Was die Seele im Kosmos ist

«Wer die äußere menschliche Organisation betrachtet, inwieweit sie vom astralischen Leib abhängig ist, der muss Physiologie treiben nicht als Physiker, sondern als Musiker.» Rudolf Steiner


Die Kunst wurde von Rudolf Steiner in seinem letzten Lebensjahr deshalb so dezidiert in die Ärzteausbildung integriert, weil in der Kunst die Wahrheit sich steigert zur Begeisterung. Dabei ist notwendig, die Kunst in einem Läuterungsprozess der Erkenntnisbemühung zu reinigen, von der Begeisterung dem eigenen Selbst gegenüber. Das ist die Wirkung, die von aller großen Kunst ausgeht, warum heute noch Beethoven oder Rembrandt bewundert werden, weil hier die Weltgesetzlichkeit, die in der Menschheit pulsiert, sich offenbaren kann.

Foto: Xue Li

Hier soll es nun um den Zahlen- und Klangäther gehen. Beginnen wir mit dem Anblick einer Rose. Die grünen Blätter sind meist fünfzählig in ihrer Fiederung, können aber auch drei- oder siebenzählig sein. In der Blüte wird die Fünf zum Gesetz. Geht man hinunter in die Wurzel, so hört es mit der Zählbarkeit auf. In diese Welt vermag die Zahl nicht einzudringen. Sie entfaltet sich großartig in der Blüte, taucht im Grün der Pflanze schwächer, nämlich als Durchschnitt auf und endet, wo die Pflanze sich in die mineralische Welt senkt. Oben, wo die Pflanze die Zahl so rein offenbart, da richtet sich ja die Blüte in Duft, Nektar und Farbe an die Welt der Tiere und ihres Begehrens. Da geschieht seelisches Leben und in dieses Seelenleben wächst die Pflanze hinein. Wie sie in den Wurzeln unter sich hinunterwächst, so wächst sie oben, wie Goethe schreibt, über sich hinaus. Dort, wo die Pflanze ins Astrale hineinwächst, da offenbart sich die Kraft der Zahl. «Der Astralleib zählt den Ätherleib.» Er differenziert ihn zählend und so kommen wir zum Zahlen- und Klangäther. Er offenbart sich im Menschen im Willen als Bewegung, als Tanz, im Gefühl als die Empfindung von Farben und Tönen und im Denken erscheint er als das Rechnen.

Jetzt wollen wir den Weg der Zahl in die Musik des Menschen verfolgen, wie es Rudolf Steiner im Jungmedizinerkurs vorschlägt. Dort beschreibt er das Quintverhältnis von 2:3 andand der zwei linken zu den drei rechten Lungenflügeln. Während die kleineren Intervalle von Prim bis Quart im Leib gebunden auftreten, werden wir frei in der Quinte. Hier beginnt die menschliche Zukunft als der fünfte Zustand. Anders die Terz, sie taucht in der Atmung als 4:5 auf: Fünf Liter Blut werden pro Minute mit vier Litern Luft verbunden, selbst unter Anstrengung. Wer zum Bus rennt, atmet die sechsfache Luftmenge, aber auch das Blut wird sechsmal so schnell bewegt. Von diesem Intervall der Terz, das sich nach innen an die Quinte anschließt, gehen wir nun hinaus und gelangen zum Brustkorb. Diese Knochenhülle zeigt ein Intervall durch 24 Rippen: Das ist ebenfalls eine Quinte, aber nicht aus fünf Sekunden, sondern aus fünf Nonen (1:24). Der zweite Satz in Beethovens 5. Klavierkonzert in H-Dur (Op. 73) hat nun das Eigentümliche, dass er die Dynamik dieses inneren Intervalls von Blut und Atmung und des äußeren in Nonen in ein Spiel zueinander bringt. Es lohnt sich, einer Schilderung Rudolf Steiners zu folgen, die Musiktheoretiker wie Hermann Pfrogner ebenfalls dargestellt haben. Demnach hätte in einer Frühzeit der menschlichen Geschichte die Empfindung von Musik die Menschen sogleich exkarnieren lassen. Noch heute kennen wir diese Ekstase bei manchen indigenen Völkern. So habe man nach Steiner in der atlantischen Zeit Skalen in Septimen gehört. Die Intervalle wurden kleiner und kleiner, so wird mit Mozart und Haydn die Terz zum Wohlklang, wo die Seele mit sich selbst alleine wird. Eine musikalische Entwicklung aus dem Kosmos in den Innenraum des Leibes, der dabei zum Grab wird. Die Musik wird physisch. Wir wissen nun aus der Anthroposophie, dass der Mensch vor seiner Verbindung mit dem Leib ein kosmisches Wesen war, wie wir es jetzt noch zwischen Tod und Geburt sind. Der Mensch, so Steiner, hätte damals miterleben können, wie die geistigen Wesen musikalisch im Weltenschaffen tätig sind, diesen ‹kosmischen Jubel› hätte man in Nonen vernommen. Im Klavierkonzert bringt nun Beethoven beide Skalen, die innerseelische und die kosmische, in ein Gespräch. Hören Sie … zählen Sie … – was die Seele im Kosmos ist.

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