Lass es fließen!

Was für ein Moment. Ein Jahr hat die Figur geruht, während man selbst in jugendlichem Alter sich in Siebenmeilenstiefeln verändert hat. Jetzt beginnt die erste Probe für den dritten Aufschlag des neuen ‹Faust› im Goetheanum. «Meine Ruh ist hin,/ Mein Herz ist schwer;/ Ich finde sie nimmer und nimmermehr.»


Die Szene, wo Gretchen ihr Herz öffnet, spielt Ludowika Held und versucht, jeder Zeile Gewicht zu geben. Dann die Regisseurin Andrea Pfaehler: «Lass es fließen, als sei ein Damm gebrochen, eine Schüssel umgekippt und jetzt gibt es kein Halten mehr!» Also noch einmal die Szene, und aller Ausdruck ist da, weil die Spielerin auf Ausdruck verzichtet. Der würde sie, so entdecken wir, zu wach, zu überlegt erscheinen lassen, eine Wendung, die erst später folgt, wenn sie fleht: «Helft».

Theater verzaubert, weil es fortwährend anbietet, in die Seelen auf der Bühne zu schlüpfen und so im anderen oder in der anderen sich selbst zu erfahren. Hier übt man, die sprichwörtliche Fassung, die es zu wahren gilt, zulassen und sich dem Fluss der Seele anzuvertrauen.

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