Hundert Jahre Sediment der Seele

Bis vor 15 Jahren gab es in den Redaktionsräumen des ‹Goetheanum› eine Regalwand mit einzelnen Stößen aller Hefte der vergangenen zwei Jahre. Tag für Tag fiel das Sonnenlicht auf die bald 100 Ausgaben und dunkelte das Papier in einen beigen Ton.


Was so vom ursprünglichen Blütenweiß ins helle Braun wechselte, ist ein Bild für das, was bei uns Leserinnen und Lesern in der Seele geschieht. Man liest, vielleicht wie kürzlich von Christian Morgenstern, vom Schauspiel der ‹Faust›-Inszenierung, vom Schlüsselbegriff ‹Vertrauen›, und dann senken sich all diese Gedanken von der bewegten Oberfläche der Seele in deren Tiefe. Was als Gedanke, einmal gedruckt, gestorben ist, das wird in der Seele wieder lebendig und mischt sich mit den Alltagseindrücken, mit Gefühl und Empfindung, Ideen und Handlungen in jeder Seele und bildet dort fortlaufend wachsenden inneren Grund. Manches senkt sich zum seelischen Sediment und baut mit am Fundament der Persönlichkeit, anderes dringt wieder empor und beginnt von Neuem durch die Seele zu ziehen. Darauf gilt es zu vertrauen: dass das Papier vergilbt, dass jede Ausgabe in diesen 100 Jahren so schnell nicht mehr neu ist. Aus dem Nachdenken und Empfinden über die Gegenwart entstanden die Artikel – geboren aus dem Gespräch mit der Gegenwart. Einmal gelesen, werden sie zum Sediment der Seele und gewinnen neues Leben, wenn sie ins Gespräch treten mit all dem, was jede Seele täglich erfährt, empfindet und will.


Beilage E-Paper (Faksimile) der ersten Ausgabe der Wochenschrift ‹Das Goetheanum› vom 21. August 1921.

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