Visionen aus der Wüste

Andrea Valdinoci im Gespräch mit Helmy Abouleish

Andrea Valdinoci war als Rat der Evidenz-Stiftung Anfang Oktober in Sekem, Ägypten. Beeindruckt von der Initiativkraft des Ortes und der Menschen, sprach er mit Helmy Abouleish über Sekems Vision. Nicht nur die biodynamische Landwirtschaft ist dabei das Ziel, sondern ein Systemwandel, eine Umgestaltung unseres Bewusstseins, damit ein Miteinander von Mensch und Natur möglich wird.


Andrea Valdinoci Ich bin sehr berührt davon, was ihr in Sekem und Wahat aufgebaut habt. Zu sehen, wie Mohamed, der Farmmanager in Wahat, die 1000 Hektar bewirtschaftet, wie es möglich ist, in einer kompletten Wüstenlandschaft so schnell Verschiedenstes anzubauen, war nicht nur hoffnungsvoll, sondern sehr berührend. Auch wie so ein Mensch nicht nur Farmer ist, sondern Verschiedenes über das Land weiß, alles beantworten kann über Pflanzen und dann noch das Mittagsgebet für seine Mitarbeiter hält. Was ihr hier aufgebaut habt, ist für viele Menschen auch eine neue Chance. Auf der Sekem-Farm gibt es verschiedenste Bildungsangebote: von der Krippe bis zu den Jugendlichen, die eine Metallausbildung machen können, von der großen Schule bis zur Ausbildung von Lehrkräften. Ganz herzlichen Dank für diesen kräftigen Impuls für die Welt und dass du heute hier aktuell berichten kannst, was ihr macht und vorhabt. In diesen Tagen sagtest du: «Sekem wird es nur geben, wenn wir das gesamte System verändern. Also alles, von den Banken bis zur Politik.» Kannst du das genauer erklären?

