Im Spiegel des Menschen

Am 30. September zeigte das Unternehmen Tesla die ersten Prototypen seines humanoiden Roboters ‹Optimus Prime›. Laut der Firma könnte dieser Roboter ihr wichtigstes Produkt werden, und dieses ist so ambitioniert, dass es in der Zukunft, so Elon Musk, die reale Weltwirtschaft um einiges vergrößern könnte. Ist das ernst zu nehmen? Und wieso gerade ein Roboter in Menschenform? Wir werfen hier, einen Blick auf einige Aspekte dieses Phänomens, ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder Bewertung.


Viele Kommentatoren stehen skeptisch vor Teslas Entscheidung, die humanoide Form zu wählen. Müsste man nicht die effektivste und einfachste Form suchen, anstatt sich die Mühe zu machen, jeden der zehn Menschenfinger nachzubilden und eine Gestalt zu wählen, die so schwierig ins Gleichgewicht zu bringen ist? Tesla begründet diese Entscheidung so: Die Welt, die wir als Menschen aufgebaut haben und beleben, ist eben für Menschen gemacht und gedacht. Um in dieser Welt zu interagieren und mitzuarbeiten, muss man also eine menschliche Form haben. Somit könnte Optimus theoretisch alles machen, was wir Menschen machen – an erster Stelle, so Tesla, die «gefährlichen, sich wiederholenden und langweiligen» Aufgaben. Mit einer menschlichen Gestalt könne sich der Roboter zum Beispiel ohne Problem in einem Gebäude bewegen, zu essen geben, Werkzeuge benutzen oder ein Auto fahren. Es werde auch die Interaktion mit uns Menschen vereinfachen. Wir könnten Optimus leicht etwas vorzeigen, ihm unser praktisches Wissen beibringen und ihn – wenn wir möchten – als neuen Mitarbeiter, Koch oder Gartenarbeiter in unseren Alltag integrieren.

Die Idee, dass wir Menschen den Robotern etwas beibringen müssten, ist in diesem Modell zentral. Optimus soll fähig sein, physisches Handeln mit einem flexiblen ‹Verständnis› der Welt zu verbinden, was heißt, dass sich seine künstliche Intelligenz (KI) von Tag zu Tag verbessern soll. Es ist gerade die Interaktion mit der realen Welt, mit Menschen und Objekten, die das ermöglichen muss. Die Fähigkeit, aus der Interaktion mit der realen Welt effektiv zu lernen, hat die Firma Tesla schon mit der Entwicklung ihres ‹Full Self Driving›-Systems (kurz FSD) in ihren Autos demonstriert: Diese künstliche Intelligenz wird seit etwa zwei Jahren trainiert. Sie basiert einerseits auf der visuellen Wahrnehmung der Welt (Kameras) und andererseits auf genauer Beobachtung und Nachahmung des menschlichen Fahrverhaltens. Bei Optimus sollte die gleiche Interaktion im Lernprozess stattfinden, um zu verstehen, wie man mit der Welt umgehen soll.

Ob es Tesla gelingt, etwas Nutzbares aus diesem Roboter zu machen und Millionen Stück davon zu produzieren, wie geplant ist, bleibt abzuwarten. Jedoch zeigen jüngste Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz, dass diese Systeme in bestimmten Situationen eine reale Lage einschätzen bzw. eine Aufgabenstellung begreifen können. So wurde zum Beispiel 2022 das ‹Stable Diffusion›-Lernmodell von der Universität München entwickelt. Künstliche Intelligenzen, die nach diesem Modell heute auf der ganzen Welt trainiert werden, sind unter anderem in der Lage, jegliche Bilder aus einer simplen Textbeschreibung zu erstellen. Als Demonstration für diesen Prozess haben wir eine Illustration für diesen Artikel mit dem Netzwerk ‹Dall E› der Firma Open AI erstellt. Das Bild wurde aus der folgenden Angabe generiert: «An expressive oil painting of a robot painting a robot.» Wichtig ist dabei, zu verstehen, dass die Illustration nicht eine Zusammenstellung existierender Bilder ist, sondern ein vollständig neues, künstlich geschaffenes Bild. Nachbearbeitet haben wir es nicht.

Das Bild wurde mit dem Programm ‹Dall E› von Open AI am 4. Nov. 2022 erzeugt. Als Beschrieb wurde der Satz «An expressive oil painting of a robot painting a robot» angegeben.

Neurale Netzwerke wie ‹Dall E› sind heute in der Lage, nicht nur Sprach- und Textangaben zu begreifen, sondern können auch Lösungen erstellen für Probleme, die wir Menschen, auch mithilfe von Computern, schwer bis gar nicht selbst lösen können. So kann das KI-Programm ‹Alpha Fold› von Deepmind (ein Tochterunternehmen von Google) in ein paar Minuten eine beliebige Proteinstruktur vorhersagen. Eine Aufgabe, die ohne Hilfe der künstlichen Intelligenz ein mehrjähriges wissenschaftliches Projekt darstellt.

Was sich schlussendlich mit der Roboterperspektive abspielt, ist eine Zusammenfügung dieser verschiedenen künstlichen Fähigkeiten: Begreifen der Sprache und der physischen Welt sowie kreatives Handeln aus konkreten Situationen und Aufgabenstellungen. Nicht mehr nur, wie es bis jetzt der Fall war, auf informativer Ebene in der virtuellen Welt, sondern physisch in der äußeren Welt. Was wir also seit etwa 80 Jahren im Bereich der Datenverarbeitung und des Datenaustausches an neuen Möglichkeiten und Herausforderungen beobachtet haben, könnte sich ab jetzt auch auf physischer Ebene zeigen.

Ist diese Perspektive wünschenswert und wird sie sich so realisieren lassen? Diese Fragen wollen wir hier offenlassen. Viele weisen auf Gefahren hin, etwa wenn diese Roboter ihr eigenes oder private Interessen zu verteidigen anfangen. Andererseits wird unser Menschsein durch diese Perspektive auch herausgefordert. Nach jeder technologischen Entwicklung stellen sich neue Fragen. Jetzt heißen sie unter anderem: Was ist eigentlich Intelligenz? Was ist Bewusstsein? Was ist die Beziehung zwischen Mensch und Technologie? Wie ließe sich, in der Perspektive einer zunehmend robotisierten Produktion und einer steigenden Wirtschaft, die Umverteilung denken – zum Beispiel in Form eines Grundeinkommens? Und als wichtige praktische Frage: Wie können wir die Entwicklung dieser Technologien da unterstützen und mitgestalten, wo sie im Sinne einer menschlichen Ethik und einer freilassenden Ästhetik realisiert und geführt werden?


Quellen und weiterführendes Material
Video
Tesla AI Day 2022
Bildergeneration von Open AI
Video How Marcelo and Megan solved a ten-year problem in minutes
Video Interview von Lex Fridman mit Demis Hassabis

Titelbild Prototyp des humanoiden Roboters der Unternehmen Tesla. Foto: Tesla, Inc.

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