Kommt die Corona-Impfung für Kinder?

Kinder und Eltern sind von 2G-Regeln und Maßnahmen erheblich betroffen. Viele Kinder und Jugendliche leiden unter den Einschränkungen ihres Alltags, ihres Soziallebens, dem medialen und gesellschaftlichen Druck. Die Impfung versprach dafür Abhilfe und Freiheit, doch kann sie die Übertragung von Covid-19 nicht verhindern. Trotzdem wird sie jetzt für Kinder ab fünf Jahren ins Rollen gebracht.


Österreichs Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein ist zuversichtlich, dass die EU-Arzneimittelbehörde EMA am 24. November den Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer für Fünf- bis Elfjährige zulassen wird. (Anm. d. Red.: Am 24. November empfahl die EMA die Zulassung.) Er kündigt an, dass das Österreichische Nationale Impfgremium die Impfung der Kinder mit Comirnaty noch am selben Tag empfehlen wird – und wartet damit das Urteil der EMA gar nicht erst ab.1 Auch der zweite große Player im Impfstoff-Wettrennen, Moderna, hat seit Monaten einen Impfstoff für diese Altersgruppe getestet und mittlerweile dessen Zulassung bei der EMA beantragt.2 Die Kidcove-Studie von Moderna geht noch weiter und testet in drei Altersgruppen: sechs bis zwölf Jahre, zwei bis sechs Jahre und sechs Monate bis zwei Jahre. Es ist zu erwarten, dass die entsprechenden Impfstoffe für alle Altersgruppen in den nächsten Monaten in Europa auf ihre Zulassung geprüft und möglicherweise empfohlen werden.

Im Frühjahr reagierten in Deutschland viele Eltern, Ärztinnen und Ärzte irritiert, als politisch massiv für eine Impfung ab zwölf Jahren geworben wurde, obwohl die Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut (STIKO) noch im Juni verkündete: «Der Einsatz von Comirnaty bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren ohne Vorerkrankungen wird derzeit nicht allgemein empfohlen, ist aber nach ärztlicher Aufklärung und bei individuellem Wunsch und Risikoakzeptanz möglich.»3 Eine Impfung von Kindern und Jugendlichen ist auf eigenen Wunsch hin durch eine ärztliche Person, die bereit ist, das erhöhte Haftungsrisiko zu tragen, aufgrund der Therapiefreiheit möglich. Der sogenannte Off-Label-Use ermöglicht Ärztinnen und Ärzten, Kinder und Jugendliche ohne gesonderte Zulassung und Empfehlung zu impfen. Und es scheint, dass davon in Einzelfällen Gebrauch gemacht wird.4 Mittlerweile hat die STIKO ihre Empfehlung für die Jugendlichen zweimal angepasst und zunächst im August doch die Impfung ab zwölf Jahren allgemein empfohlen und zuletzt nur mit dem Biontech/Pfizer-Impfstoff, Comirnaty, für alle unter 30 Jahren.5 An der Empfehlung für die Fünf- bis Elfjährigen wird gegenwärtig gearbeitet.

Foto: Kelly Sikkema

Geringes Krankheits- und unklares Impfrisiko

Die Gruppe der jüngeren Kinder infiziert sich zwar ähnlich häufig wie Erwachsene, erkrankt aber in der Regel nur sehr mild. Selbst Jugendliche ohne Prädispositionen, deren Erkrankungsrisiko durchaus mit dem Alter steigt, erleben Covid-19 im Allgemeinen mild.6 Und nicht selten infizieren sich jüngere Kinder, zeigen aber keine Symptome.7 Selbst das Robert-Koch-Institut gibt in seiner Corona-Kita-Studie an: «Wenn sich Kinder häufiger asymptomatisch infizieren als Erwachsene und die SER [Anm. d. Redaktion: sekundäre Übertragungsrate] ausgehend von asymptomatischen Indexpersonen signifikant niedriger ist als von symptomatischen, ist es möglich, dass Kinder weniger oft das Virus übertragen.»8 Die Schlagzeilen, die im Anlauf der Corona-Krise gemacht wurden, um Kinder als erhöhtes Risiko für die Gesellschaft, das Lehrpersonal oder ihre Familienangehörigen zu verdächtigen, wirken nach den bisherigen Erkenntnissen umso frevelhafter.

