Er sei der letzte Dinosaurier, sagt er, aber damit hat er nicht recht. Denn die Liebe zum Erzählen, um die Schüler mit der Fülle des Auf und Abs der Menschheit auszustatten, teilt der Geschichtslehrer Günter Boss mit 40 000 Waldorflehrerinnen und -lehrern.
Hier ist er mit großer Wucht vertreten. Mal breitbeinig mit verschränkten Armen, dann an einen Tisch gelehnt, je nachdem, was die Erzählung zulässt oder fordert, steht er vor der Klasse und schildert, wie Alexander der Große sein Pferd erobert. Es ist ein Pferd, das jeden abwirft, und nun will es der Zwölfjährige versuchen. Doch anstatt sofort aufzusitzen, lässt er das Pferd seine Richtung ändern und kann sich dann tatsächlich auf dem Rücken halten. Wie Philipp, Alexanders Vater und König der Makedonen, wollen die Schüler wissen, warum er diesen Tanz mit dem Pferd aufführt. Boss wartet mit der Erklärung, bis der Spannungsbogen sitzt und zugleich nicht überdehnt ist. Dann die Überraschung: Das Pferd, so der Königssohn zum Vater, habe sich vor dem Schatten von Ross und Reiter erschreckt, deshalb habe er es aus seinem Schatten herausgedreht. Die Zwölftklässer, die von sich selbst zu gut wissen, wie schwer es ist, Denken, Gefühl und Willen zusammenzubringen, hören diese kleine große Geschichte.
Alexander der Große in der Schlacht von Issus (2. v. Chr.). Detail eines Mosaiks vom Haus des Fauns in Pompeji (Nationales archäologisches Museum Naples)