Helmy Abouleish Der Traum, den mein Vater hatte, als er Sekem 1977 gründete, war der Traum eines Systemwandels in Ägypten. Mit Systemwandel meine ich den in allen vier Lebensdimensionen: Kultur, Wirtschaft, Soziales, Natur. Ein Systemwandel für eine Wirtschaft, die wirklich dem Menschen dient, jedem Beteiligten ermöglicht, sein Potenzial zu entfalten, seine Bedürfnisse zu decken, ein lebenswertes Leben zu leben. Die Produkte oder Dienstleistungen, die dabei rauskommen, sollten natürlich auch wirklich gesund und in Harmonie mit der Natur und der Gesellschaft sein und dem Einzelnen ermöglichen, sich durch diese Produkte weiterzuentwickeln. Das Gleiche kann man auch sagen für den kulturellen Bereich. Denn wenn man damals nach Ägypten geschaut hat und jetzt noch viel mehr nach Ägypten schaut, dann erlebt man, dass das Bildungssystem, auch an den Universitäten, die Forschung und die Kulturlandschaft diesen Systemwandel brauchen. Aber immer zentriert darauf, dass es um Menschenentwicklung geht, um Bewusstseinsentwicklung. Dass es von der Geburt bis zum Tod und in jeder Situation für uns immer wieder eine Chance geben muss, zu lernen, uns weiterzuentwickeln und zu entfalten. Es geht um dieses göttliche Licht, wie es der Islam so schön sagt, das in jedem von uns ruht. Und das Gleiche gilt für die Gesellschaft und im Sozialen. Gerade wenn man vom Westen hierher schaut, hat man das Gefühl: ‹Die sind weit hinter uns und haben nicht diese wunderbare Demokratie.› Das mag in vieler Hinsicht stimmen, aber man darf nicht vergessen: Jede Gesellschaftsform ist Resultat des Bewusstseins der Menschen, die in dieser Gesellschaft leben, ein Spiegel sozusagen dieses Bewusstseins. Daher geht es eigentlich darum, an diesem Bewusstsein zu arbeiten, um die Gesellschaft zu verändern. Wenn man jedoch solchen Gesellschaften die Formen anzutragen versucht, die für ein anderes Bewusstsein, zum Beispiel für den Westen, passen, funktioniert das nicht. Das sieht man auch sofort. Und ich denke, auch der Westen muss sich heute die Frage stellen, was einem neuen Bewusstsein als politisches oder als Gesellschaftsformat angemessen ist. In dem Sinne war der Traum, den mein Vater hatte, dass wir den Entwicklungspotenzialen der Menschen angemessene Gesellschaftsformen entwickeln können, in denen wir respektvoll miteinander umgehen, uns gegenseitig schätzen und lieben. Aber sich auch bewusst zu machen, dass die Chance einer Gemeinschaft, etwas für die Welt zu leisten, viel größer ist, als man jemals allein schaffen kann. ‹Eins und eins ist zehn›, das erleben wir in Sekem. Wie komme ich dazu, dass die Synergie zwischen uns beiden es ermöglicht, mehr zu leisten, als jeder von uns maximal allein leisten kann? Und das zu tun auf der Grundlage eines wirklich achtsamen Umgangs mit der Natur? Vielleicht sogar mit dem Anspruch, der Natur bei ihrer Entwicklung einen Impuls geben zu können, nicht nur sie zu erhalten, sondern sie zu entwickeln? Das war der Traum meines Vaters und er hat immer gesagt, dass das Zeit brauchen wird. Solch eine Entwicklung findet nicht von heute auf morgen statt, weil sie in den Herzen und Köpfen der Menschen geschieht. Mit diesem Anspruch war von Anfang an klar: Es ist nicht das Endziel, dass wir hier eine wunderschöne Enklave haben, eine Farm, biologisch-dynamische Landwirtschaft und einige Menschen, die ein anderes Leben leben können. Sekem war immer als Modell gedacht. Uns beschäftigt seit 2017, als mein Vater starb, wie wir diese Modelle so in die Gesellschaft integrieren, dass die 7 Millionen Bauern und die 1,6 Millionen Lehrkräfte und die 1,3 Millionen Staatsangestellten teilhaben. Das ist eine neue Herausforderung, weil man nicht warten kann, bis alle verstehen, was wir tun. Wir übersetzen in ihre Sprache und das gibt die Möglichkeit, unsere Ideen zu verstehen. Auch wenn wir nicht immer übereinstimmen, aber um einen Systemwandel in der Wirtschaft hinzukriegen, in einer Welt, die immer nur an Profit und Preise denkt, muss man sich dieser Werkzeuge bedienen, um es den anderen zu ermöglichen, reinzukommen. Dann wird sich im Laufe der Zeit mit der richtigen Begleitung und dem Fokus auf lebenslange Bildung, Potenzial, Entfaltung und kulturelle Angebote auch in den Seelen und Häuptern dieser Menschen etwas tun.

Palmengarten auf der Sekem-Farm

Valdinoci Hier vor Ort arbeiten in etwa 2000 Menschen. Es werden mehr als 2500 Hektar insgesamt bewirtschaftet. Kannst du noch einen kleinen Überblick geben?

Abouleish Es werden 2500 Hektar von uns bewirtschaftet, aber wir kooperieren mit Bauern in unserer ägyptischen biologisch-dynamischen Assoziation, die insgesamt 20 000 Hektar bewirtschaften. In dieser rasanten Skalierung, in der wir uns gerade befinden, wachsen sie natürlich, verdoppeln sich die Mitglieder jedes Jahr. Wir hoffen, dass wir in den nächsten drei Jahren mit 40 000 Bauern organisch und biologisch-dynamisch arbeiten, denen wir bei der Umstellung helfen, um die 100 000, 120 000 oder 150 000 Hektar wirklich auch mit umzustellen, mitzugestalten. Natürlich geht es dabei nicht darum, dass das alles Rohstofflieferanten für Sekem sein sollen, sondern sie sollen organische Produkte für den normalen Marktpreis an alle Dörfer und Städte in Ägypten und drum herum verkaufen.

