2025 und 2026 zieht der rote Planet eine Schleife durch den Krebs und die Zwillinge und beendet dann seinen Lauf im Löwen. Wie lässt sich diese seltene Bahn des Planeten der Tatkraft lesen?
Noch wartet man bis Mitternacht, um den Planeten Mars zu sehen. Dann steigt der rote Planet mit dem Sternbild Zwillinge über den Horizont, wandert hoch in den Süden und beherrscht die zweite Nachthälfte. Als einziger Planet ist Mars über ein Jahr sichtbar und zeigt dabei einen einzigartigen Lauf, denn er schwingt aus großer Ferne, ähnlich wie Jupiter, zu enormer Erdnähe, wie Venus und Merkur. Er pendelt zwischen der sogenannten obersonnigen und untersonnigen Planetenwelt. Dieser Wechsel von Nähe und Ferne spiegelt sich in seinem Licht. Jetzt, wo er sich auf die Erde zubewegt, nimmt seine Helligkeit Woche für Woche zu, bis er im Dezember mit rotem Feuer den ganzen Nachthimmel beherrscht und zu seiner charakteristischen Schleifenbewegung ansetzt. Acht solcher Schleifen verteilt Mars im Tierkreis, bis eine nächste Schleife in der Nähe der ersten erscheint. Interessant ist, dass die jetzige Marsschleife die einizige im 21. Jahrhundert ist, die die Tierkreisbilder Krebs und Zwillinge verbindet. Nur die Marsschleife hat mit 30 Grad eine so große Ausdehnung, dass Mars vom Zentrum eines Bildes bis ins Zentrum des vorangehenden ein Band zu knüpfen vermag.
Ein Band vom Krebs zu den Zwillingen
Nun geschieht der seltene Fall: Mars wandert bis zum Zentrum des Krebses, dem Sternhaufen Praesepe, und kommt dort zum Stehen. Eine Woche lang, vom 1. bis zum 3. Advent, verbleibt Mars an diesem besonderen Ort des Tierkreises. Hier scheint sich alle Kraft in der Mitte des Bildes zu verdichten. In der Mitras-Religion herrscht die Vorstellung, dass die menschliche Seele vor der Geburt durch den Tierkreis wandert und im Krebs – deshalb heißt dessen Mitte Praesepe (= die Krippe) – irdisch wird, in die Zeitlichkeit kommt. Nach seinem Stillstand zieht Mars dann zurück in die Zwillinge und erreicht am 16. Januar seine Erdnähe. Während die Sterne in kühlem Weiß am Nachthimmel funkeln, strahlt Mars in rotem Feuer – ein Bild der Wärme im Meer des kühlen Glitzerns. Mitte Februar erreicht Mars dann das Zentrum der Zwillinge und verharrt nun erneut zwei Wochen inmitten der kastenförmigen Gestalt des hohen Tierkreisbildes. Betonte beim ersten Stillstand der Krebs mit dessen Zentrum die Einheit, so steht Mars jetzt im Feld der Zwei, denn die Zwillinge tragen die Zwei nicht nur im Namen, es ist das einzige Tierkreisbild, das mit zwei Hauptsternen ausgestattet ist: Castor und Pollux. Mars hält einmal bei der Einheit inne, dann bei der Dualität, der Zwei im Tierkreis. Anschließend nimmt Mars wieder Fahrt auf und zieht im Mai 2025 erneut an dem geistigen Inkarnationsort ‹Krebs› vorbei.
Von der Eins zur Zwei
Während der Planet der Tatkraft, des Krieges zu diesem Lauf ansetzt, tobt auf der Erde seit einem Jahr der Nahostkrieg und kostet über 42 000 Menschen das Leben.1 Der Angriffskrieg Russlands rückt bald ins zehnte Jahr. Auf den Kriegswappen der Waffen und Schulterklappen der Soldaten sind häufig Sterne abgebildet, als folge Krieg himmlischem Auftrag, hätte das Töten höhere Schirmherrschaft. Könnte man diesen Missbrauch des himmlischen Symbols in allen Armeen doch verbieten. Vielmehr gilt doch, was auch die persönliche Erfahrung bestätigt: Wenn man im Disput siegt, in einem Wortgefecht als Letzter spricht: das schale Gefühl, dass der Himmel sich verschlossen hat. So verstehe ich auch den Marslauf: Die Schleife nimmt ihren Ausgang vom Ort der Inkarnation, dem einen Zentrum. So ist es mit der Tatkraft, mit der Aggression: Sie hat ihren Quell in der Selbstbehauptung, sie beruft sich auf ihre Identität und manifestiert ihre Identität, zählt und rechnet mit der Eins. Doch dann schwenkt Mars zu den Zwillingen, zur Zwei, zum Tierkreisbild der Polarität, denn beide könnten im mythischen Vorbild nicht verschiedener sein: Castor ist sterblich, Pollux (griechisch ‹Polydeukes›) ist unsterblich.
Das königliche Herz
Wohin dieser Weg von der Identität im Krebs zum Miteinander in Gegensätzen in den Zwillingen führt, zeigt Mars in seinem weiteren Lauf. Nach der Schleife in diesen beiden Bildern beendet Mars seine Sichtbarkeitsperiode im Löwen. Dann steht der rote Planet bei Regulus, dem königlichen Herzstern. Wann wird ein Herz königlich? Wenn es sich wandelt vom kleinen Herz, das in Affekt und Emotion schlägt, zum großen Herz, das in Unbefangenheit und Mitgefühl über sich selbst wächst. So inspiriert Mars, der Planet der Wandlung und Verwandlung, weniger dazu, aggressiv die Umgebung sich selbst anzugleichen, als vielmehr aus der Inspiration der Zwillinge zum Dialog sich selbst zu verwandeln und das eigene Herz zu König und Königin zu adeln.
Zum Thema siehe Wolfgang Held, Sternkalender 2025/2026
Titelbild Mars Orbiter Laser Altimeter