Im Spiel der Sterne

Das Astrologie-Kolloquium mit dem Titel ‹Freiheit und soziale Gestaltung› ist ein Projekt der Mathematisch-Astronomischen Sektion des Goetheanum und findet seit dem Frühjahr 2022 statt. Charles Cross sprach mit den Leitenden Elisabeth Anderegg, Klaus Schäfer-Blankenhorn und Jakob Fuchs über die Entstehung und Entwicklung.


Wie ist das Astrologie-Kolloquium entstanden?

Klaus Schäfer-Blankenhorn Bei einem Kolloquium der Mathematisch-Astronomischen Sektion im Juni 2021 fragte ich den Sektionsleiter Oliver Conradt, ob wir uns auch einmal mit Astrologie befassen könnten. Denn da gibt es viele Widerstände und Vorurteile. Aber sind diese berechtigt? Oliver Conradt begrüßte die Idee und ich sagte zu, daran zu arbeiten. Aber das tat ich nur, weil ich Elisabeth Anderegg kannte und darauf hoffte, sie für diese Arbeit gewinnen zu können, was glücklicherweise geschah. Ohne sie wäre es nicht gegangen. Sie wiederum hat Jakob Fuchs angeworben und so ist das Ganze entstanden. Ich selbst habe sehr lange als Waldorflehrer gearbeitet, aber ich war immer auch Astrologe. Jetzt als Rentner mache ich mehr mit der Astrologie. Schon vor 30 Jahren hatte ich gedacht, es wäre eine großartige Sache, wenn gerade die Anthroposophinnen und Anthroposophen ein bewusstes Verhältnis zur Astrologie haben könnten. Unter dem Motto ‹Die Astrologie als ein Instrument der Bewusstseinsseele› könne man gut über eine zeitgemäße Astrologie forschen und dabei die Bewusstseinsseele pflegen. Das Kolloquium ist nun genau dafür da. Wir wollen wissen, was Steiner meinte mit einer «Astrologie der fünften nachatlantischen Kulturepoche», von der er in Leipzig gesprochen hat (GA 149, 1.1.1914).

Elisabeth Anderegg Ich liebe die Anthroposophie und die Astrologie. Anthroposophie kenne ich, seit ich 17 bin, und die Astrologie seit ich 38 bin. Ich bin sehr glücklich, dass sich diese Gruppe gefunden hat. Ich kannte Klaus nur schriftlich. Seine Bücher aber liebe ich sehr, weil ich sie wirklich als etwas Zukünftiges und etwas ganz anderes ansehe. Dieses ganz andere hat mich fasziniert, vor allem sein Ansatz, das Horoskop als einen Weg zur Freiheit zu interpretieren. Nun forschen wir gemeinsam. Aussagen von Rudolf Steiner über die Astrologie sind zum Teil sehr kritisch und zum Teil sehr zukünftig. Wie können wir diese als Astrologinnen und Astrologen einbinden und in dieser Richtung forschen? Ich könnte nicht Astrologie machen, wenn ich die Anthroposophie nicht kennen würde. Die Astrologie in Rudolf Steiners Sinne ist wie eine Suche oder ein Weg, sich mit höheren Intelligenzen zu verbinden (GA 34, September 1905). Der Zusammenhang zwischen Anthroposophie und Astrologie besteht für mich darin, einen Raum zu schaffen für eine Verbindung mit der geistigen Welt.

Jakob Fuchs Ich komme nicht von der Astrologie her, sondern von der Sozialgestaltung. Über 20 Jahre habe ich in Gemeinschaften zu Fragen des Zusammenarbeitens gewirkt. Wie kann in heutiger Zeit eine Individualität sich entwickeln und zur Quelle des Sozialen werden? Fast immer habe ich mit den ‹Zwölf Stimmungen›, der Dichtung von Rudolf Steiner, gearbeitet. Dort spielen der Tierkreis, die Zwölfheit, eine Rolle, auch die Planetenqualitäten und die Siebenheit. Astrologie habe ich eigentlich nur als Ratsuchender erlebt. Ich habe da also kein profundes Wissen. Aber der Titel des Astrologie-Kolloquiums ‹Freiheit und Sozialgestaltung› hat mich sehr angesprochen. Das ist eines meiner Uranliegen. Ich habe sofort gespürt, da wird geforscht, wie wir Gesetzmäßigkeiten, Bildekräfte, Bildequalitäten aus dem astrologischen Gesichtspunkt fruchtbar machen können, um uns selbst zum Freiheitlichen zu entwickeln. Wie kann das zu sozialer Gestaltung und Verantwortung beitragen? Das hat mich begeistert und so sind wir jetzt unterwegs.

