Auge in Auge

Was will das Goetheanum, die Freie Hochschule für Geisteswissenschaft sein? Im Januar 1924 hat Rudolf Steiner dazu ein paar Worte gesagt: «Hier muß eine Stätte sein, wo die Kraft gefunden wird, nicht bloß in ausspintisierender, dialektisch-empirischer Wissenschaftlichkeit der Gegenwart hinzuweisen darauf, daß es da oder dort solche kleinen Spuren des Geistigen gibt, sondern wenn Dornach seine Aufgabe erfüllen will, dann muß hier offen von dem, was in der geistigen Welt vorgeht geschichtlich, was in der geistigen Welt vorgeht als Impulse, die dann in das natürliche Dasein hineingehen und die Natur beherrschen, es muß in Dornach von wirklichen Erlebnissen, von wirklichen Kräften, von wirklichen Wesenheiten der geistigen Welt der Mensch hören können. […] Man muß sozusagen in Dornach Kraft gewinnen können, sich – geistig sei es gemeint – Auge in Auge der geistigen Welt wirklich gegenüberzustellen, von der geistigen Welt zu erfahren.» (GA 260)

Und wie? Auf jeden Fall, indem man die Wissenschaft wieder auf eine menschliche Ebene bringt, mitten in die individuelle Erfahrung. Schluss mit Enzyklopädien, Dogmen und gelehrten Eliten. «Nur das Wissen befriedigt uns, das keiner äußeren Norm sich unterwirft, sondern aus dem Innenleben der Persönlichkeit entspringt. […] Wir halten uns jeder berechtigt, von seinen nächsten Erfahrungen, seinen unmittelbaren Erlebnissen auszugehen, und von da aus zur Erkenntnis des ganzen Universums aufzusteigen. Wir erstreben ein sicheres Wissen, aber jeder auf seine eigene Art», schrieb Steiner schon 1894 in seiner ‹Philosophie der Freiheit›. Das ist die Herausforderung, der sich diese freie Hochschule stellen möchte: eine neue Wissenschaft zu entwickeln, die auf individueller Erfahrung basiert und der spirituellen Wirklichkeit Auge in Auge begegnet. Ein Pfingstereignis.


Bild Treppenhaus im Goetheanum, Foto: Xue Li

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