Was meine ich mit Initiative?

Zuschrift von Hartmut Werner und Anwort von Wolfgang Held.


[…] die Gedankenverbindung Komet–Initiative ist reizvoll, aber in Ihrem Text stört mich ein Satz, der mir zu locker hingeworfen erscheint: dass eine Initiative auf eine Frage antworte, die noch nicht gestellt ist. Dazu Folgendes: Entweder eine Initiative reagiert auf ein Bedürfnis, das man im weitesten Sinne durchaus als eine Frage ansehen kann, worauf die Initiative eine Antwort darstellt. Oder die Initiative stößt in völlig neue Räume vor, eine Frage ist dazu noch nicht gestellt, dann ist sie aber keine Antwort. Eine im Gegensatz zu Ihrer Darstellung treffende Formulierung scheint mir hingegen der Satz: «Ideologie ist die Antwort auf nicht gestellte Fragen.»

Anwort von Wolfgang Held

Mit «Antwort auf eine Frage, die noch nicht gestellt ist» meine ich die ‹latente› Frage, die zwar – wie Hartmut Werner schreibt – als Bedürfnis vorliegt, aber noch nicht ins Bewusstsein vorgedrungen ist. Diese Frage ist noch in statu nascendi. Tatsächlich liegt ein feiner Widerspruch darin, eine Frage ‹Frage› zu nennen, wenn sie noch nicht gestellt ist, und hier von Antwort zu sprechen. Es sind die schönsten Antworten, die wir geben können, wenn die Frage dazu noch nicht ins Bewusstsein gedrungen, aber sehr wohl da ist. Deshalb ist das Wort ‹noch› wichtig. Wenn man dann die Antwort hört, wacht man für die Frage auf. Während gewöhnlich Antworten eine Frage abschließen, weckt diese Antwort die Frage erst. Der Vergleich zur Ideologie ist interessant. Sie will zu keiner Frage wecken, ja sie erträgt keine Frage. Das unterscheidet sie von der Initiative.


Grafik: Sofia Lismont

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