[…] Zu Pfingsten wurden die Apostel von jedem verstanden, als ob ein jeder sie in der eigenen Sprache gehört hätte. In Wirklichkeit haben sie in keiner der existierenden Sprachen geredet, die innere Sprache jedoch, welche die erklingenden Zeichen jeweils ergänzt, war die vollständige, noch nicht zerbrochene, stumme Ursprache: Das wurde verstanden. So hat auch der Herr bei den Heilungen und sogenannten Wundertaten gesprochen, nach außen aramäisch, innen aber in der vollen, stummen Sprache der Bedeutungen. […] Die neue Kindergeneration bewahrt lange die Fähigkeit des stummen Mitteilens und Verstehens: Die Welt der Bedeutungen liegt auf der anderen Seite der Stille. […] Jede neue Bedeutung, vom Menschen geschaffen, wird in diese Seite der Stille eingemeißelt. Pfingsten ist das Fest der sprechenden Stille.
Georg Kühlewind
Aus: De Profundis. Briefe an Freunde. Stuttgart 2013, S. 91 f.
Hörend zu werden für die stumme Sprache des Verstehens, ist eine Pfingstaufgabe. Im neuen Verstehen der Ursprache verbinden sich Vergangenheit und Zukunft.
Auswahl und Kommentar Johanna Lamprecht
Zeichnung Philipp Tok