Stimmen aus Kufunda

Sikhethiwe Mlotsha ist Moderatorin für die Frauen- und Jugendlichenworkshops in Kufunda. Sie liebt diese Arbeit. Ihr Traum ist ein eigenes Retreat Center, in dem Menschen zu sich selbst kommen können.


Sikhethiwe Mlotsha

«Die Geschichte, die afrikanische Frauen mit sich herumtragen, besagt, dass wir gute Ehefrauen und Mütter sein müssen, dass wir stark sein müssen. Ich habe das so in der Schule gelernt. Die Mädchen wissen, dass sie sowieso heiraten werden, also gibt es keinen Grund, in sie zu investieren. Ich wusste, wenn ich erwachsen bin, wird jemand meinen Brautpreis zahlen. Ich muss bei ihm bleiben und die Dinge so tun, wie er will, werde Mutter sein und mich um die Familie kümmern. Er ist das Familienoberhaupt und ich als Frau habe ihm nichts zu sagen. Aber wir brauchen auch Zeit und Raum für uns selbst, um zu erkennen, was noch in uns steckt. Nachdem ich verschiedene Prozesse gemacht habe, wurde mir klar, dass ich etwas mitgebracht habe, wie ein Geschenk für das Leben. Ja, ich kann mich um andere kümmern, aber es gibt etwas, das Sikhethiwe bedeutet, das ich selbst in mir mitbringe. Deshalb ist diese Arbeit für mich sehr wichtig, um einige unserer Gaben und Leidenschaften zu erkennen und sie ins Leben zu bringen. Es beginnt eine Kette des Verstehens, wer wir sind. Frauen teilen ihre Geschichten oder lassen sie sogar los. Wir durchlaufen also einen tiefgreifenden Prozess des Verlernens einiger dieser Narrative. Was hörst du in deinem Herzen? Was bringt dein Herz zum singen? Und wir feiern gemeinsam unser Leben als Frauen, als Schwestern. Einige der Frauen fühlen sich glücklich, weil sie sich nach einem solchen Raum gesehnt haben. Einige Frauen sind erst mal verwirrt. Sie brauchen Zeit, um das alles zu begreifen. Für die meisten von ihnen ist Kufunda eine andere Welt. Es liegt in der Natur des Menschen, dass wir unseren Raum brauchen. Bei der Freiheit geht es nicht darum, zu kämpfen, sondern sie in sich selbst zu finden. Das Leben in Simbabwe ist eine Herausforderung, aber ich kann etwas für mich selbst tun. Das Selbstvertrauen wächst. Diese Arbeit hat mich verändert. In meiner Beziehung kann ich manchmal nicht alles sagen, aber es gibt Dinge, die ich sagen kann. Ich bin frei in meiner Beziehung. Ich denke nicht mehr, dass ich gekauft wurde, sondern dass wir in einer Beziehung sind. Das ändert auch die Haltung meiner drei Söhne. Wobei auch das Umfeld in Kufunda und die Schule das tun. Diese Kinder stellen Fragen! Meine Jungs könnten bessere Ehemänner sein. Wir führen Gespräche darüber, was es bedeutet, ein Junge zu sein. In den Jugendprogrammen unterstützen wir die Jugendlichen dabei, nach ihren Träumen zu suchen und zu sehen, wie sie diese ins Leben bringen können, das Leben positiv zu sehen, ohne die Herausforderungen zu leugnen. Wir sprechen auch über Drogenkonsum, Abtreibungen und Freiheit. Ich glaube, diese Generation verlangt nach Freiheit. Die meisten Jugendlichen beenden die Schule und sitzen dann fest. Wir müssen eine neue Art des Arbeitens finden. Das erforschen wir gemeinsam mit ihnen. Es ist einfacher, seinen Weg zu finden, selbst in schwierigen Lebenssituationen. Und es funktioniert.»


Thomas Ambali

Thomas Ambali ist seit den Anfängen von Kufunda dabei, erst als Schüler, dann als Fahrer und seit 2017 macht er die komplette Administration und Buchführung. Zum Zeitpunkt meines Besuches war er voll beschäftigt, Flüge zu buchen für Teilnehmende der African Biodynamic Conference, gesponsert durch Kufunda und auch dort veranstaltet.