Valdinoci Ich kam hierher und dachte, Landwirtschaft ist eigentlich das Hauptthema. Das stimmt ja, aber in gewisser Weise auch nicht. Ich sehe, wie viel Firmen hier tätig sind, was ihr im Bildungsbereich macht, was ihr auf der Governance-Ebene macht, wenn ihr ein eigenes Öko-Label in Ägypten einführt oder wenn ihr vom Beduinenrecht sprecht, das es hier noch gibt, und wie ihr damit umgeht. Oder auch die ganze Idee, die Sekem-Holding zu verschenken, in eine Stiftung zu verwandeln und Verantwortungseigentum zu schaffen. Das sind alles Innovationen, die ihr hier auf verschiedensten gesellschaftlichen Ebenen durchführt. Wie hält man das, wie kriegt man das sortiert? Was braucht ihr eigentlich für eine qualitative Unterstützung?

Helmy auf ein Wort

Glücksmomente Die Carbon Credits for Future so in Ägypten umgesetzt zu haben, dass in Zukunft alle Biolandwirte über Kompostbildung, Baumpflanzungen und Bodenbewirtschaftung ca. 35 % mehr Ertrag aus ihrer Arbeit erhalten und mit den konventionellen Preisen konkurrieren können. Mit der Firma Isis ca. 70 % des inländischen Kräuterteemarktes (konventionell und bio) zu beliefern. Die Genehmigung im Jahr 2020, die Heliopolis-Universität von fünf auf zwölf Fakultäten ausbauen zu können.

Momente der Verzweiflung Auf der Wahat-Sekem-Farm wurden zweimal nahezu alle Bäume, die zu Beginn gepflanzt worden waren, wieder ausgerissen. Die Wahrnehmung, wie viele Studierende darauf trainiert sind, das zu sagen, was der Professor oder die Professorin hören will.

Größte Herausforderungen Die Schuldenlast der Sekem-Gruppe in den nächsten drei Jahren signifikant zu reduzieren (aktuell ca. 25 Millionen Euro) und bis 2033 auf null zu bringen. Die nachhaltige Transformation in den verschiedenen Bereichen für ganz Ägypen mit zu ermöglichen.

Abouleish Der Sekem-Impuls ist ein ganzheitlicher Entwicklungsimpuls. Die biologische Landwirtschaft ist dafür natürlich die beste Basis, die man sich wünschen kann. Aber sie ist nur eine Dimension und man muss die Dreigliederung mitdenken. Man muss alle Bereiche ständig so weit wie möglich mitdenken in dem, was man tut, sie ausbalancieren und entwickeln, sodass sie in Harmonie oder zumindest in Bewegung bleiben. An jeder Stelle muss man wagen, infrage zu stellen, was es im Moment gibt, und schauen, was in Zukunft die angemessene Form der Architektur, des Geldes, der Gesundheitsversorgung und so weiter ist. Wenn man das nur konsequent tut, sich jeden Tag fragt, ‹Was tue ich da gerade? Ist es das, was ich mir für die Zukunft wünsche, dass alle Menschen und auch die nächsten Generationen es tun?›, kommt man ständig an Fragen, an Herausforderungen und muss sich die Mühe machen, zu überlegen: ‹Wie erfinde ich jetzt irgendwas neu? Wie baue ich auf die Erfahrung von anderen in welchen bestimmten Bereichen auf, um die Sachen zu verändern?› Dieser unbändige Veränderungswille und -wunsch in uns, den nähren wir auch, indem wir uns jeden Tag früh im Morgenkreis treffen, uns geistig weiterbilden und inspirieren, indem wir uns jeden Tag in jedem Bereich fragen: Was mache ich neu? Das ist besonders schwer, wenn es einem gut geht, weil man dann natürlich gemütlicher wird und nicht mehr diesen unbändigen Wandlungswunsch verspürt. Aber gerade dann ist es wichtig.

