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Stirb und werde: Was ein praktisches Rosenkreuzertum bedeuten kann.

In ihrem kürzlich im Verlag Urachhaus erschienenen Buch ‹Stirb und werde› wählt Anna Seydel den berühmten Wortlaut der «Seligen Sehnsucht» Goethes aus dem ‹West-östlichen Divan› zum Titel eines Werkes, das im Untertitel ‹Rosenkreuzermotive in unserer Zeit› verspricht und doch noch viel mehr bietet.


Es erzählt nicht nur von Geburt, Leben, Geheimnis und Wirken des Christian Rosenkreuz, sondern beleuchtet den Zusammenhang von rosenkreuzerischem Wirken mit Rudolf Steiner und der Anthroposophie.

Wer jetzt einen historisierenden Text vielfach besprochener Tatsachen vermutet, wird aufs Köstlichste enttäuscht.

Was Goethe in der ersten Strophe verspricht:

«Sagt es niemand, nur den Weisen,

Weil die Menge gleich verhöhnet,

Das Lebend’ge will ich preisen,

Das nach Flammentod sich sehnet.»

und in der fünften zum abschließenden Finale führt:

«Und so lang du das nicht hast,

Dieses: Stirb und werde!

Bist du nur ein trüber Gast

Auf der dunklen Erde.» (1)

wird von der im 87. Lebensjahr stehenden Autorin vorbildlich eingelöst. Stoff, Inhalt und Methode verschmelzen zur Einheit. An den Beispielen von Naturerkenntnis, Kunsterleben, rosenkreuzerischer Symbolik, dem Initiationsprinzip der Bewusstseinsseelenzeit, Verwirklichungen im praktischen Leben, spiritualisierter Natur- und Menschenkunde sowie Voraussetzungen einer neuen Sozialkultur wird gezeigt, was ein praktisches Rosenkreuzertum bedeutet.

 


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Dabei wird immer erlebbar, was Rudolf Steiner als Qualitätsbeweis authentischer Arbeit auf geistigem Gebiet beschrieb: «Man kann erkennen, ob irgendetwas wahr oder nicht wahr ist, was aus okkulten Quellen stammt, wenn man auf gewisse Methoden achtet. Es wäre zum Beispiel ein Leichtes gewesen, bei der Herausgabe des Buches ‹Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?› zu schreiben: Diese Lehren sind gegeben unter Inspiration und so weiter, sie stammen vom Meister und Ähnliches. Durchbrochen ist aber das Prinzip der theosophischen Bewegung, wenn der Schreiber nicht die Verantwortung für das Geschriebene trägt. Wenn irgendwo behauptet würde, ein Buch sei ohne Verantwortung des Verfassers geschrieben, so könnt ihr wissen, dass hier keine Wahrheit, sondern luziferisch-ahrimanische Täuschung ist. Das gestatten heute die Meister nicht, dass der Schreiber die Verantwortung von sich weist, darum ist es Pflicht, stets seine Vernunft zu Rate zu ziehen, und nichts auf Autorität hin für wahr zu halten.» (2)

In Anna Seydels Buch belegt jede Zeile die Urheberschaft der Verfasserin. In gewisser Weise kann sogar von einer diskreten Autobiografie gesprochen werden. Gerade diese Eigenschaft macht die Lektüre ‹jung›. Sie zitiert nicht, um zu überzeugen, sie setzt ureigenste Erfahrungen, die weder selbstbefangen subjektiv noch objektiv verallgemeinernd sind. Das macht das Lesen so lesenswert und vermehrt das Vergnügen mit jedem Kapitel. Das Buch verschafft nicht bloß Gewinn, sondern liefert zugleich Beispiel und Ziel anthroposophischer Arbeit heute.


(1) Johann Wolfgang von Goethe, Selige Sehnsucht. In: Goethes Werke, Gedichte und Epen II, Hamburger Ausgabe, C. H. Beck, München 1998, S. 18–19.
(2) Rudolf Steiner, Zur Einweihung des Christian Rosenkreutz-Zweiges Hamburg, 17. Juni 1912. In: Das esoterische Christentum und die geistige Führung der Menschheit, Dornach, GA 130, 41995, S. 313.

Buch Anna Seydel, Stirb und werde: Rosenkreuzermotive in unserer Zeit, Urachhaus, 2019, 192 Seiten

Titelbild: Ausschnitt Buchcover

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