Die Seele – bewegte Wirklichkeit

Die Seele ist ein Geschehen. Durch sie trifft das Ich die Welt.


Wertvolle Mitteilung macht ein Wesen, wenn man mit ihm in ein Gespräch eintritt. Das gilt für jedes Wesen, für ein Tier, eine Pflanze, eine Landschaft und einen anderen Menschen. Ein Wesen offenbart sich nur, wenn es auf ein Gegenüber trifft, das seine Sprache kennt. Ansonsten bleibt es stumm. So ist es auch für das Wesen der Seele. Das einfühlsame Gespräch, das meditative Ablauschen, ist Voraussetzung dafür, das sie sich offenbaren kann.

Die Goldene

Wer dem folgt, was das Seelenwesen einem im Zustand erhöhter Aufmerksamkeit mitteilt, wird immer wieder auf ihren weisheitsvollen Wesensgrund verwiesen. Vor dem inneren Auge erscheinen Bilder von der besonderen Ordnung, die sich in ihr verwirklicht. Diese Ordnung ist von hoher Güte. Das Dasein der Seele beruht auf diesem weisheitsvollen und goldenen Grund. Er ist die Seele in der Seele. Von dort wird die Seele gebildet, konstituiert und getragen. Es ist ihr leuchtendes Geheimnis. Kräfte steigen von diesem Grund auf, die unsere Existenz wesentlich bestimmen. Sie sind uns tief eingeschrieben. Sie lassen sich bis in jede Zelle, bis in alle Körpersäfte und selbst bis ins Blut verfolgen. Die Wirkungen dieser Kräfte pflanzen sich offensichtlich fort bis in unser Wachbewusstsein. Immer wandelt unser Wesen auch durch diesen Seelengoldgrund. Ihm entwinden sich Kräfte, auf die der Mensch angewiesen ist.

Die Gebärende

Vom Wesen der Seele empfangen wir beständig allerlei Gaben. Sie tragen unsere Erdenexistenz. Wir verdanken ihr unsere kleinen und größeren Geburten. Die Seele ist Quelle unserer Intuitionen, unserer Kreativität und der Motive unseres Handelns. Sie schenkt uns die Wahrnehmungen, die Erinnerungen, die inneren Bilderwelten, die Worte, die wir sprechen, und unseren Willen. Dank ihr stellen wir uns die Welt vor, fühlen und entwickeln Tatkraft. Die Seele ist aber auch die Quelle aller Selbsterfahrung und aller tiefen, mystischen Erlebnisse.

Die Seele stattet uns mit der Fähigkeit aus, die Sprache der Götter zu verstehen. Sie befähigt uns, jene geistigen Wesenheiten wahrzunehmen, die mit uns Verantwortung für die Entwicklung der Erde übernommen haben. In der Seele finden sich zahllose geistige Kammern, die der Mensch dank seinem einfühlenden Bewusstsein aufsucht, um mit den diesseitigen und jenseitigen Geistwesen Umgang zu pflegen. In der Seele liegt das jenseitige Land, das der Mensch bereisen kann, um zu wesenhaften Erkenntnissen über die Welt zu kommen.

Die Dunkle

Daneben sind in der Seele Schattenwelten beheimatet. Man denke an die negativen Gedanken, die man schon gedacht hat, an die antipathischen Gefühle und die dunklen Fantasien, denen man nachgegeben hat. Das ist eine recht umtriebige Schar. Dazu gesellen sich Überheblichkeit, Selbstgefälligkeit, Neid, Niedertracht, Ruhmsucht und allerhand mehr. Die Versuchungen, Illusionen, die Besessenheiten, Fixationen und Dogmen gehören hierher. Diese Schatten sind Wesenheiten, die die Seele bewohnen. Sie haben die Fähigkeit verloren, sich von alleine zu verwandeln. Sie sind lichtabgewandt, aber nicht ohne den Wunsch, dem Licht wieder anzugehören. Sie tragen dunkle Masken und scheuen das Licht, damit zufrieden sind sie nicht. Sie sehnen sich nach Umwandlung. Sich ihnen mit Interesse zu nähern, hilft ihnen. Man kann ihnen anbieten, sie kennenzulernen und mit ihnen zu sprechen. Man kann sie nach ihren Bedürfnissen, Wünschen und Botschaften fragen. Das führt dazu, dass sie offen werden, sich dem Licht wieder zuzuwenden. Ihre Wandlung beginnt. Nie vollzieht sie sich aus Ignoranz, Abscheu oder Gewalt. Jene vom Licht abgefallenen Seelenwesen erwarten vom Menschen, dass er, der sie hervorgebracht hat und ihr Dasein verantwortet, ihre Wandlung betreibt.