Anderegg Ich habe auch im Sozialen gearbeitet und auch mit Jakob. So kommt diese Verbindung zustande. Die Astrologie kann im Sozialen sehr viel bewirken.

Das Kolloquium existiert nun schon ein Jahr. Können wir über ein paar Highlights sprechen? Was ist bis heute geschehen?

Schäfer-Blankenhorn Bis heute wird immer mal wieder skeptisch gefragt, was die Astrologie im Goetheanum soll. Sie hätte doch hier nichts verloren. Oliver Conradt hat in den Kreisen der Astronomen aber betont, dass sie doch zum Gesamtgebiet der Astronomischen Sektion gehöre und ein reales Forschungsanliegen sei. Letztes Jahr beim Kolloquium zur Johannizeit war es furchtbar heiß. Wir waren sechs oder sieben Menschen, die sich zum Teil nicht kannten. Elisabeth und ich waren die einzigen Astrologen. Ich habe immer wieder mal gedacht, dass wir das WillenHitze gar nicht vier Stunden aushalten würden. Wir waren damals ganz oben unter dem Dach, im Südatelier. Aber wir bemerkten die Hitze gar nicht, weil der Austausch so belebend und erfrischend war. Die Stimmung war so dicht, dass die Zeit wie im Fluge verging. Und vor allem hatte ich anschließend das deutliche Gefühl: Jetzt sind wir im Goetheanum angekommen!

Anderegg Dieses Kolloquium ist kontinuierlich gewachsen. Heute sind es 14 Menschen. Ein Highlight ist und war, dass Jakob Fuchs die ‹Stimmungen› von Rudolf Steiner so stark ins Lebendige – auch in die Astrologie – gebracht hat. Ein zweites Highlight war für mich Michael Jacobi vom Institut für Strömungswissenschaften, der die Orbengröße bei Planetenaspekten mit musikalischen Kriterien beurteilen und messen konnte. Das war wirklich ein Highlight, das wir alle nicht erwartet haben. (Seine Forschungen sind enthalten in dem Buch ‹Lebenskräfte – Arbeiten und Forschen im Ätherischen›. Hg. Manfred Schleyer, Herrischried 2018.)

Fuchs Für mich das Spannendste und immer wieder ein Lichterlebnis: Wie können wir zusammenarbeiten, damit wir in die Nähe von intuitivem Arbeiten kommen? Also nicht die Dinge komplett durchstrukturieren, uns nicht nur mit dem Gegenstandsbewusstsein den Fragen nähern. Das ist für mich der Charakter dieses Forschungskolloquiums, die Forschungsmentalität und Haltung, die wir bis jetzt durchhalten konnten. Wir werden sehen, wie wir das auch weiter ausgestalten. Das Arbeiten ist für mich bis jetzt wirklich im Lebensstrom geblieben. Es ist sowieso die Frage, was denn das Ziel am Ende sein soll oder sein wird: Komme ich hierher und schöpfe dann aus dieser Arbeit heraus wieder individuell? Was kann ich hineinbringen? Was können wir fruchtbar machen, auch für eine interessierte Öffentlichkeit? Dieses lebendige Spannungserlebnis finde ich wunderbar. Da sind verschiedene Menschen, die etwas miteinander teilen. Inhaltlich war mir bis jetzt alles lieb, vieles auch anregend, neu und einleuchtend. Das sind immer Keime, die wir weiterentwickeln können, die wachsen und reifen.