Und es braucht den Mut, nicht nur zu bedenken, zu besprechen, zu erforschen, sondern auch in die Tat zu kommen. Es wirklich auszuprobieren an einer Stelle, wo man vielleicht noch viele Fragen hat. Aber dass man den nächsten Schritt tut, dass man seinen eigenen Händen und Füßen genauso vertraut wie seinem Kopf und seinem Herzen, ist wichtig. Das meiste lernt man in der Bewegung des Lebens und nicht im Sitzen und drüber Nachdenken. Was wir dabei als größte Hilfe empfunden haben über die letzten 45 Jahre und auch am meisten brauchen, ist ein Netzwerk, sind Freunde, sind Menschen, mit denen wir uns darüber austauschen. Es sind Menschen, die uns helfen, an den verschiedenen Stellen anzufangen und mit uns in die Umsetzung zu gehen, wenn es um die Gründung einer Schule oder eines Spitals oder einer Uni oder einer Firma oder was auch immer geht. Da sind wir beschenkt vom Schicksal mit einem großen Netzwerk und Freunden in der ganzen Welt und in verschiedenen Gebieten, in denen wir arbeiten. Das brauchen wir auch am meisten für die Zukunft. Menschen folgen einer Idee mit Enthusiasmus und Liebe. Die meisten anderen Faktoren, die man auch braucht, wie Geld und Materialien, kommen nach der Idee.

Mitwirkende des Recyclingprojekts von Sekem

Valdinoci Das habe ich wahrgenommen. Ich durfte eine kleine Probe hier im Theater sehen, wo es um das Thema Biodiversität ging. Ihr habt euch verschiedene Ziele gesetzt bis 2057. Ihr nehmt immer zwei im Jahr und bearbeitet sie mit allen Menschen, die hier tätig sind, inklusive des Theaters. Kannst du sagen, wie die Idee entstand, dass ihr in die Dörfer zieht mit einer Müllabfuhr und den Menschen ein bisschen Geld gebt, um den Müll zu trennen?

Abouleish 2017 war unsere Frage: Wie können wir das, was wir hier an Ideen haben, noch mehr in die Gesellschaft bringen? Wie können wir unsere Ideen erst mal übersetzen in eine Sprache, die die Menschen verstehen, und dann skalieren? Da haben wir natürlich auch gefragt, wie Ägypten aussehen würde, wenn wir das schaffen. Wie würde Ägypten also 2057 ausschauen, wenn wir die Bereiche und die Ideen, die wir hier entwickelt haben, raustragen? Können andere Menschen sie umsetzen, vielleicht sogar besser als wir? Da entstand ein wunderschönes Bild für Ägypten: ein Land, wo 100 Prozent biologische Landwirtschaft betrieben wird, wo alle Bildungsinstitute sich lebenslang der Potenzialentfaltung, der Individualität widmen. Ein Ägypten, in dem alle Firmen das, was wir als Prinzipien für eine Wirtschaft der Liebe entwickelt haben, in ihrer Form umsetzen. Oder es ist ein Ägypten, in dem die politischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Formen die Menschen so einbeziehen, dass jeder das Gefühl hat: Das ist mein Ägypten. Ich bin ein Teil und ich gestalte die Zukunft mit. Daraus entstanden 16 Sekem-Visions-Ziele für Ägypten. In den vier Bereichen der nachhaltigen Entwicklung, also im ökologischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich, haben wir uns auf den Weg gemacht. Wir können nicht alle 16 Ziele gleichzeitig bearbeiten. Das geht nicht von der Kapazität her und von der Fähigkeit der Menschen, zu fokussieren. Wir wollen bis 2027 im ersten Aufschlag in den ersten zehn Jahren einmal durch alle 16 durchgehen. Weil wir hier diese wunderschöne Tradition haben, uns zweimal im Jahr mit all unseren Bereichen zu einem Jahresfest zu treffen, haben wir festgelegt, für jedes Jahresfest eines dieser 16 Missionsziele zu bearbeiten. Bearbeiten heißt für uns, dass man sich erst mal bewusst macht: Um was geht es, wenn ich von 100 Prozent biologischer Landwirtschaft spreche? Oder worum geht es, wenn ich über eine verbesserte Biodiversität rede? Was ist überhaupt Biodiversität? Was sind die Risiken? Was ist der Stand der Dinge von verschiedensten Seiten und mit möglichst hohem Involvement und Beitrag aller Menschen? Es kommt uns wirklich darauf an, dass jeder an jeder Stelle in Sekem involviert ist in diesen Prozess. Denn wenn wir es nicht in Sekem schaffen, wer schafft es dann auf der Welt? Das ist ein Prozess, der sechs Monate dauert. Zur Mitte des Jahres hin geht es dann darum, zu fragen, was konkret zu tun ist.