«Es ist die Art und Weise, wie wir Gespräche führen, die in Kufunda anders ist. Wir nutzen den Kreis, in dem jeder zu Wort kommt. In den alten Tagen unserer Vorfahren gab es Kreise am Feuer, um Wichtiges zu besprechen. In der Politik lebt heute vielfach eine Diktatur. Jetzt ändern wir diese Mentalität Schritt für Schritt, indem wir mit den Chiefs, Headmen und Politikern zusammenarbeiten. Auch die Häuptlinge sehen die Vorteile dieses Wandels. Sie kamen mehrmals zu Führungstrainings nach Kufunda und haben gelernt, was auch wir gelernt haben. Als wir das All African Anthroposophic Training 2019 in Kufunda veranstalteten, haben wir auch die Chiefs der Gemeinden eingeladen. Es ging hauptsächlich um biodynamische Themen. Die meisten Bauern und Bäuerinnen akzeptieren die Anbaumethode, die wir den Gemeinden vorstellen. Sie kommen auch hierher und lernen mit uns. Anthroposophie hat mich selbst sehr verändert. Der Ambali, den du jetzt siehst, ist ganz anders als jener, der ich war, bevor wir anfingen, anthroposophische Texte zu lesen. Ich war früher mürrisch, nicht leicht zu überzeugen, glaubte, an mir sei nichts falsch, akzeptierte weder Vorwürfe noch meine Fehler. Die Texte haben viel in mir verändert. Ich begann, mich selbst von innen zu sehen. Und diese innere Person ist der Ambali, der jetzt spricht. Mit einigen der Worte Steiners habe ich Schwierigkeiten. Sie sind sehr tiefgründig. Man muss sich fragen: Was bedeutet das? Ich brauche jemanden, der sich auskennt damit, der ein bisschen übersetzt, wie bei fremdem Vokabular. Das kann durchaus auch die Sache der Gemeinschaft sein, denn es kommt auch auf die Kunst des Fragens an.»


Enock Kadonzvo

Enock Kadonzvo lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern im Dorf Kufunda. Er kümmert sich um das Transportwesen und leitet Workshops zur Verarbeitung von Lebensmitteln und Kräutern.


«Ich kam 2010 für ein neunmonatiges Jugendprogramm nach Kufunda, lernte über Bienenzucht, die Kunst des Gastgebens, Lebensmittelverarbeitung, Pilzzucht und wollte mehr über Kräuter erfahren. Kufunda ist eine Gemeinschaft, in der Menschen zusammen leben und arbeiten. Es ist eine eingetragene Organisation, eine Stiftung. Es ist offen für jeden, der kommen will, um einen ruhigen Ort zu finden. Menschen veranstalten hier Workshops und wir bieten Catering und Übernachtung wie zum Beispiel für den Trauma-Workshop. Sie mögen, wie wir hier Dinge tun, wie wir Menschen sehen, wie wir sie willkommen heißen, wie wir uns um diese Gegend kümmern, wie wir unsere Häuser bauen. Wir arbeiten in Teams, die sich jede Woche treffen, um Entscheidungen zu besprechen. Mir gefällt hier auch die Idee der ‹Mischung der Kulturen›, denn sie hilft uns, Dinge zu sehen. Gäste können sehen, was fehlt, aber auch wertschätzen, was es gibt. Das gibt uns den Eindruck, dass wir weitermachen sollten. Wir haben dafür den Begriff ‹Communiversity› geprägt. Wir sind eine Gemeinschaft, aber sie ist vielfältig.

Mein erstes anthroposophisches Training war 2018 in Kenia mit mehr als 100 Menschen verschiedener Nationalitäten aus Afrika und der Welt. Es war wirklich beeindruckend und gut konzipiert. Wir haben viel darüber gelernt, wie man seine Denkweise ändern und positiv denken kann. Wir hatten Zeit, uns mit der Natur zu beschäftigen und wie sie spricht. Ich lernte etwas über die Formen der Bäume, der Blumen. Michaela Glöckler erklärte die Prozesse so gut. Wir lernten auch über Biodynamik. Nach Kenia waren wir in Kufunda die Gastgebenden für das All African Anthroposophic Training. 2020 war es in Tansania, immer unter Teilnahme von Menschen aus verschiedenen Ländern Afrikas. Es war für mich einzigartig, etwas über die Geisteswissenschaft zu lernen. Aber wenn man nur liest und nicht praktiziert, macht es manchmal keinen Sinn. Es ist ein Prozess. Wir haben über das Leben nach dem Tod gelesen. Das hat viel mit uns als Afrikanern zu tun. Wir glauben an die Abstammung der Vorfahren. Wenn zum Beispiel jemand stirbt, kann der Geist noch 72 Stunden lang da sein, kann uns hören, aber nicht mehr sprechen. Anthroposophie ist eine Art von Wissen, das als ein Bewusstsein in mir kommt. Steiner konnte sehen und es offenbaren. Er war ein Mensch, der mehr vom Spirituellen verstand. Solche Menschen gibt es auch in der Geschichte Simbabwes, vielleicht nur in anderen Zusammenhängen, in unseren Kirchen. Ein weiser Mensch ist spirituell. Die Gedanken der Anthroposophie sind verbunden mit der Realität.»


