Schwarzes Leuchten und weiße Schatten

Maaianne Knuth hat vor 21 Jahren in Simbabwe das Lerndorf Kufunda gegründet. Neben den vielen Workshops vor Ort und für die ländlichen Gemeinden haben sich eine waldorfinspirierte Schule und eine kleine biodynamische Landwirtschaft entwickelt. Kufunda ist eine Sozialinitiative, die Menschen ermöglicht, sich selbst zu finden. Das gilt nicht nur für Simbabwerinnen und Simbabwer, die sich aus dem kolonialen Erbe befreien wollen.


In Afrika werden meine Schritte langsamer. Welches Datum ist, weiß ich nach bereits zwei Tagen nicht mehr. Ich weiß den Wochentag, aber nicht die genaue Uhrzeit. Ich weiß, dass es ab 18 Uhr finster wird, und nach drei Tagen verstehe ich die merkwürdige Färbung des Sonnenunterganghimmels: ein breites Band aus Orange über den Baumwipfeln. Es ist wegen des Rauches der Feuer, die um diese Jahreszeit im Busch toben. Mein Schauen verändert sich. Ich atme ruhiger. Es ist nicht die Hitze, die das macht. Eher das Gemüt der Landschaft, der Menschen. Ja, ich bin in der Fremde, weit weg von meinem ‹Gewohnheitsdickicht›.1 Das spielt wohl eine Rolle. Aber es lebt etwas in Simbabwe, was ich auch aus anderen afrikanischen Ländern kenne. Vielleicht ist es der Wärmeäther, der hier mehr im Fluss und im Vertrauen hält. Auch im Sozialen. Denn Gemeinschaft ist der Kern von Afrika, und so auch in Kufunda, mit einem dänischen Einschlag.

Zurückkehren

Früher gab es in Simbabwe ‹Nimbe›: An einem Tag kommen alle zu mir und bearbeiten mein Feld, während ich für das Essen sorge. Nächste Woche machen wir dann das Feld eines anderen Nachbarn. «Wenn Dorfgemeinschaften im Prozess der Wertschätzung und des Träumens einige der alten Traditionen wieder aufleben lassen, fragen sie sich, warum sie sie aufgegeben haben. Der Häuptling zum Beispiel erhielt früher von allen einen Anteil ihrer Ernte, der für arme Familien und Waisen bestimmt war, um die er sich kümmerte. Aus unserer Arbeit mit den Communitys haben sie das aus sich selbst heraus wieder eingeführt. Was wir tun, ist das erste Wiederverbinden», so beschreibt Maaianne die Arbeit der Kufundees. Von Anfang an sind sie in die Dörfer gegangen und haben in Gesprächsrunden Räume für Besinnung eröffnet. Für Frauen, für Jugendliche. Die Chiefs einzuladen, war nicht ganz so einfach. Zum Glück war Maaianne nicht vertraut genug mit der simbabwischen Kultur und ging das Wagnis ein. Drei Tage verbrachten die Chiefs in Kufunda und erlebten die Kultur des Gesprächskreises, die mit einem Check-in, also wie es jedem geht, beginnt. Der Stein wird rumgereicht und sprechen darf, wer ihn in der Hand hat. Es herrscht Gleichberechtigung. Nicht für alle Chiefs war es leicht, auszuhalten, dass eine Frau ihnen gerade was beibringen wollte. Und doch erkannten sie den Wert des Kreises wieder. Der Impuls von Kufunda hat mit Rückgewinnung der eigenen Werte zu tun. Erst daraus kann Neues entstehen, ist Maaianne sich sicher. «Sie hat das ‹coming together› Afrikas und die Intelligenz Europas. Das bringt sie in Kufunda zusammen», meint Tichaenzana2, der seit 2016 hier lebt, sich um die Landwirtschaft und die Pferde kümmert und weiß, dass er am richtigen Ort gelandet ist. Kufunda meint ‹Lernen› in Shona, der Sprache, die 70 Prozent der Menschen in Simbabwe sprechen. Seit drei, vier Jahren merken die Kufundees, dass sich in den Communitys wirklich was bewegt. In Selbstbestimmung und Selbstverantwortung nehmen die Menschen Inspirationen aus Kufunda auf und machen etwas damit für ihre Gemeinde.

