Mehr Licht!

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An diesem Wochenende feiert die ‹Faust›-Inszenierung im Goetheanum ihre Premiere. Es ist die umfassendste Zusammenarbeit von über 80 Mitarbeitenden am Goetheanum.


Von Schauspiel, Eurythmie und Sprechchor über Schneiderei, Musik und Bühnenbild spannt sich der Bogen. Der greift ins Leere, wenn nicht auf der Bühne das Licht angeht. Was so einfach klingt und wir täglich viele Male machen: den Schalter umlegen, damit es hell wird, das ist auf der Bühne ein Kosmos für sich. Am Goetheanum sind es 515 Lampen, die als schwenkbare Scheinwerfer als Rampenlicht oder Kronleuchter die Szene in Licht tauchen. Für die neunstündige Aufführung bedeutet das 403 einzelne Lichteinstellungen, die mit dem neuen Lichtteam von Thomas Stott und Dominique Lorenz mit dem Regieteam entwickelt wurden. Joeri Meijer und Gregor Buhle arbeiten hinter der Bühne, am Lichtskript oder am Verfolger mit, denn es werden gleichzeitig Lampen aufgehängt. Mit den modernen, computergesteuerten Spots zaubern die Lichtdesigner Lorenz und Stott mal Feuerschein mal einen bewegten Schimmer, wie von Wasserwellen reflektiert, in den Bühnenraum.

Was für eine Stimmung bei den 14 Tage langen Einleuchtungsproben. Gebannt sitzen Andrea Pfaehler und Rafael Tavares für die Regie von Schauspiel und Eurythmie und ich selbst als Dramaturg mit am Beleuchtungspult bei Thomas Stott und Dominique Lorenz. Wir fragen uns, wie viel Licht in Fausts Bücherkosmos auf den Boden fallen und sich an den Bücherregalen spiegeln soll. Die beiden Lichtdesigner haben dann all die vielen Scheinwerfer und Fluter innerlich vor sich, um zu überlegen, von wo in welchem Einfallswinkel welche Farbe in welcher Intensität den gewünschten Eindruck erzeugen kann, und sie bedenken dabei Schattenwurf und Reflexion. Es ist eine stille, meditative Atmosphäre, die sich in diesen Lichtproben entfaltet. Was man in der eigenen Versenkung vor einer brennenden Kerze erlebt, das scheint mir verwandt mit dem, was in diesen Stunden der Lichtkreation im Großen Saal sich abspielt. Immer wieder: «Bitte mehr Licht auf die Spielerinnen und Spieler!» Dafür muss dann einer der Bühnentechniker in einem Bühnenbild stehen, bis die farbliche Spannung von Hintergrund, Umgebung und seiner Person ausbalanciert ist. Wichtig dabei sind die Verfolger, die einzelne Spielende gezielt beleuchten und sie so aus der Umgebung hervortreten lassen. Was sich so zwischen Innen und Außen der Seele abspielt, das erzählt das Licht. Im Ausdruck ‹Im rechten Licht besehen› kommt es ins Bild. Interessant: Unser Auge kann in einem Augenblick eine so in stundenlangem Abwägen geschaffene Licht-Räumlichkeit auf einen Schlag erfassen und fühlen. So ist es mit der Kunst: Es ist ein langer Weg der Vorbereitung und des Suchens und Findens für einen Augenblick eines Zaubers, und es ist Kunst, wenn man von diesem langen Weg als Publikum nichts spürt.


Faust im Goetheanum 10.-12. Oktober, 18.-19. Oktober, 25.-26. Oktober

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Bild Aufnahme aus den Proben zu Faust 2025. Foto: Xue Li

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