Cambridge, USA. Die Übersetzung von Rudolf Steiners Texten aus dem Deutschen in weitere Sprachen spielt eine essenzielle Rolle für die Vernetzung der globalen anthroposophischen Bewegung – und auch für ihre Erforschung. Gedanken von Henry Holland, Übersetzer und Mitorganisator der ‹100 Years Rudolf Steiner›-Konferenz an der Universität Harvard.
Obwohl sie in der Entstehungsgeschichte der Anthroposophie kaum Erwähnung finden, waren Übersetzungen von Steiners Schriften und Vorträgen in zahlreiche Sprachen unverzichtbar für das globale Wachstum dieser ursprünglich sehr kleinen Bewegung. Die Konferenz in Harvard, welche vom 14. bis 16. Dezember stattfindet, würde ohne diese Übersetzungen niemals dieselbe Anziehungskraft haben. Rund hundert Personen mit sehr diversen nationalen, sprachlichen und sozialen Hintergründen haben Beiträge eingereicht. Darunter auch People of Color, die über die Rassismusfrage sprechen möchten. Die meisten dieser Personen lesen kein Deutsch. Der ‹Index Translationum› der UNESCO – die erste Zählung übersetzter Werke weltweit – zeigt, dass Steiner im Zeitraum von 1979 bis 2009 der am dritthäufigsten übersetzte deutschsprachige Autor war. Damit lag er nur hinter Jakob und Wilhelm Grimm, und sogar noch vor Freud, Nietzsche und Marx. Im deutschsprachigen wissenschaftlichen Umfeld wurde kürzlich die Gesamtqualität der englischen Übersetzungen kritisiert und daraus geschlussfolgert, dass seriöse Anthroposophieforschung denjenigen vorbehalten sein müsse, die Deutsch lesen können. Doch leisten nicht beispielsweise auch biodynamische Landwirtinnen und Landwirte in Peru – von denen einige großes Interesse an der Harvard-Konferenz bekundet haben – in ihrer täglichen Arbeit einen bedeutenden Beitrag zur Forschung zu anthroposophischen Prinzipien? Statt einer pauschalen Verurteilung könnte es interessant sein, einen Blick auf englischsprachige Protagonisten zu werfen, die sich aktuell mit der Qualität der Übersetzungen befassen. Thomas O’Keefe von der Chadwick Library Press verdient Aufmerksamkeit für die neuen und sorgfältig überarbeiteten Übersetzungen, die er betreut hat. Auch die neue englischsprachige Steiner-Biografie, die der Religionswissenschaftler Aaron French und ich gerade schreiben, enthält neue Übersetzungen von Steiners Worten – und eine kritische Auseinandersetzung mit dieser faszinierenden Figur der Kultur- und Geistesgeschichte, über die nach wie vor Unwissenheit und Polemik herrschen.
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Bild Harvard-Schild, Xiangkun Zhu