Die Versuchung ist groß, angesichts der Krisen und Katastrophen in der Welt zu resignieren, sich ohnmächtig zu fühlen oder gar in eine tiefe Traurigkeit zu verfallen. Wo ist das Licht?
Die täglichen Nachrichten sind geprägt von Kriegen, Naturkatastrophen und gesellschaftlichen Spaltungen – es scheint, als würde die Welt an ihren eigenen Wunden zerbrechen. Inmitten dieser Dunkelheit fällt es schwer, an eine bessere Zukunft zu glauben, und viele Menschen kämpfen mit der Frage, ob es überhaupt noch Hoffnung gibt. Doch gerade in solchen Zeiten wächst die Sehnsucht nach Licht, nach einem Funken Zuversicht, der uns weitermachen lässt. Es ist daher nicht überraschend, dass immer mehr Publikationen sich dieser existenziellen Frage widmen – dem Bedürfnis nach Hoffnung, das uns aufrechterhält, selbst wenn die Welt und auch das eigene Umfeld ins Wanken geraten. Eine davon sei aufgrund ihres sensiblen Zugangs zur Thematik hier stellvertretend vorgestellt.
In ihrem neuen Buch beschreibt die französische Philosophin Corine Pelluchon in einer ‹Philosophie der Hoffnung› den Weg aus der Hoffnungslosigkeit; sie nennt diesen Weg «die Durchquerung des Unmöglichen». Paradoxerweise werden durch unsere Verletzlichkeit und den Mut, zu unserer Verletzlichkeit zu stehen, neue Kräfte entbunden, sodass daraus Hoffnungskeime erwachsen können. Aber dazu gehöre, so die Autorin, die Durchquerung der Verzweiflung, erst dann werde unser inneres Auge offen für diese neue Kraft: «Man muss die Verzweiflung erlebt haben, um von Hoffnung sprechen zu können – in diesen düstereren Zeiten, wo wir die globalen Folgen unseres gescheiterten Entwicklungsmodells für Umwelt, Gesundheit, Politik, Geopolitik, Wirtschaft und Gesellschaft sehen.» (S. 60) Es geht ihr dabei nicht um ‹positives Denken› und um Optimismus im Sinne von ‹es wird schon alles wieder gut›. Wir müssen lernen, inmitten von Verlust, Trauer, Verletzlichkeit und Leid diese Kraft zu finden.
«Das größte Missverständnis in Bezug auf die Hoffnung besteht also darin, sie mit Optimismus zu verwechseln. Hoffnung ist keine besänftigende Rede, kein Trostpflaster für den Schmerz oder eine Strategie, die darauf abzielt, den guten Willen nicht zu entmutigen und den Schwächsten die Folgen allzu großer Klarheit zu ersparen. Sie ist wie ein drittes Auge und das komplette Gegenteil von Verleugnung. Wie gesagt: Ihre Klarheit rührt davon her, dass man das Unmögliche durchquert und das Leid erfahren hat, was kennzeichnend für die Hoffnung ist». (S. 61) Und wir sind dabei nicht allein! Es gibt bereits eine ganze Bewegung, die dieser neuen Botschaft der «Aufklärung im Zeitalter des Lebendigen» folgt, sie ist bereits in der Welt und viele folgen ihr. Es braucht diesen ermutigenden Blick, damit sie sich langfristig auch gegen große Widerstände durchsetzen wird, sodass sie nicht totgetreten werden kann. «Hoffnung ist die Erwartung des Unmöglichen: Die Veränderungen, die diesen Fortschritt verkörpern, scheinen unmittelbar nicht möglich zu sein. Doch was heute unmöglich ist, kann morgen möglich werden. Die Hoffnung verleiht auch die Geduld, die nötig ist, damit diese Bewegung sich gegen die Hindernisse durchsetzt, denen sie notwendigerweise auf ihrem Weg begegnen wird.» (S. 77)
Zu gemeinsamem Wirken aus den Kräften der Hoffnung heraus ermutigen auch andere aktuelle Publikationen, indem wir zusammen neue ‹Imaginationen› erschaffen, so die bekannte Psychologin Verena Kast1: «Durch die Imagination wird die Hoffnung schöpferisch. Ausgehend von der Situation des Trauerns um das, was wir verloren haben oder zu verlieren drohen, imaginieren wir miteinander Lebenssituation von dem, was anders oder besser sein könnte, wie wir uns besser kümmern könnten.» Das trifft sich mit dem anthroposophischen Impuls, wie ihn Peter Selg skizziert2: «Wir brauchen Imaginationen oder Visionen des konkreten Aufgangs und nicht nur des Untergangs, und wir müssen sie in schwierigen und immer schwieriger werdenden Zeiten gemeinsam ausbilden.»
Das Buch von Corine Pelluchon enthält noch weitere Kapitel zum Thema «Klimawandel – die Möglichkeit der Unmöglichkeit», dann ein Kapitel zur Empathie mit den Tieren und zuletzt zum Thema «Das Weibliche oder die Kunst der Metamorphosen». Diese zarte und doch so kräftige Stimme mit ihrer ‹Philosophie der Hoffnung› verdient unsere Aufmerksamkeit. Die französische Philosophin weiß, wovon sie spricht, denn sie ging auch in ihrem persönlichen Leben durch schwierige Phasen der Depression. Sie kann uns Mut machen, auch in Krisen und schweren Zeiten die Hoffnung nie aufzugeben.
Es lässt sich die Quintessenz der ‹Philosophie der Hoffnung› in diesen Kernsätzen des französischen Schriftstellers Georges Bernanos zusammenfassen: «Der Optimismus ist ein Ersatz für die Hoffnung […]. Die Hoffnung aber will erkämpft sein. Zu ihr gelangt man nur auf einem Weg, der durch die Wahrheit hindurchführt und den zu beschreiten große Mühe und viel Geduld kostet […]. Die Hoffnung ist eine Tugend […] Die höchste Form der Hoffnung ist die überwundene Verzweiflung.» (S. 6)
Wenn man nach dem immer wiederkehrenden Fallen ins ‹Nichts›, dem Durchleiden der seelischen Nöte in einem und um einen, das große ‹Trotzdem› erfährt, die ‹Gnade› des Gehalten-Werdens von helfenden geistigen Wesen. Keine großen Worte darüber sind nötig, das Mysterium vollzieht sich in jedem Einzelnen still und doch wirksam für eine Welt, welche trotz ihres Niedergangs die aufbauenden neuen Kräfte, die Begeisterung für das ‹Schaffen aus dem Nichts› nie verlieren wird, solange es noch Menschen gibt, welche sich in diesem Strom zusammenfinden. Die folgende Meditation Steiners geht in diese Richtung und kann einem in der Ohnmacht ein inneres Glühen und in der Folge eine aufrechte helle Flamme immer von Neuem entfachen:
Sieghafter Geist
Durchflamme die Ohnmacht
Zaghafter Seelen.
Verbrenne die Ichsucht,
Entzünde das Mitleid,
Dass Selbstlosigkeit,
Der Lebensstrom der Menschheit
Wallt als Quelle
der geistigen Wiedergeburt.3
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