Wie konnte Rudolf Steiner das alles wissen?

Wenn ich mich über lange Zeit und unter großen Schwierigkeiten durch eine unübersichtliche Landschaft bewegt habe und dann eines Tages von einem Berg aus das Ganze überblicken kann, dann wird mir eben – fast wie auf einen Schlag – vieles klar werden: manches, das ich ‹unten› mühsam erforschen musste, und wohl auch manches, das gar nicht auf meinem Weg lag, aber von diesem Standort aus vollkommen deutlich vor Augen liegt. Ist das dann ein ‹Wunder›? Oder ist es nicht die schlichte Folge einer günstigeren Erkenntnisposition? Diesen besonderen inneren Ort zu erreichen, ist im Grunde seit Urzeiten der Inhalt aller spirituellen Bemühungen und ist auch Inhalt dessen, wovon die Anthroposophie auf neue Weise zu sprechen versucht. Und ja, es ist ein steiler Berg. Eine andere Antwortmöglichkeit: Steiner hatte eine Begabung, über die im Prinzip jeder Mensch verfügt, in einem besonderen Maß und in größter Bewusstheit ausgebildet: die Begabung, sich in Dinge und Menschen hineinzuversetzen, sie gleichsam in ihrer inneren Gestalt zu ‹lesen›. So konnte er in einer Art tiefer Hingabe und Anverwandlung in ungewöhnlicher Weise aus dem Wesen einer Sache oder eines Menschen heraus sprechen.


Aus Nachgefragt: Anthroposophie. Frankfurt 2023, S. 40.

Grafik Sofia Lismont

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