Admire Gwatidzo veranstaltet Männerworkshops und gehört zum Communiversity Team in Kufunda. Er arbeitet mit Gruppen am liebsten im Kreis, sodass jede Person und jede Stimme wahrgenommen wird. Unser Gespräch begann mit der Frage, was er als typisch afrikanisch empfindet.


Admire Gwatidzo

«Typisch afrikanisch ist, dass wir gute Gastgeber sind. Wir heißen Menschen gern willkommen, auch ohne Einladung. Man kann einfach auftauchen und wird von ganzem Herzen willkommen geheißen. Wir bereiten uns nicht speziell auf Besuch vor, sondern sind immer auf sie vorbereitet, auch wenn sie mitten in der Nacht kommen. Und ich glaube, in Afrika kümmern wir uns viel mehr umeinander als in Europa oder Amerika. Ich kümmere mich finanziell und psychisch um alle meine Brüder und Schwestern, alle meine Mütter (nicht nur meine leibliche), um die Schwestern und Brüder meiner Mutter. Es ist meine Verantwortung, wenn sie in Schwierigkeiten sind. Wir kommen als eine große Familie zusammen und unterstützen uns von dort aus gegenseitig.

Als Simbabwer und Simbabwerinnen müssen wir Wege finden, die Probleme in Simbabwe zu lösen, indem wir wahren, was in unserer Kultur funktioniert, und von außen übernehmen, was wir gut finden, aber es nicht einfach kopieren. Das ist eine große Herausforderung. Ich bin zum Beispiel in der Schule noch geschlagen worden. Das ist irgendwie schlimm, aber es war irgendwo und irgendwann richtig. Wenn man also einen Übergang einleiten will, muss man die Menschen erst einmal aufklären, bevor man ein Gesetz erlässt. Damit sie verstehen, woher der neue Ansatz kommt. Ein anderes Beispiel: Die Frage des Gleichgewichts zwischen den Geschlechtern hat in ganz Afrika für viel Verwirrung gesorgt, weil die Gesetze durchgesetzt wurden. Ich persönlich habe kein Problem mit der Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern, aber mit der Art und Weise, wie das Gesetz zustande kommt. Man muss sich Zeit nehmen, um den Menschen beizubringen, was es bedeutet. Wir sprechen von Gleichheit. Was bedeutet Gleichheit? Die Menschen müssen verstehen können. Es liegt an der Herangehensweise, wie die Dinge einfach durchgesetzt werden. Es gibt seitdem viele Scheidungen und auch große Meinungsverschiedenheiten in den Communitys mit diesem Gesetz. Der Ansatz, also das Gesetz, kam von oben! Es wuchs nicht von unten nach oben. Aber Dinge ändern sich mit der Zeit. Was unsere Vorfahren lebten, unterscheidet sich von dem Leben, das ich heute führe. Es braucht einen organischen Ansatz für diese Gemeinschaftsarbeit, genügend Zeit zum Verdauen. In Europa oder Amerika werden solche Dinge durchgesetzt und wir, weil es Gesetz ist, nehmen es einfach hin. Dabei entsteht ein großes Durcheinander für uns. In unseren Workshops arbeiten wir deshalb mit einem partizipatorischen Ansatz. Wir bringen die Stimme und die Weisheit aller ein, damit sie gehört werden. Von diesem Punkt aus wägen wir ab. Niemandem kann man Vorwürfe machen, denn wir sind alle daran beteiligt. In jedem von uns kann die Weisheit zum Vorschein kommen. Wir wollen nichts aufzwingen, sondern auf das hören, was die Menschen für die Nachhaltigkeit in ihrer Gemeinschaft tun wollen. Und ich sage immer, was wir lehren, ist ein Leben. Wir schließen die Weisheit in den Gemeinschaften, in unserer Nation nicht aus. Und dieser Ansatz macht den Unterschied.»


Titelbild Junge Frauen und Mädchen aus Kufunda. Alle Fotos: Gilda Bartel, 2022

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