Maaianne Knuth

Nach ihrem Aufwachsen und dem Studium in Dänemark ist Maaianne zurückgekommen in das Land ihrer Mutter und hat mithilfe europäischer Freunde begonnen, auf einem Teil der 130 Hektar großen Farm Kufunda aufzubauen: eine Rundhalle für Zusammenkünfte und Workshops, die Gemeinschaftsküche, die Schlafsäle für Männer und für Frauen, den Speiseraum, Duschhäuschen. Diese Gebäude bilden das Herz und werden permanent genutzt. Mitte Oktober 2022 zum Beispiel lud Kufunda alle afrikanischen biodynamischen Initiativen ein zur African Biodynamic Conference. Allein während unseres kurzen Aufenthalts fanden mehrere Workshops statt: für Frauen, für Jugendliche, für politisch traumatisierte Simbabwerinnen und Simbabwer. Mein 19-jähriger Sohn nahm an dem für die Jugendlichen teil. Moderiert von Stephen, Sikhethiwe, Admire und Maaianne, geht es darum, seine Träume zu spüren und nach Umsetzungsmöglichkeiten zu suchen. Mein Sohn meinte schwer beeindruckt: «So etwas brauchen wir in Deutschland auch.» Eine wichtige Säule dieser Workshops sind Bewegung und Tanz. Movement Medicine heißt der Stil bzw. die Tanzmethode, die Maaianne leidenschaftlich praktiziert und auch in Einzelkursen und Freitagabend-Sessions in Harare oder Kufunda anbietet. Es ist ihre zweite Herzhälfte. Ihre anthroposophischen Samen wurden in ihren Zwanzigern gesät, als sie über mehrere Sommer bei Miha Pogačnik auf Schloss Borl in Slowenien die Moderation von Workshops übernahm. Dort wurde ihr das erste Mal die ‹Philosophie der Freiheit› in die Hand gedrückt, von der sie damals nichts verstand, wie sie lachend zugibt.

Unmittelbares Leben

Die Menschen lassen sich nicht hetzen, auch wenn sie Dinge zu erledigen haben. Wenn jemand deinen Weg kreuzt, gibt es immer ein ‹Hello, how are you?›. Für Tsitsi, die in Kufunda für das Schlafplatz- und Essensmanagement während der Workshops verantwortlich ist, war es während ihrer sechs Monate in Deutschland schwer zu begreifen, warum die Menschen nicht antworteten, als sie grüßte. Sie musste sich sogar einmal von einer Mutter sagen lassen, dass sie deren Kinder nicht ansprechen solle, da man nicht mit Fremden rede. Wenn hier ein Kind geboren wird, gehört es zu allen. In einigen Völkern Südafrikas war es üblich, dass alle Erwachsenen von den Kindern mit Vater oder Mutter angesprochen wurden. Man braucht die Nachbarin nicht fragen, ob sie auf das Baby aufpassen kann. Es ist selbstverständlich. Tsitsi hat jeden Morgen ein Kleines auf den Rücken gebunden, das nicht ihres ist, und läuft durchs Dorf, um zu schauen, welche Betten frisch bezogen werden müssen oder wie es um den Salzvorrat in der Küche steht. Jeden Morgen fragt mich Nicolas, der in der Nachbarhütte wohnt, ob ich etwas brauche. Er beseitigt auch den Skorpion, der sich in der Nacht mit einem Stich bemerkbar gemacht hat. Wer was zu geben hat, gibt denen, die brauchen, ohne zurückzuverlangen. Ausgleich wird schon irgendwie und irgendwo stattfinden. Er wird jedenfalls nicht berechnet. Es ist eine funktionierende ‹Leihwirtschaft›, die den Menschen das Leben sichert. Dieses Miteinander schützt auch vor Vereinsamung oder Isolation. Es ist ein unmittelbareres Leben, näher aneinander und auch näher am Draußen. Die etwa zehn Kinder, die in Kufunda leben, sind permanent unterwegs, spielen Fußball, klettern auf die Felsen oder schleichen am Büro vorbei, weil es dort manchmal Internet gibt, bevor sie im Garten Gemüse holen zum Abendessen. Meine Söhne fahren nach kurzer Zeit auf der Ladefläche des Pick-ups am Nachmittag mit ins nächste Dorf, um Avocados und Chips zu kaufen und einfach unterwegs zu sein. Sie genießen diese Freiheit und das Abenteuer. Ich gehe in der Zeit zum Astronomiekurs, den Trevor3, der Fünftklasslehrer, für alle Interessierten anbietet, und verstehe, warum der Orion hier auf dem Kopf steht. «Zimbabwe is a fantastic place to look at the stars», meint Trevor und mir kommt es wie eine wunderbare Metapher vor. Später schauen wir in die Nacht und erzählen uns die Shona-Namen der Planeten und was diese bedeuten.

