältigste Weise diese Raumgesetzmäßigkeiten und Proportionen in sich vereint, ist durch sie mit der Unendlichkeit und dem Geistigen verbunden. Hier wird das vom Verfasser im Vorwort ausgesprochene Anliegen, dass der Mensch sich wieder als Wesen zwischen Himmel und Erde, als weisheitsvolle Fügung nach kosmischen Gesetzmäßigkeiten erlebt, mit Händen greifbar. So erstaunt es uns auch nicht, dass Rudolf Steiner zusammen mit dem Arzt Felix Peipers Pentagon-Dodekaeder als therapeutische Farbkammern im Rahmen des Johannesbau-Projektes in München einsetzen wollte. Den Abschluss des ersten Teiles des Buches bilden wunderschöne Farbgestaltungen verschiedener Pentagon-Dodekaeder-Projektionen. Hier wird die Seele angesprochen und erlebt die Ästhetik dieses vom goldenen Schnitt durchwirkten Wundergebildes.

Der zweite Teil des Buches enthält ausführliche, mit Farbfotos veranschaulichte Bauanleitungen für die Platonischen Körper. Er zeigt insbesondere verschiedene Techniken, wie Pentagon-Dodekaeder mit Holzstäben aufgebaut und stabilisiert werden können. Durch Spannen farbiger Fäden im Innern der Raumfigur lassen sich die anderen Platonischen Körper darstellen, wie das schon bei Platon bekannt war.

Das Buch ist übersichtlich und mit vielen Darstellungen und Fotos ansprechend gestaltet. Es vollzieht auf beispielhafte Art und Weise eine goetheanistische Betrachtung. Der Autor und Erfinder des ‹Cubus X› spricht den ganzen Menschen an: beim Nachvollziehen der Gesetzmäßigkeiten mehr das Denken und Vorstellen, mit den künstlerischen Ausarbeitungen das Fühlen. Beim Bauen der Platonischen Körper geht es in die konkrete Umsetzung mit den Händen. Dabei zeigt sich als Stärke dieses Buches, dass wir zum aktiven Nachvollziehen und Tun angeregt werden. Der Umschlagtext verspricht nicht zu viel. Ich kann das Buch allen medizinisch Interessierten empfehlen, die sich vertieft mit der menschlichen Gestalt auseinandersetzen möchten. Und ich lege das Buch jedem Menschen ans Herz, der bereit ist, Neues zu erfahren. Denn alle, auch Menschen, die bisher einen großen Bogen um die Geometrie gemacht haben, können dem schrittweisen Aufbau des Buches gut folgen, insbesondere, wenn sie die Bauanleitungen im zweiten Teil umsetzen. Oder mit den Worten des Verfassers Hartmut Endlich: «Das Herstellen von Platonischen Körpern macht Freude und ist einfach.»


Buch Hartmut Endlich: Das Pentagon-Dodekaeder als strukturgebendes Maß des Menschen. Mani-Verlag, Hirschhorn am Neckar 2024

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