Der Eingeweihte

Wenn man den Namen Oswald Dubach hört, denkt man vielleicht an das mächtige Rednerpult im Großen Saal des Goetheanum. Oswald Dubach hat es für den ersten Bau nach dem Modell von Rudolf Steiner geschnitzt, und nach dem Verlust durch den Brand auch für den zweiten Bau.


Er kam als junger Maler aus Moskau nach Dornach, doch die Aufgaben, die ihm Rudolf Steiner übertrug, waren Bildhauerarbeiten. Im ersten Bau hat er an fast allen Wandteilen mitgearbeitet. Bei der Errichtung des Betonbaus konnte er durch sein am Ersten Goetheanum ausgebildetes Formgefühl bei der Übertragung der Formen des Plastilinmodells in die Baugestalt helfen. (Rex Raab hat eine Dubach-Biografie im Verlag am Goetheanum erscheinen lassen.)

‹Der Eingeweihte› aus Kunststein steht im ersten Stock des Westtreppenhauses. Wenn die Dämmerung beginnt, gelingt die Betrachtung am leichtesten. Eine aufrechte Gestalt über Lebensgröße steht vor einem. Ein erster Eindruck lässt an einen König oder Priester denken. Wie eine helmartige Bekrönung überragt ein Doppelgesicht die ganze Gestalt. Man schaut zwei übereinanderliegende Antlitze: unten mit konkaven, eingehöhlten Formen für Nase, Mund, Augen. Hier beeindruckt die nach innen gerichtete Aufmerksamkeit; ein Blick in das Seeleninnere. Entgegengesetzt dazu scheinen die offenen Augen des oberen Gesichtes in weite Ferne zu blicken. Der Ausdruck beider Gesichter, im Wechsel betrachtet, lässt einen ahnen, wie der Mensch in zwei Welten schauen kann.

Im Erfühlen des unteren, nach innen gerichteten Blicks wird man einer starken Kraftkonzentration gewahr, die sich bis in die zusammengelegten Hände hält. Auch im oberen Gesicht wirken Stirnkerbe, Brauen und ein giebelartiger Abschluss nach oben stark konzentrierend.

Was die kosmische und innerseelische Aufmerksamkeit erfasst, nehmen die nach unten fallenden Gewandfalten bis in den Sockel in strömender Sicherheit mit. Wer sich auf eine ungehetzte Betrachtung einlassen mag, der oder die darf sich beschenkt fühlen durch eine intensive, ganz freilassende innere Wachheit und Ruhe. Sie oder er kann dabei an sich eine Stärkung des Atems wahrnehmen, dessen Form man in der Plastik der Brust von den Schultern bis zu den Händen wiederfindet. Wie spricht diese Gestalt selbst?

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