Neulich hörte ich am Bahnhof im Vorbeihuschen einen Mann in sein Smartphone sagen: «Deren Erwartungsmanagement ist echt beschissen.» Scheinbar war er eine Art Coach, der sich darum kümmerte, in einer Firma ein neues Miteinander zu etablieren. Und er wirkte erschöpft. Ich habe dann das mir bis dahin unbekannte Wort gegoogelt. Tatsächlich existiert so etwas – ein geleiteter Prozess, der durch die Erwartungen und das Missverstehen zwischen Individuen oder Gruppen manövriert. Aber irgendwie klang es sehr technisch in meinen Ohren, nach effizient und praktikabel. So als seien unsere Sehnsüchte und Wünsche, unsere Traumata und Ängste – all jenes, was uns zu komplizierten, liebenswerten Menschen macht, was Teil des sozialen Lebens ist – etwas, was es einzudämmen gilt. Als könne man sich auf eine Methode berufen, die alles Menschliche handhabbar macht.
Aber was ist das eigentlich für eine Arbeit, nicht nur die Arbeit dieses Mannes, sondern auch jene der Teilnehmenden, die sich auf einen solchen Prozess einlassen? Sie bezeugt die Bereitschaft, miteinander zu sprechen über die Unterschiede zwischen uns. Aber auch das gemeinsame Wollen trotz der Unterschiede könnte darin zum Ausdruck kommen. Oder wäre das eigentlich der erste Schritt? Oder vielleicht auch der letzte, bei dem es anzulangen gilt? Alpha und Omega. Die Technè (altgriech.: Handwerk, Geschick, Kunst) ist der Weg dorthin. Es ist also an mir, meine eigenen Erwartungen im sozialen Zusammenspiel zu managen, mich darin selbst zu zügeln: mir ihrer bewusst zu sein, sie zu kommunizieren und auch anzupassen oder zu wandeln, wenn nötig. Das klingt einfach und braucht doch Mut. Ob es dann nun ‹Erwartungsmanagement› heißt, oder ‹Leben in der Liebe zum Handeln und Lebenlassen im Verständnis des fremden Wollens›, ist wohl auch nicht so wichtig. Wichtig wäre der Mensch, der sich aus Freiheit für dieses Wagnis entschieden hat.
Illustration Fabian Roschka