Communiversity

Der Pädagoge Nikolas Grundvig hatte im 19. Jahrhundert Volksschulen auf dem Land in Dänemark gegründet. Er lehnte sich gegen die vermeintliche Rückständigkeit der Bauernkinder auf und half den ‹Landsleuten›, ihre eigene Kultur zu wertschätzen. Seitdem ist dänische Butter was ganz Besonderes! «Er gehört zu meinen dänischen Wurzeln», beschreibt Maaianne. «Er wollte den Impuls finden, der in den Kindern etwas entfacht, das nicht von außen aufgezogen werden muss wie bei einem Uhrwerk. Er wollte in ihnen ein Gefühl des Stolzes wecken und dass sie erkennen, wer sie sind, ihre Abstammung, ihre Geschichte, um daraus ihre Zukunft abzuleiten.» Das wollte und will Maaianne auch gern für Simbabwe. Und hier ist genug Platz und viel mehr ist möglich als im institutionalisierten und bürokratisierten Europa. Hier kann man an einer Zukunft bauen. Dazu gehören auch Komposttoiletten, Müllrecycling, ein Bewusstsein für gesunde Ernährung für Mensch und Natur. Kufunda hat 2022 den Hildur Jackson Ecovillage Award erhalten. Aber Maaianne meint damit auch, die Fähigkeiten und Möglichkeiten der Einzelnen herauszukitzeln, mit ihren Träumen, mit positiven, wertschätzenden Willensimpulsen zu arbeiten. Sie glaubt an die Möglichkeit, als Ich in der Gemeinschaft aufzuwachen. Was daraus entsteht, haben die Kufundees ‹Communiversity› genannt: eine vielfältige Gemeinschaft, in der jeder von jedem lernt und seinen Wert hat. Und sie lehren, was sie gelernt haben. Annah Bendicto ist hier Waldorfkindergärtnerin. Wenn sie von den Ausbildungswochen in Kenia kommt, geht sie alles Gelernte noch mal durch und bespricht es mit ihrem Mann, um besser zu verstehen. So lernt auch er etwas über diese Pädagogik, erzählt mir Fidelis. Auch für die Frauen aus den Gemeinden gibt sie manchmal einen Kurs für Erziehungskunst.

Kufunda hat sich immer hauptsächlich finanziert über Freunde von Maaianne oder Menschen, die diesen Impuls wichtig und richtig fanden. Einige NGOs und Stiftungen beteiligen sich, auch die Freunde der Erziehungskunst. Dieses Netz an Geldgebenden ist genauso divers wie die Inhalte, die in Kufunda weitergetragen werden von jenen, die damit je resonieren. Insofern steht das ‹Communiversity› auch für University. Kufunda als Impuls (und auch als Ort) ist die Möglichkeit, sich selbst zu bilden an je dem, was mit einem selbst zu tun hat.

