Karma neu denken

Wer sich für Reinkarnation und Karma interessiert und in der Angebotsfülle zu diesem Thema Orientierung sucht, findet in dem vor Kurzem erschienenen Buch von Jens Heisterkamp eine verständliche Darstellung, die zudem handlich und schön gestaltet ist.


Es wird ausführlich dargelegt, dass der Gedanke der wiederholten Erdenleben nicht nur im Hinduismus und Buddhismus vorkommt, sondern auch im sogenannten Abendland. Hier ist es insbesondere Rudolf Steiner, der im neuzeitlichen Denken diese Idee vertrat und detailliert darlegte. Heisterkamps Ausführungen sind durchaus auch für Leserinnen und Leser interessant, die bereits mit Rudolf Steiners Äußerungen über Reinkarnation und Karma vertraut sind. Als Erstes fällt die präsente und zeitgemäße Sprache des Autors auf. Sie wirkt so, als höre man einen Vortrag oder sei im Gespräch mit ihm. Diese Frische geht mit einer durchgängig spürbaren Verantwortung für das Thema einher. So fordert Heisterkamp von sich selbst: «Es kann versichert werden, dass es, soweit das bei diesem Thema möglich ist, vernünftig zugehen soll. Das bedeutet vor allem, dass ich bemüht sein werde, die Unterschiede zwischen philosophischer Phänomenologie, gedanklicher Schlussfolgerung und Spekulation immer transparent zu halten; ich werde differenzieren zwischen dem, was ich aus eigener Einsicht glaube vertreten zu können, und dem, was ich aus anderen Quellen übernehme. Zu diesen ‹anderen Quellen› zählt für mich vor allem die Anthroposophie Rudolf Steiners. Und ich hoffe, es gelingt mir, auch im Umgang mit dieser Quelle immer die Unterscheidung deutlich zu machen, was hier von mir selbst verstanden wurde und was ein übernommener, vorausgesetzter Inhalt ist. Die Haltung des Fragens ist mir bei alldem immer die Richtschnur.»

Und tatsächlich, beim Lesen folgt man seinen Gedankengängen bereitwillig und fühlt sich erfrischt durch die Vielschichtigkeit der Betrachtungsweisen. Sämtliche Zitate, ob sie dem Reinkarnationsgedanken kritisch oder befürwortend begegnen, werden vom Autor ernst genommen und dem eigenen Urteil der Leserinnen und Leser überlassen. Er führt Worte Rudolf Steiners an, die allein gesehen eine einseitige Sichtweise darstellen könnten. Sie werden dann aber durch Zitate aus Steiners Werken komplettiert, die von einem anderen Blickwinkel zeugen. Diese aussagekräftige Auswahl überzeugt durch ihre Gründlichkeit und ihre inhaltliche Nachvollziehbarkeit. Auch erwähnt Heisterkamp Rudolf Steiners Warnungen vor missbräuchlichem Umgang mit dem Thema Karma, besonders wenn es um Mitleid oder um eine Haltung zu Behinderungen verschiedener Arten geht. So betont der Autor weiter: «In keinem Fall also geht mit dem Karmabegriff eine irgendwie distanzierte Lieblosigkeit einher, die ja auch so gar nicht zu echter Spiritualität beziehungsweise Esoterik passen würde.»

Der Autor legt mit nachvollziehbaren Argumenten dar, dass der Gedanke der Wiederverkörperung bedeutsam ist für das Schicksal des Menschen und für die drängenden Fragen unserer Zeit und nicht zu einer fatalistischen Auffassung des Schicksals führen kann. Im Gegenteil bietet der Karmagedanke das Potenzial für das menschliche Zusammenleben und für ein verstärktes Gefühl der Verantwortung für das eigene Leben, die Umwelt, die Natur, die Welt als ganze und damit für unser aller Zukunft. Fazit: eine höchst interessante Abhandlung zum Thema Reinkarnation und Karma für Interessierte, die sich nicht durch das Dickicht der zahlreichen anderen Quellen arbeiten wollen, aber auch für alle, die ihre Gedanken zu diesem Thema auffrischen möchten. Und das Buch mit seinen 96 Seiten passt in jede Jackentasche.


Buch Jens Heisterkamp: Karma neu denken. Wiederverkörperung und Schicksal als Herausforderung für die Vernunft. info3-Verlag, Frankfurt 2023.

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