Und ziemlich schnell war deutlich, dass die Ägypter und Ägypterinnen mit dem Müll, den man überall sieht, wenn man durchs Land fährt, gar nicht zurechtkommen. 110 Millionen ägyptische Menschen mit 42 Kilo Müll pro Kopf und Jahr, das ist natürlich eine Unmenge und es gibt im Moment kein System, das damit umgehen kann. Von der Stadt ins Land, an jeder Straße ist Müll, werden Müllberge verbrannt. Also haben wir angefangen, uns mit der Müllfrage zu beschäftigen. Wie kann das neu organisiert werden? Wir haben erst mal Versuche mit uns selbst hier gemacht. Dann natürlich mit der Heliopolis-Universität. Wir sahen dann, dass eine ganze Menge an Möglichkeiten da sind. Wenn man nur allein an der Quelle den organischen und nicht organischen Müll trennt, kreiert man einen Mehrwert. Den kann man an die Menschen geben, anstatt dass ein Dorfbewohner hier einer Firma Geld gibt, die den gesammelten Müll abholt, ein paar wertvolle Sachen raussortiert, den Rest am Straßenrand anzündet und damit das Dioxin wieder ins Haus schickt. Dann kann man dem Bürger helfen, dass er das trennt, seinen organischen Abfall zu Kompost macht und alle anderen Bestandteile seines Mülls so sortiert, dass er sie verkauft und was noch übrig bleibt, so weiterverarbeitet, dass es zumindest als Brennstoff für Industrien dienen kann. Das haben wir also ausprobiert. Und es hat funktioniert. Im Moment sind wir gerade am Skalieren in den 13 umliegenden Dörfern. Es ist natürlich wieder ein recht einfaches Modell, weil wir der Familie sagen: Statt Geld zu zahlen für die Müllabholung, kriegst du Geld, wenn du gut trennst. Wir hoffen, dass wir damit einen Weg finden, dieses Modell zu skalieren, um uns herum zu etablieren und dann zu sehen, wie wir das in die gesamte ägyptische Gesellschaft reintragen können?

Mitarbeitendenkreis in der Oase Wahat von Sekem

Valdinoci Du konzentrierst dich aus der Holding-Leitung heraus auf all diese Projekte, versuchst all das im Einklang zu halten. Das ist schon eine Riesenaufgabe. Und dann gehst du in die Welt, machst bei der Klimakonferenz COP 27 sogar als Gastgeber diverse Veranstaltungen, lädst die alternative Welt nach Sharm El-Sheikh ein. Wie ist dein Kompass für diese innere und äußere Arbeit?