Die Meisterin

Die Seele stellt uns in die Erdenverhältnisse. Durch sie werden wir zu Erdenmenschen. Sonst wäre die Erde für uns unbewohnbar und fremd. Da wir durch das Erdensein unsere Individualität entwickeln, ist die Seele das Mutterwesen unserer Individualität. Sie sorgt für die notwendigen Bedingungen der Entwicklung. Deshalb besteht aller Grund, sie wertzuschätzen und zu ehren.

Der Seele verdanken wir die Erfahrungen von Innerlichkeit und Autonomie. An ihr erwacht das Bewusstsein für die Einzigartigkeit des Menschseins. Wir streben nach dieser Einzigartigkeit, uns zeichnet aber auch aus, dass wir vielen Welten angehören. Schon als ein wachbewusstes, auf der Erde lebendes Wesen ist das der Fall. Wir sind Teil der verschiedenen Naturreiche und von einem bestimmten Blickwinkel aus ebenfalls Tier, Pflanze und Mineral. Als Schlafende haben wir Erlebnisse in den übersinnlichen Wesenswelten, selbst wenn davon kaum Erinnerungen zurückbleiben, ebenso nach dem Tod. Beides, unsere Einzigartigkeit wie auch die Vielheit der Welten, denen wir angehören, sind Gaben der Seele. Sie sind in ihrem Seelenwesen begründet.

Die Heilerin

In der Natur der geistigen Wesenheit des Menschen, seinem Ich, liegt es, die Seele zu führen. Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Ich ein empfangendes Wesen ist. Das Ich geht in die Schule der Seele. Von ihr empfängt das Ich Kräfte, ohne die es seine Aufgaben nicht erfüllen kann. Es lohnt sich, diesen Kräften und ihren Qualitäten nachzugehen. Im Grunde sind es heilende Kräfte. Man denke an die Gaben der Versöhnung, der Hingabe, der Empathie und der Erkenntnis. Diese Gaben enthüllen sich vor dem einfühlenden Blick als erhabene Wesenheiten. Sie bewohnen die Seele. Auf deren Licht und Wirkung kann das Ich keinesfalls verzichten. Wiederholt bedient es sich ihrer. Seine Entwicklung vollzieht sich im Einklang mit diesen hohen Seelenwesen.

Die Erdverwandte

In Gesprächen mit der Seele berühren wir auch die Geheimnisse der inneren Erde. Die Seele ist nicht nur mit den kosmischen Welten vereint, sie führt das Ich ebenfalls mit den Welten der inneren Erde zusammen. Diese unterirdischen Welten und ihre Wesenheiten haben für den Menschen eine große Bedeutung. Die übersinnliche Wahrnehmung belegt, dass die Seele des Menschen eine Wanderin durch die Welten der inneren Erde ist. Von dort empfängt der Mensch stärkende, aus der Zukunft stammende Kräfte. Sie sind Gaben der Mutter Erde. Sie durchdringen die Menschenwesenheit dank der Vertrautheit der Seele mit dem Wesen der geistigen Erde. Diese hohen Kräfte sind Zeugen der weiblichen Wesensnatur der Erde. Durch sie offenbaren sich heilende Kräfte jener Gottheiten, die dem Tiefendasein der Erde angehören. Unter anderem sind das die buddhistische Tara, die griechische Persephone, die keltische Holle und die Weisheitsgöttin Sophia. Der Mensch ist ein Kind und Spross dieser Wesenheiten. Ihm ist beschieden, die Geheimnisse der inneren Erde kennenzulernen. Erst durch sie wird er in ein wahres Verhältnis zur lebendigen Erde eintreten.

Diese Darstellung ist ein Anfang, der nicht das ganze Wesen der Seele, aber wichtige Aspekte umfasst. Es ist als eine methodische Anregung zur mutigen Begegnung mit dem Wesen der Seele gedacht.


Malerei Cornelia Friedrich, ‹Tiefe›, 120 cm × 110 cm, Tusche und Acryl auf Leinwand, 2022.

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