Die Impfung scheint daher für Kinder keinen persönlichen Nutzen zu erbringen, denn sie schützt nur vor einem geringen Risiko und birgt wie jede Impfung auch ein Nebenwirkungsrisiko. Der Schutz der anderen ist darüber hinaus vage, denn er kann bisher nicht erwiesen werden. Nicht zuletzt deshalb, weil das Virus immer übertragen werden kann – geimpft oder nicht. Aus diesem Grund wird das Ziel der Herdenimmunität durch die Impfung in der Corona-Pandemie schon lange nicht mehr propagiert, da es mit den bisherigen Impfstoffen unerreichbar ist.9

Wenn Kinder trotz einer Impfung weiterhin das Virus übertragen – ungeachtet dessen, wie stark sie überhaupt als Übertragende in Betracht kommen – und sie selbst, ohne andere Vorbelastungen, kaum gefährdet sind durch die Krankheit, dann fehlt jeder persönliche und gesellschaftliche Nutzen für diese Maßnahme. In einem Peer-Reviewed-Artikel nahm eine Gruppe von Fachärzten und Forscherinnen aus der Schweiz die drei Ziele, die in der Schweiz offiziell definiert wurden, für die Impfung von Jugendlichen nochmal in den Blick: erstens die Verminderung von Erkrankungen, vor allem von schweren und tödlichen Fällen; zweitens die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung; drittens die Reduktion aller negativen Auswirkungen der Pandemie (wirtschaftlich, sozial, psychisch, gesundheitlich). Der wissenschaftliche Artikel kommt zu dem Schluss: «Die Impfung der Kinder und Jugendlichen ist aktuell nicht indiziert, um die Risikogruppen zu schützen, sie ist nicht nötig, um die Impfziele von BAG/EKIF zu erreichen, und sie ist nicht nötig, um die Kinder/Jugendlichen vor Ansteckungen zu schützen, wie die Erfahrungen aus Israel zeigen.»10 Außerdem weisen die Forschenden deutlich auf die ärztliche Verantwortung hin, dass für Kinder und Jugendliche die Sicherheit der mRNA-Impfstoffe noch nicht etabliert ist. Sie fordern eine «sorgfältige öffentliche Diskussion» des Themas, freien Zugang für diejenigen, die sich impfen lassen möchten aufgrund von Vorerkrankungen und gründliche Beratung seitens der Ärztinnen und Ärzte.

Unethischer Druckaufbau

Demgegenüber sind Kinder und Jugendliche von den Maßnahmen und ihren Folgen für ihr Sozial- und Familienleben extrem betroffen. 2020 hat bedauernswerte Ergebnisse in dieser Richtung gezeitigt. Es gab eine deutliche Zunahme von «Depressionen, Suizidgedanken, anderen mentalen Gesundheitsproblemen und kinderpsychiatrischen Behandlungen»11 bei Kindern und Jugendlichen. Ganz zu schweigen von der Zunahme der Gewalt in den Familien. Bemerkenswert ist, dass trotz ihrer Empfehlung im August die STIKO sich explizit gegen eine Benachteiligung von ungeimpften Kindern und Jugendlichen in kultureller und sozialer Teilhabe aussprach. Die Benachteiligung von Kindern oder Druckausübung auf Jugendliche, die nicht geimpft sind, ist nach dem bisherigen Stand der Erkenntnisse nicht zu rechtfertigen.

Es bleibt unübersichtlich, wodurch die politisch bestimmten Einschränkungen und Empfehlungen motiviert sind, und es braucht endlich ein Gespräch über Entscheidungen. Alle Sorgen, die polar in der Gesellschaft leben, und alle Argumente gehören offen in die Agora, damit die Erwachsenen ihre bürgerlichen und elterlichen Pflichten aus Verantwortung, nicht aus Angst, und nach bestem Wissen und Gewissen ausüben können. Der letzte Punkt im Schweizer Peer-Review-Artikel ist: «In der Impfkommunikation soll auf mögliche übertriebene COVID-Ängste der erwachsenen Bevölkerung und der Eltern eingegangen und diese abgebaut werden. Es wäre unethisch, Kinder/Jugendliche v. a. wegen der Ängste der Erwachsenen zu impfen.»12 Oder polemisch ausgedrückt: Unter diesen Umständen Kinder mit geringem Risiko zu impfen, damit Erwachsene in unruhiger Zeit sich ruhiger fühlen, entbehrt nicht nur der Logik, sondern auch der Moral.

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Footnotes

  1. EMA könnte Biontech-Impfstoff für Fünf- bis Elfjährige kommende Woche freigeben (15.11.2021)
  2.  Moderna Files to Expand the Conditional Marketing Authorization for its COVID-19 Vaccines (9.11.2021)
  3. Beschluss der STIKO zur 6. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung (10.06.2021)
  4. Ärztekammer zurückhaltend bei Impfung von Unter-12-Jährigen
  5. Beschluss der STIKO zur 9. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung (24.08.2021), Pressemitteilung der STIKO zur COVID-19-Impfung mit mRNA-Impfstoff bei Personen unter 30 Jahren (10.11.2021).
  6. Children and COVID-19: State Data Report (3.6.2021)
  7. Können Kinder das neue Coronavirus weitergeben?
  8. Quartalsbericht
    der Corona-KiTa-Studie
    (August 2020).
  9. Kinder impfen – ja oder nein? )26.10.2021)
  10. Sollen wir Kinder und Jugendliche gegen COVID-19 impfen? (6.7.2021).
  11. Ebd.
  12. Ebd.

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