Kinder

Es sind drei Säulen, die das Projekt im Augenblick tragen: erstens das Dorf Kufunda als Sozialinitiative; zweitens die Landwirtschaft, seit vier Jahren biodynamisch, davor ökologisch; und drittens die Schule. An der werden derzeit ca. 90 Kinder in den Klassen eins bis sieben von der Waldorfpädagogik inspiriert unterrichtet. Da sie noch keine offizielle Anerkennung erlangt haben, dürfen sie sich noch nicht Waldorfschule nennen. Die Lehrerinnen und Lehrer gehen in den Ferien jeweils für zwei Wochen zur berufsbegleitenden Waldorflehrerausbidung nach Kenia. Patricia Mutsvandiyani, heute Lehrerin der ersten Klasse, die von den Kindern nur ‹Madame› genannt wird, hatte in ihrem Dorf aus Eigeninitiative einen Kindergarten eröffnet. Sie wollte einen Schutzraum schaffen, vor allem für Aids-Waisen. Bei einem Workshop 2003 lernte sie Maaianne kennen, und ihr kleiner Kindergarten siedelte nach Kufunda um. Erst 2015 haben sie und ihre Kollegin Annah auf Waldorf ‹umgestellt›. Einen großen Anteil daran hatte die deutsche Ärztin Florence Hibbeler, die ein paar Monate in Kufunda lebte und Kurse in Waldorfpädagogik gab. Sie fand auch die Spendengelder, um die Kindergärtnerinnen nach Südafrika zu vertiefenden Kursen zu schicken. Als die Kufunda-Kinder ins Schulalter kamen, war es Sikhethiwe, die sich eine Waldorfschule wünschte. Seit 2018 sind alle Lehrer und Lehrerinnen beim Training in Kenia dabei und Patricia liebt die Eurythmie. Zur Konferenz am Donnerstag versucht sie die Eurythmie weiterzuführen. Sponsoren finanzieren die Flüge nach Kenia. «Ich fühle die Kinder und bewege mich mit ihnen, ich studiere sie und sehe ihr Wachsen. Es ist toll», sagt Patricia. Sie verdient 250 Dollar im Monat. Nebenbei macht sie auch noch die Ausbildung zur staatlichen Grundschullehrerin. Sobald die Trainings abgeschlossen sind, wird ihr Einkommen höher sein.

In der zweiten und dritten Klasse lernen je neun Kinder in einem Raum zusammen, von Elisabeth Madanire unterrichtet. Sie wandelt exzellent zwischen diesen zwei Anforderungen hindurch, erzählt zuerst dort eine Geschichte, gibt dann Aufgaben, geht zu den anderen und arbeitet etwas noch mal durch, was gestern schon aufgetaucht war. Sie strahlt eine unglaubliche Ruhe aus. Ihre Assistentin Anna Tennis hilft jeweils der Gruppe, die gerade allein arbeiten soll. An den Wänden hängen die typischen Waldorfbilder, wie man sie aus der ganzen Welt kennt, nass in nass. Und ein Text aus dem Alten Testament, wie Moses das Meer teilt. Heute malen die Drittklässler. Sie versuchen ein Bild, wie Gott das Manna vom Himmel gibt. Es herrscht eine stille und konzentrierte Atmosphäre. Manche erwachsenen Stimmen fragen, warum die Kinder nicht ihre eigene Geschichte lernen, zum Beispiel über die Great-Zimbabwe-Kultur. Warum sie über römische Gottheiten Bescheid wissen sollten in der sechsten Klasse in Afrika anstatt über die Totems? Das ist ein Feld, welches nicht nur in Simbabwe beackert wird, sondern auch von den Zentren der Waldorfbewegung aus. Alfred Rahmen, ehemaliger Waldorflehrer aus der Schweiz, fliegt zweimal im Jahr nach Kufunda und betreut die Schule, regt dazu an, mit afrikanischen Instrumenten zu musizieren anstatt mit Geigen, Geschichten zu sammeln und ein Büchlein daraus zu machen. Nicholas Maisiri muss gerade seine drei Siebtklässler auf eine Zwischenprüfung vorbereiten, weil sie nach diesem Schuljahr auf einer ‹normalen› Schule weitermachen werden. Ich selbst stehe plötzlich unverhofft vor den Sechstklässlern und lasse mir unter viel Gekicher ein Lied auf Shona beibringen. Die Kinder kommen hauptsächlich aus der Umgebung. Ein kleiner Bus bringt jeden Morgen auch eine Handvoll aus Harare hierher, deren Eltern überzeugt sind, dass diese Schulform besser ist. Tatsächlich hören die Lehrerinnen bei Festen immer wieder: ‹Irgendetwas Neues bringen diese Kinder mit nach Hause, was es vorher nicht gab.› Es ist die Art, wie sie auftreten, wie sie sich selbst fühlen und ernst nehmen, die es wohl so an den simbabwischen Staatsschulen nicht gibt.