Schäfer-Blankenhorn Ein Forschungsschwerpunkt – weil es da von Rudolf Steiner auch Äußerungen gibt – sind die Todeshoroskope (z. B. GA 140, 26.11.1912). So haben wir ein Beispiel gesucht und sind auf Karl König gestoßen. Wir haben sein Geburts- und Todeshoroskop betrachtet. Rudolf Steiner hatte einmal wohl eine abfällige Bemerkung einer Frau gegenüber gemacht, die meinte: «Mein Horoskop stimmt!» Seine Antwort war: «Ja, wie schade für Sie.» Das Horoskop stimmt in gewisser Weise wirklich immer. Doch darf die Astrologie in unserer Zeit nicht mehr als festlegend für die Biografie verstanden werden. Was wir aus Freiheit heraus machen, das sieht man selbstverständlich nicht im Geburtshoroskop. Aber im Todeshoroskop kann man möglicherweise etwas sehen. Am Beispiel von Karl König fand ich es beeindruckend, wie tatsächlich manche Themen zwischen Geburts- und Todeshoroskop sich verwandeln: Karl König war ein Tatmensch, der viel gemacht, auch Anstoß erregt und seine Mitmenschen bisweilen vor den Kopf gestoßen hat. Er hatte einen sehr impulsiven Mars. Aber er hat zeitlebens sehr gerungen um die Übung der Positivität und des Mitgefühls mit den anderen. Und man sieht in seinem Todeshoroskop zum Beispiel die Venus in einer stärkeren Harmonie als im Geburtshoroskop. Gibt es da einen Zusammenhang zu seinem lebenslangen bewussten Ringen um die Venusqualität?

Anderegg Mitgestaltende dieses Kolloquiums liefern selbst Beiträge. Das finde ich sehr schön. Um unser Kolloquium in der Sektion anzukündigen, haben wir ein Zitat von Rudolf Steiner verwendet, dass die Astrologie eine Auferstehung erfahren muss durch den Christusimpuls (GA 149, 1.1.1914). Auferstehung kann ja nur bei einem lebendigen Wesen sein: Ist also die Astrologie auch eine Art lebendiges Geistwesen? Diese Frage zu diskutieren ist für mich in dieser Gruppe möglich. Das wäre nicht unbedingt möglich in einem konventionellen astrologischen Kreis.

Welche Fragen oder Themen zur ‹Astrologie der Zukunft› werden noch kommen?

Schäfer-Blankenhorn Da wir versuchen, einen unausgesprochenen Forschungsauftrag Rudolf Steiners zu ergreifen, gibt es eine Fülle von Arbeit. Letztlich geht es um die auch zutiefst anthroposophische Frage: Was heißt Freiheit?

Anderegg Was ich in Zukunft wichtig finde, ist, dass wir zentrale Zitate von Rudolf Steiner zur Astrologie in Gruppen durchleuchten, dass jede Gruppe eine entsprechende Textstelle bearbeitet und wir dann überlegen können: Tun wir das schon oder noch nicht? Ein Zukunftsthema wird die Frage der intuitiven Astrologie sein. Was meinte er im September 1905 damit (GA 34)? Steiner sagte, früher sei die moralische Intuition eine Gruppensache gewesen und heute sei sie hundertprozentig individuell. Man muss Raum schaffen, dass im Individuellen etwas geschehen kann, sich ereignen kann. Das ist für mich in Zukunft ein starkes Ziel dieses Kolloquiums.

Fuchs Für mich ist es auch das zentrale Ziel: Wie kann ein Milieu gebildet werden, eine Schale, ein Raum, in dem Geistes-Gegenwart geschehen kann? Vor allem auch in der Ideenbildung. Wie sieht eigentlich ein Prozess aus, der das ermöglicht? Ich persönlich bin überzeugt, dass die Krebsstimmung von Rudolf Steiner, wie wir sie bei ‹Wege zur Qualität› verstehen, diesen Prozess beschreibt, wie man quasi diesen Raum bildet. Wir haben auch schon anfänglich im Kolloquium darüber gesprochen. Ich denke, es liegt eine Methode, vielleicht auch Metamethode, in dieser Dichtung von Steiner. Dass sie eine Dichtung sein muss, ist auch klar. So etwas kann man nicht einfach festnageln. Das ist für mich eines der zentralen Ziele. Ich möchte mich in dem Sinne einfach anschließen an Elisabeth und die Forschungen, die sie bis jetzt gemacht hat, und auch an Klaus mit seinen Büchern: Ziel ist es, einen intuitiven Entwicklungsraum zu schaffen mithilfe astrologischer Gesichtspunkte.

Anderegg Letztlich geht es mir darum, dass Astrologie für die Menschen Freiheit ermöglicht, die im Sozialen wirksam wird.


Bild Klaus Schäfer-Blankenhorn, Elisabeth Anderegg und Jakob Fuchs. Foto: Charlie Cross

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