Stimme der Freiheit und des Friedens

Mikis Theodorakis ist gestorben. Mit ihm starb «ein Teil der Seele Griechenlands», so formulierte es die Kultusministerin Lina Mendoni. Eine dreitägige Staatstrauer wurde angeordnet für den Lehrer, Intellektuellen, Politiker, Künstler und Volkshelden. All das war der Komponist, der am 2. September mit 96 Jahren einem Herzinfarkt erlag – in seinem Zuhause in Athen, nahe der Akropolis.


Geboren wurde Mikis Theodorakis 1925 auf der Insel Chios. Mit 13 Jahren komponierte er sein erstes Werk, mit 17 gab er sein erstes Konzert und mit 18 Jahren wurde er zum ersten Mal inhaftiert und gefoltert. Letzteres würde er im Leben mehrfach erleiden, da er für seine zutiefst humane Haltung einstand und bereit war, schmerzliche Konsequenzen zu tragen. Während der Besatzung Griechenlands im Zweiten Weltkrieg schloss er sich dem Widerstandskampf an, im griechischen Bürgerkrieg kämpfte er auf Seiten der Kommunisten gegen die Loyalisten. Immer wieder inhaftiert und in Konzentrationslager deportiert, wurde er in den 1940er-Jahren zweimal lebendig begraben. Dennoch gelang es ihm, mit Unterbrechungen am Athener Konservatorium Musik zu studieren und Anfang der 1950er-Jahre dort sein Examen abzulegen.

Musikalisches Schaffen

Nun begannn sein international renommiertes musikalisches Schaffen, das im Lauf seines Lebens zu mehr als 1000 Werken führen sollte: Film- und Theatermusik, eine Vielzahl von Liedern, symphonische Kompositionen, Kirchenmusik und Opern. Sowohl in Europa als auch in den USA und Russland wurde Theodorakis bekannt und gefeiert. Bereits 1957 erhielt er in Moskau eine Auszeichnung, in der Jury saßen u. a. Dimitri Schostakowitsch und Hanns Eisler.

Sein hierzulande vielleicht bekanntestes Werk, die Filmmusik zu ‹Alexis Sorbas› (1964), darf bei allem Unterhaltungswert nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Künstler seine Arbeit jederzeit gesellschaftspolitisch und niemals ohne Bezug zum realen Leben verstanden hat. 1965 komponierte er die ‹Mauthausen-Kantate›, die Vertonung eines Gedichtzyklus von Iakovo Kambanellis, einem griechischen Lyriker und Überlebenden des KZs Mauthausen. Diese wurde 1966 uraufgeführt, gesungen von der damals erst 16-jährigen Maria Farantouri.

Ein Jahr nach der Uraufführung wurde der Komponist erneut verhaftet und seine Musik in Griechenland verboten. Durch einen Putsch kam 1967 eine Militärjunta an die Macht und errichtete in Griechenland eine Diktatur, die bis 1974 dauern sollte.

Widerstand für eine kreative Welt

Bis 1970 war Theodorakis in Haft, dann wurde der internationale Druck so groß, dass die Machthaber ihn entließen. Er ging ins Exil nach Paris und nahm sogleich eine weltweite Konzerttätigkeit auf – 500 Konzerte in vier Jahren –, um immer wieder ausdrücklich künstlerisch hinzuweisen auf den Tod der Demokratie und die Notwendigkeit des politischen Widerstandskampfes. Zugleich trat er 1972 aus der Kommunistischen Partei aus, um nie wieder einer Partei anzugehören. Nach dem Sturz der Junta, 1974, ging er zurück nach Griechenland und nahm trotz seiner linken Wurzeln in der konservativen Regierung von Konstantinos Mitsotakis, dem Vater des heutigen Premierministers, ein Ministeramt an. Er wolle mithelfen, eine neue Welt zu erschaffen, «keine ideale, aber eine kreative».

Bild: Mikis Theodorakis, Musikhalle Hamburg, 1973. Foto: Heinrich Klaffs

Was Theodorakis lebenslang sowohl in der Kunst als auch in der Politik verfolgte, war die Idee der Aussöhnung, der Versöhnung des Gegensätzlichen und der Überwindung des Spaltungsgeschehens. Griechenland war bis in die Neuzeit stets gespalten in zwei unversöhnliche Lager. Wer sich als Sozialist oder als Konservativer ins falsche Kaffeehaus verirrte, der brachte sich unter Umständen in Lebensgefahr. Entsprechende Szenen ließen sich bis in die 1980er-Jahre auf offener Straße beobachten.

1989 kandidierte Mikis Theodorakis als Parteiloser für die konservative Nea Dimokratia, um die schwere Krise zu bewältigen, die durch Skandale und Korruption der sozialistischen Pasok-Partei und der Regierung Papandreou entstanden war. Noch 2012 nahm der hochbetagte Künstler im Rollstuhl an einer Demonstration gegen die finanzpolitischen Maßnahmen der EU teil und wurde durch eine Ladung Tränengas im Gesicht schwer verletzt. Es scheint nicht übertrieben, ihn einen Märtyrer zu nennen, was ja entgegen aller missbräuchlichen Unterstellung im Wortsinn ‹Zeuge des Geschehens› heißt.

Kunst für alle

Seine Zeitgenossen empfanden Mikis als einen einfachen Mann des Volkes, höflich und mit Humor, niemals von oben herab agierend. Sein vielfältiges und vielschichtiges Werk zeichnet sich durch Integration aller musikalischen Stile aus. Es sollte nichts und niemand ausgeschlossen bleiben vom Erleben der Kunst. So vertonte er Dichtungen wie den ‹Canto General› nach Versen von Pablo Neruda oder ‹Axion Esti› von Odysseas Elytis, dem griechischen Nobelpreisträger. Zugleich bezog er in seine metasymphonischen Kompositionen, wie er sie nannte, Elemente der Volksmusik ein und verwendete traditionelle Instrumente wie die Bouzouki. Neben dem Sirtaki als volkstümlicher Musik der Landbevölkerung komponierte er im Stil des Rembetiko, der Musik für Einsame, Träumer, Flüchtlinge. In den 1980er-Jahren schrieb er alte Stücke um, widmete sich der Kirchenmusik und Opern, vor allem mit Frauenfiguren der griechischen Mythologie wie Medea, Elektra, Antigone. Seine letzten Werke, ‹Eremia› (Einsamkeit) und ‹Odysseia›, entstanden 2005 und 2006.

Wer Mikis Theodorakis war und was sein Heimatland bis heute ist, das lässt sich nicht schöner sagen, als es Maria Farantouri im Gespräch mit H. Hermann formuliert: «Ich bin ein Mensch der Inseln. Diese Menschen lieben das Licht und das Wasser. Ich bin wie eine dieser Inseln, und ich glaube, dass auch Mikis eine solche Insel ist – er verkörpert dieses besondere Licht, das über dem Wasser zu schweben scheint. Es ist nur in Griechenland zu sehen, es ist einmalig.»1

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Footnotes

  1. Hansgeorg Hermann, Mikis Theodorakis – Der Rhythmus der Freiheit. Verlag Neues Leben, Berlin 2008

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