Ein argent­inisches Porträt

Dornach, Schweiz/Buenos Aires, Argentinien. Vom 23. bis 27. Juli findet am Goetheanum die Konferenz ‹Alma Humana!› statt. Mayumi Matsumiya hält dort einen Workshop zur künstlerischen Auseinandersetzung mit Rudolf Steiner. Besprochen wird auch der argentinische Künstler Xul Solar.


Der Name Xul Solar (1887–1963) mag manchen unbekannt sein, doch ist dieser vielseitige Künstler eine Schlüsselfigur der argentinischen Avantgarde. Xul Solar ist vor allem für seine lebendigen Aquarelle von Visionen spiritueller Realitäten bekannt, war zugleich jedoch auch Musiker, Schriftsteller und ein vieler Sprachen mächtiger Linguist. Sein Werk ging über ästhetische Erneuerung hinaus – es strebte eine tiefgreifende Transformation des Menschen und der Gesellschaft an und verband Kunst, Wissenschaft, verschiedene Religionen und Philosophien. Auf seiner Suche nach Wissen orientierte sich Xul Solar an Persönlichkeiten verschiedener Traditionen, doch Rudolf Steiner schien sein Leben besonders nachhaltig geprägt zu haben. Wahrscheinlich begegnete der Künstler Steiners Namen zum ersten Mal in den 1920er-Jahren in den theosophischen Kreisen Londons. 1923 besuchte er eine Vorlesungsreihe von Steiner in Stuttgart. Im folgenden Jahr kehrte Xul Solar mit mehreren Büchern Steiners nach Argentinien zurück; mit der Zeit baute er eine umfangreiche mehrsprachige Sammlung auf. Weitere im Archiv des Künstlers gefundene Dokumente – Notizen, Goetheanum-Broschüren und eine handschriftliche Meditation Steiners – belegen eine anhaltende Auseinandersetzung mit der Anthroposophie, die über die Jahre nicht nachließ. 1961 malte Xul Solar ein Porträt von Steiner als spirituellem Meister. Das Werk gehört zu einer Porträtreihe, die er in seinen letzten Lebensjahren als Hommage an Meister verschiedener Epochen schuf; dazu gehören Moses, Jesus, Konfuzius, Lao Tse, Ramakrishna und Aleister Crowley. Die Reihe spiegelt seine Überzeugung vom harmonischen Zusammenleben verschiedener Denkweisen und spiritueller Wege wider. Das Porträt Steiners ist in einer symbolischen Sprache gehalten, die geometrische Formen, Zeichen, Farben und Wörter kombiniert. Es trägt die Inschrift ‹Rudolf Stainer [sic]1 Guru, Lume, Sabio› – ein Beweis seiner tiefen Bewunderung. Das Gemälde wurde nur ein einziges Mal öffentlich gezeigt: im Jahr 2000 im Museo Nacional de Bellas Artes in Buenos Aires im Rahmen einer Ausstellung von Steiners Tafeln.


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Bild ‹Rudolf Stainer [sic]›, 1961 Gouache und Tinte auf Karton, 30,5 × 21 cm, Privatsammlung, New York. Mit freundlicher Genehmigung von Fundacón Pan Klub – Museo Xul Solar, Buenos Aires.

Fußnoten

  1. Die phonetische Schreibweise von
    ‹Steiner› ist intentional.

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