Bei jedem Schritt

‹Der Leib als Instrument der Seele›, so lautet ein Vortrag und dann ein Buch des anthroposophischen Arztes Walther Bühler. Der Leib ist gemäß Bühler so beschaffen, dass sich die Seele darin beheimaten kann, er ist der Tempel, und die Seele seine Bewohnerin. Weihnachten feiert, dass unser menschlicher Leib ein solch mächtiges Haus ist, dass sogar ein Gott sich darin zu beheimaten vermag. Wenn der Leib der Seele Wohnung gibt, dann ist er ihre Offenbarung. Am Leib erkennt man, was Seele und Beseelung bedeuten. So müsste auch die Hoffnung, diese menschlichste Haltung, menschlichste Emotion und Tugend, am Leib zu sehen sein.

Zeigt sich also im Leib, was die Römer in die Formel bringen: ‹Dum spiro spero› (solange ich lebe, hoffe ich), und was in zwölf Stimmen hier im Goetheanum beschrieben ist? Ja, denn der aufrechte Gang ist ein Hymnus an die Hoffnung. Einen Schritt zu tun, heißt, den sicheren Stand aufzugeben, heißt, in labiler Lage einen Augenblick zu schwanken, bis der andere Fuß neuen Boden gewinnt. Einen Schritt zu tun, heißt, auf Grund zu hoffen. Anders als die Vierbeiner, die in jedem Moment innehalten können, gibt es beim menschlichen Gang den ‹point of no return›. Diesen Kipppunkt bei jedem Schritt zu überschreiten, heißt, fortwährend im Leib sich der Hoffnung zu vergewissern. Vielleicht gilt auch deshalb der Rat, zu gehen, wenn man nicht weiterweiß.


Illustration Gilda Bartel

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