Abouleish Sekem gäbe es nicht ohne unsere Netzwerke, nicht ohne unsere Kontakte, nicht ohne unsere Freunde. Und das ist ein Prozess des Gebens und Nehmens. So wie wir viel lernen, müssen wir natürlich auch versuchen, einen Beitrag zu leisten, und das, was wir uns erarbeitet haben, auch in die Welt tragen. Dass andere vielleicht dadurch inspiriert werden können oder Fragen haben oder es verbessern oder, oder, oder. Daher haben wir von Anfang an, nicht nur in den letzten Jahren, immer einen großen Wert darin gesehen, uns zu verbinden mit unseren Partnern, Freunden, unseren Geschäfts-, Kultur- und Sozialpartnern. Du hast es ja hier gesehen. Angela Hoffmann ist ständig unterwegs in Afrika, andere sind unterwegs in anderen Bereichen. Wir versuchen natürlich auch, dort zu unterstützen, wo das meiste an Erfahrung, Interesse und Wissen da ist. Damit alle, und ganz speziell natürlich die Zukunftratsmitglieder, wirklich in einem ständigen Austausch und einem Ein- und Ausatmen mit der Welt sind. Wir empfinden das nicht als eine Belastung, sondern als eine Unterstützung. Der Kompass ist natürlich, dass es in irgendeiner Weise unserer Vision dient.

Valdinoci Und bei der COP 27 im November speziell, das kannst du vielleicht mit einem Aufruf verbinden: Wer sollte kommen, wie kann man beitragen?

Abouleish Die COP 27 dieses Jahr in Sharm El-Sheikh, diese 27. Klimakonferenz seit 1995, ist die größte Konferenz auf der Welt jedes Jahr. Bis zu 50 000 Menschen reisen an, inklusive natürlich der Vertreterinnen und Vertreter der Länder, die verhandeln. Aber eben auch die Zivilgesellschaft, die Unternehmerinnen, die sozialen Unternehmer, die Forscherinnen und, und, und. Wenn wir uns als Welt darauf verständigt haben, dass Klimawandel eine der größten Herausforderungen dieses Jahrhunderts ist, muss man natürlich auch schauen: Wie trage ich dazu bei, was kann ich mit meinem Umfeld und mit meiner Kraft tun? Während dieser COP-27-Konferenz in Ägypten ist es uns ein Anliegen, eine Plattform zu kreieren, auf der sich viele Menschen treffen können, die sich um Alternativen, ums Neuerfinden der Wirtschaft, der Bildung, in verschiedenen Bewegungen bemühen. Sie sollen sich austauschen können, damit Synergien hergestellt werden, die hier vorhanden sind. Damit man voneinander lernt. Das organisieren wir jetzt, direkt vor der COP 27 in dem Future Economic Forum, das vom 2. bis 6. November in Kairo stattfindet, in Sekem und an der Heliopolis-Universität. Das wird während der COP 27 in Sharm El-Sheikh vom 7. bis 18. November weitergeführt. Wir wollen auch dort einen Ort schaffen, wo man sich über die neuen Ideen unter dem Namen ‹Solutions›, also Lösungen, austauschen kann. Wir haben uns natürlich dieses Jahr ganz besonders vorgenommen, auch den ganzen Lösungen aus dem Süden der Welt ein Parkett zu verschaffen. Denn was da verschiedene Initiativen in Indien, Südamerika oder Afrika tun, ist wegweisend für die Zukunft der ganzen Welt. Da können auch wir lernen. Jeder und jede, der sich dafür interessiert, eine Lösung hat oder eine Lösung lernen und sich austauschen möchte, ist herzlich eingeladen. Denn das ist ein offenes Forum, und wir hoffen, dass gerade auch aus unserer Bewegung, ob es die landwirtschaftliche oder die geisteswissenschaftliche ist, mehr Stimmen zu hören sein werden in Zukunft. Wir waren traditionell unterrepräsentiert an solchen Stellen und sind es immer noch. Ich denke, wir haben da eine Verantwortung. Man sollte nicht unterbewerten, was ein geistiger Samen in der Zukunft an Früchten bringen kann. Da muss man halt Tausende Male säen, um in der Zukunft etwas zu ernten.