Unabhängig von der Schule entwickelt das Team von Kufunda gerade die Idee, hier auch eine Ausbildungsstätte für Jugendliche zu schaffen, mit Ressourcen, die in der Community zur Verfügung stehen. Klempner, Schreiner, Automechaniker oder Möbelpolsterer sind in der Nähe. Man könnte mit ihnen Kooperationen schließen. Noch ist es nicht spruchreif. Die Lehrerinnen und Lehrer allerdings tragen den Gedanken an ein Internat. Auch das wäre hier möglich. Die Räume stehen zur Verfügung. Und ein Internat brächte echte Einnahmen. Denn im Augenblick betragen die Schulgebühren 20 Dollar pro Quartal, wovon leider keine Gehälter finanzierbar sind. Maaianne ist froh, dass die Lehrenden nun selbst beginnen, nach Lösungen und Umsetzungsmöglichkeiten zu suchen. Sie weiß, sie kann viel stemmen, aber ohne Mitwirkung ist das nicht nachhaltig. Die Schule wächst, aber sie braucht noch viel Energie, um sich wirklich zu etablieren, sieht Maaianne. Die Elternarbeit ist noch gar nicht integriert. Vielleicht könnten sie beim Bauen für neue Unterkünfte helfen.

Zukunft

Auch auf der landwirtschaftlichen Seite ist Kufunda noch ganz jung. Tichaenzana und Trymore lieben, was sie tun. Und doch muss auch die Finanzierung stimmen. Etwa 15 Gemüsekisten werden jede Woche für Harare fertig gemacht. Da kommen auch Produkte der Nachbarn mit rein, wenn sie zumindest biologisch anbauen. Bei einem Spaziergang frage ich Tichaenzana, wie er die Anthroposophie findet. «It is an amazing thing!» Als er mit der Biodynamik in Berührung kam, hatte er das Gefühl, sie sei ein Dokument der Vorfahren, nicht nur der simbabwischen, sondern aller Vorfahren der Menschen, die noch wussten, was sie taten im Einklang mit der Natur. Er empfindet eine große Dankbarkeit Rudolf Steiner gegenüber dafür, dass er dieses ‹Wissen› der Vorfahren wieder zugänglich gemacht hat. Es wäre toll, findet Maaianne, wenn Ticha und Trymore auch mal zur Landwirtschaftstagung nach Dornach fliegen könnten. Bei der ‹African Biodynamic Conference› unterrichtet Ticha zusammen mit Angela Hoffmann aus Sekem über Präparate.

Anthroposophie gehört zur Zukunft Kufundas. Die Samen von Schloss Borl sind für Maaianne in den letzten fünf Jahren aufgegangen wie ein Feuerwerk. Die Südafrikanerin Julia O’Leary hatte auf der Suche nach afrikanischen anthroposophischen Initiativen den Kontinent durchquert und ihren letzten Stopp in Kufunda eingelegt. Seitdem besuchen Maaianne, ihr Mann und einige Kufundees das jährliche All African Anthroposophic Training, welches 2019 sogar in und von Kufunda veranstaltet wurde. Michaela Glöckler ist dafür immer wieder aktiv und kennt auch Kufunda gut. «Für mich war Michaela ein Geschenk. Das Niveau dessen, was sie lehrte, war so hoch. Was Michaela, das Goetheanum und die Landwirtschaftstagung 2019 für mich getan haben, wünsche ich mir auch für andere in unserer Region. Dass Kufunda etwas bewirkt im Laufe der Zeit, dass der Geist reinkommt und etwas Gutes entsteht», sagt Maaianne.

