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Zuschriften zu: Die Enträumlichung der Welt

Weitere Leserbriefe zum Artikel ‹Die Enträumlichung der Welt› von Wolfgang Held (‹Goetheanum› 3–4/2019)


Falk Zientz

Mehr Wahrnehmung, bitte!

Man kann den Digital Natives (also den mit dem Internet Aufgewachsenen) wohl einiges nachsagen. Aber dass sie weniger zu schöpferischem Denken fähig sind? Aus meiner Zusammenarbeit mit Menschen, die von jung an digital unterwegs sind, würde ich klar das Gegenteil behaupten. – Weniger Ideologie, mehr Wahrnehmung, bitte!


Matthias Lerchmüller

Vertrauen statt Ohnmacht

In seinem Aufsatz ‹Die Enträumlichung der Welt› schaut Wolfgang Held mit einem interessierten und unbefangenen Blick auf die Phänomene der neuen digitalen Technik. Er versucht, deren Möglichkeiten zu verstehen, ohne sogleich ein moralisches Urteil zu fällen. Diese Art der Darstellung empfinde ich als wohltuend, weil sie mich als Leser frei lässt und mir Möglichkeiten zur Mitgestaltung aufzeigt.

Demgegenüber schildern J. Göken, M. Glöckler, A. Neider und J. Greiner in ihren Zuschriften (‹Goetheanum› Nr.6/19) ausschließlich die möglichen Gefahren, die mit der neuen Technik verbunden sind. Die Digitalisierung wird a priori als menschenfeindlich dargestellt, J. Greiner spricht sogar von einem «uns entgegenrollenden Monstrum». Eine solche Betrachtungsweise ist in meinen Augen einseitig und birgt die Gefahr, die Technik zu dämonisieren. Sie lässt den Menschen nicht frei, sondern führt zu einem Gefühl der Ohnmacht und Angst, und dies sind die denkbar schlechtesten Voraussetzungen, um sich mit etwas Neuem auseinanderzusetzen.

M. Glöckler und A. Neider fragen, wie jemand, der schon als Kind mit dem Internet aufwächst, sich seiner «schöpferischen Freiheit im Denken» bewusst werden kann. Dieser berechtigten Frage möchte ich einen anderen Aspekt zur Seite stellen, den ich in diesem Zusammenhang oft vermisse: Wir können und dürfen darauf vertrauen, dass die Menschen, die heute geboren werden, die nötigen Kräfte mitbringen, die sie zur Bewältigung dieser Welt brauchen. Gerade von Menschen, die mit der Reinkarnationsidee vertraut sind, würde ich ein größeres Vertrauen in die heutige Generation erwarten.

Schließlich hat mich die Bemerkung von J. Greiner zum Nationalsozialismus tief betroffen gemacht. Nie hätte ich geglaubt, dass in anthroposophischen Kreisen auf diesem Niveau argumentiert würde. Mit dieser Bemerkung, die durchaus auch als persönlicher Angriff aufgefasst werden kann, hat sich J. Greiner in meinen Augen für die Debatte disqualifiziert.


Evelyn Reimann

Flüchtlingsdasein im eigenen Land

Als stark elektrosensible Person möchte ich jenen zehn Prozent der Bevölkerung, die an Elektrosmog leiden, eine Stimme geben in der aktuellen Diskussion um die Einführung des 5G-Netzes in Kombination mit der vielfältigen übrigen Strahlung. Die Dunkelziffer der Betroffenen dürfte sogar noch höher sein, da viele gar nicht wissen, worunter sie leiden.

Die E-Smog-Symptome und ihre verheerenden Wirkungen auf den Organismus sind hinlänglich bekannt durch unabhängige Forschungen. Ich selbst habe in Blindtests exakt sagen können, wann bestrahlt wurde und mit welchen Frequenzen. Wird ein Betroffener genug verstrahlt, etwa in einem Einkaufsladen, kommt er meist wie todkrank wieder heraus mit furchtbaren Schmerzen und komplett abgebauten Lebenskräften für Stunden oder den Rest des Tages. Wer noch irgendwie am Leben teilnehmen kann, wird seine Elektrosensibilität tunlichst verbergen, um Job und soziales Umfeld nicht zu verlieren oder als psychisch krank gebrandmarkt zu werden. Wer es körperlich nicht mehr schafft, verschwindet in der Isolation. Man hört meist nichts mehr von ihm.

Irgendwo hinzugehen, ist ohne Qualen nicht mehr möglich. Cafés, Läden, Schulen, Universitäten, Arztpraxen, Spitäler, Coiffeuresalons, Museen, Transportmittel, Häuser, Wohnungen, selbst die Bergwelt … alles ist verstrahlt. Wer ein E-Smog-mäßig einigermaßen auszuhaltendes Zuhause hat (und zwar nicht abgeschieden in der Isolation!), darf von Glück reden. Man hat keinerlei Rechte – der Nachbar darf ungeniert die anliegenden Wohnungen verstrahlen. Nicht belächelt, ist schon ein Fortschritt. Anlaufstellen gibt es nicht. Man wird zum Flüchtling im eigenen Land. Längere Strecken mit Zug, Bus, Tram oder modernen Autos zurückzulegen, ist unmöglich. Eine E-Smog-Abschirmung ist problematisch, da sich Strahlung physikalisch hochkomplex und teilsweise wie Licht verhält (z. B. Reflexionen). Und gewisse Frequenzen wie bei Vectoring-Kupferkabeln oder Radio DAB+ sind von der Wellenlänge her praktisch nicht abzuschirmen. Es gibt weder Therapien noch Medikamente. Begegnungen mit Menschen können einen so verstrahlen, dass man sie lieber meidet und auf der Straße um die Menschen herumgeht bzw. um ihre Handys im Sack, die meistens alle Funktionen von WLAN, Bluetooth, GPS etc. aktiviert haben. Vom nur teilweise erforschten, immer aber stillen Leiden der Tiere und Pflanzen unter dem E-Smog gar nicht zu sprechen. Ich bin in keiner Weise technikfeindlich – die E-Smog-freie Glasfaserkommunikation wäre sogar leistungsfähiger – noch in irgendeiner Art ideologisch. Rechtfertigt dieses bisschen mehr an technischer Revolution die Tatsache, dass ein Teil der Bevölkerung – mit 5G werden es noch mehr – aufs Schwerste leiden muss und vom Leben total ausgeschlossen wird?


Siehe auch: ‹Die Enträumlichung der Welt› (‹Goetheanum› 3–4/2019) und Zuschriften zu ‹Die Enträumlichung der Welt› (‹Goetheanum› 6/2019)

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