«Das Publikum fügt etwas hinzu. Durch die Wahrnehmung, durch das Hören ‹von außen›, wird ‹Unerhörtes› möglich.»
So beschreibt es der Autor Marc Vereeck im Artikel ‹Im Spielen hören›. Das Hören ist wesentlich für das Schauspiel, die Verwandlung der gelesenen Texte in erlebte Sprache, in lebendige Figuren. Das Publikum fügt etwas hinzu – genauer: es stiftet dem Spiel sein Hören. Die Spielenden, die sich wie in der Arbeit mit Rudolf Steiner an das Werk ‹herangehört› und ihre Figuren dem Klang und der Gebärde der Sprache abgelauscht haben, haben eine Metamorphose des Hörens von außen und von innen erlebt. Für die Zuschauenden beginnt es mit dem Ereignis. Während die Spielenden dem Geistigen mit allen Sinnen einen neuen Körper geben, ‹entkörpert› das Publikum sich. So reglos wie möglich sitzt man, nimmt wahr, ist aufmerksam, alle Konzentration ‹außer sich›.
Ein Theatersaal ist ein physischer Spiegel dafür, wie sich die Prozesse umstülpen. ‹Vorn›: ein kleiner Raum, in dem sich die Aufmerksamkeit unserer Sinne bündelt – voll erleuchtet, ein sinnliches Fest. ‹Hinten›: der Publikumsraum – dunkel, unsichtbar gemacht, aber weitaus größer. Von hier richtet sich alle Aufmerksamkeit auf das ‹Vorne›, von hier strömt die Resonanz zurück ins Spiel. Ein bisschen wie unser Kopf: vorn das Gesicht, wichtige Körperöffnungen, ein Zentrum der Sinneserfahrung, und hinten ein dunkler, geschlossener Raum, in dem nachgehört, -gespürt, -gedacht wird. Aber erst durch den Hinterraum, unsere verborgene Seite, öffnen wir die Verbindung zur geistigen Sphäre.
Das Theater ermöglicht jenen Zuschauenden, die sich öffnen, eine wirklich geistige Erfahrung. Ich könnte sagen: Das Theater vergeistigt die Zuschauenden, aber die Zuschauenden sind der Geist des Theaters. Wenn wir den Vorhang beiseiteschieben.
Illustration Grafikteam der Wochenschrift