Vor gut einem Jahr ist sie mit ihrer Familie nach Cape Town gezogen, damit ihre Kinder dort weiter die Waldorfschule besuchen können. Das ändert für Kufunda einiges. Einerseits schmerzt es Maaianne unglaublich, nicht mehr die ganze Zeit vor Ort zu leben und zu organisieren. Andererseits erfordert es von ihr als Gründerin einen ganz neuen Führungsstil, der mit Loslassen, Vertrauen und Abgeben zu tun hat. Sie war nicht da, als letzten Sommer das Festival der Kulturen stattfand, aber alles hat geklappt. Die Kufundees haben sich die Leitung geteilt, weil sie sich kennen und vertrauen. Maaianne weiß, sie schafft Raum für das Team, wenn sie nicht da ist. Ihre Aufgabe wandelt sich. Sie begleitet nun stärker den Reflexionsprozess, die Ernte dessen, was in den letzten 21 Jahren geschehen ist. Auch ein Generationswechsel kündigt sich an. Die Jugend möchte mitgestalten. Maaianne beginnt, kühnere Möglichkeiten zu sehen. Wie kann man jemanden, der vom Impuls von Kufunda inspiriert ist, unterstützen, dass er in seine Heimat geht und dort etwas tut, was mit seiner Gemeinschaft verwurzelt ist? Die Frage ist noch nicht beantwortet und läutet eine nächste Etappe ein. Nach 21 Jahren ist biografisch das Kind ‹Kufunda› bis zu seiner Ichgeburt gelangt. An diesem kleinen feinen Ort. Wie geht es nun in die Welt hinein?

Lachen

Montagnachmittags trifft sich eine kleine Gruppe Kufundees zum Lesekreis auf Maaiannes Terrasse. Es sind jene, die das wollen. Es gibt keine Pflicht dazu. Wenn Maaianne nicht vor Ort ist, schaltet sie sich per Zoom dazu. Gerade geht es um das vierte Kapitel der ‹Theosophie› und irgendwie geraten wir in die Frage des wachen Träumens. Schallendes Gelächter ertönt, als sich dieser Gedanke in die Gehirne senkt. Und dann erzählen wir uns, wie wir uns das vorstellen. Wenn man also merkt im Traum, dass man auf die Toilette muss, und weiß, dass man träumt? Die Stimmung ist so heiter, wie ich sie aus deutschen Lesekreisen nicht kenne. Die Fragen sind frei gestellt und ganz unmittelbar. Mir kommt es vor, als würden wir in Deutschland Fragen eher aus dem Wissen, was wir schon haben, beantworten. Wir sprechen eher aus einer Vorstellung davon, was eine gute Erklärung wäre und als wie gebildet wir uns damit erweisen könnten. Hier jedoch rasseln die Fragen nicht durch Filter von Schläue oder Unwissen, sondern sind wie herzhafte Häppchen, die man sich schmecken lässt. «Wissen denn Ätherleib, Astralleib und physischer Leib voneinander und von dem, was sie je tun? Hat der Ätherleib ein Selbstbewusstsein?» Ihre Fragen haben etwas Erfrischendes, was mich anregt, weiterzudenken und neu zu blicken. Sie öffnen etwas in meinen angestaubten Gedankenbahnen. Am liebsten würde ich jeden Montag zum Lesekreis kommen. Es gibt prophetische Gerüchte, aus eurozentrischer Perspektive vielleicht nicht wahrgenommen, die meinen, dass die Anthroposophie in Zukunft außerhalb Europas in starker Weise lebendig werden wird. Irgendwas daran kann ich hier spüren. Sie ist hier viel stärker mit dem direkten Leben verbunden, nicht so theoretisch. Jemand sagte, sie ist real. Die Menschen spüren diese Realpräsenz des Geistes. Vielleicht auch, weil in ihrem traditionellen Glauben Geister die Menschen leiten. Gleichzeitig gibt es eine wohltuende Gelassenheit, kann man über sich selbst auch mal herzlich lachen und kommt sich menschlich nahe.


Bilder Eindrücke aus dem Lerndorf Kufunda in Simbabwe. Alle Fotos: Gilda Bartel, 2022.

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Footnotes

  1. Das Wort stammt aus einem Gedicht von Simone Birkner.
  2. Siehe ‹Goetheanum› 12/2021, Interview mit Tichaenzana Choke und Trymore Munyori über ihre Erfahrung mit der biodynamischen Landwirtschaft.
  3. Siehe ‹Goetheanum› 49/2022, Interview mit Trevor Button über Intuitionen.

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