Sekem in Zahlen

Sekem Holding Sekem Treuhand gGmbH hat knapp 60 % der Anteile an der Sekem Holding. Weitere Gesellschafter sind die EcoTec Holding, die GLS Beteiligungs AG, Oikocredit und Triodos sowie die Abouleish Foundation.
Insgesamt arbeiten 1840 Menschen für die Sekem Holding. Etwa 40 % ihrer Kinder gehen in Sekem-Bildungseinrichtungen. Von den Mitarbeitenden arbeiten 40 % in der Landwirtschaft, 30 % in der Verarbeitung von Landwirtschaftsprodukten, ca. 10 % im Baubereich, ca. 10 % im Hotel- und Gastrobereich, ca. 5 % im Nachhaltigkeits- und Zertifizierungsbereich.

Landwirtschaftliche Flächen Mit den 200 Hektar auf der Mutterfarm und weiteren vier Sekem-Farmen in verschiedenen Regionen in Ägypten werden über 2500 Hektar biodynamisch bewirtschaftet. Sekem kooperiert mit 26 000 Kleinbauern, die 20 000 Hektar biodynamisch oder biologisch bewirtschaften.

Sekem Development Foundation Insgesamt arbeiten 250 Menschen in den Einrichtungen von der Kinderkrippe bis zur Berufsschule und zur Erwachsenenbildung. Die Sekem-Schulen auf waldorfpädagogischer Grundlage haben ca. 650 Schüler und Schülerinnen. In drei Theatern an verschiedenen Standorten organisieren und produzieren wir jedes Jahr etwa 150 Veranstaltungen.

Das Sekem Medical Center bietet medizinische Versorgung nicht nur für die Sekem-Mitarbeitenden, sondern auch für die 30 000 Einwohnerinnen und Einwohner der 13 Nachbardörfer. Das Gesamtbudget 2021 betrug 3 Millionen Euro. Davon kamen 50 % von der Sekem Holding, 25 % aus Spenden und 25 % aus Fördergeldern, überwiegend durch Forschungsprojekte mit der EU.

Heliopolis-Universität Von Anfang an war im Gesamtkonzept die Universität Teil der Sekem-Idee. Die Heliopolis-Universität eröffnete 2012 und hat heute fünf Fakultäten: Pharmazie, Business & Economics, Engineering, Physiotherapy, Organic Agriculture. Insgesamt sind dort 267 akademische Mitarbeitende tätig, davon 113 Männer und 154 Frauen. Heute zählt die Universität 2825 Studierende, davon 60 % Frauen. Die aktuell stärkste Fakultät ist die Pharmazie mit 1171 Studierenden und die Physiotherapie mit 1164 Studierenden. Das Gesamtbudget 2021 betrug ca. 2 Millionen Euro, was zu 70 % über die Studiengebühren, zu ca. 20 % aus Spenden für Stipendien und zu 10 % aus Fördergeldern generiert wurde.


Titelbild Kräuterfeld der Oase Wahat von Sekem

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  1. Ganz herzlichen Dank für diesen schönen Bericht. Mir erscheint diese Ägyptische Oase als eine Keimzelle für die Welt von morgen, für unsere Zukunft. Meine herzlichen Dankgedanken und -Gefühle sende ich nach
    Sekem.

  2. Sekem, eine Initiative, die mich von Anbeginn an begeistert hat. Möge sie doch bald genügend Nachfolge finden um eine lebenswerte Zukunft für unsere Welt zu ermöglichen.
    Herzlichen Dank an alle Initiatoren und Mitarbeiter von Sekem, und weiter soviel Erfolg und Wachstum. Ulla Kolpatzik Kels

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