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Spiritualität im Ausnahmezustand

Bernd Ruf, Leiter der Notfallpädagogik der Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners, ist mit seinem Team auch aktuell im Einsatz, um der indonesischen Bevölkerung nach dem schweren Erdbeben und dem darauf folgenden Tsunami Ende September zu helfen.


Wie kamen Sie zu diesem außergewöhnlichen Engagement auf der Insel Sulawesi?

Wir sind seit 2006 mit der Notfallpädagogik im Einsatz, um Menschen in genau solchen Krisen und Katastrophen zu helfen. Die Betroffenen werden psychosozial stabilisiert und darin unterstützt, ihre traumatisierenden Erlebnisse zu verarbeiten und in die eigene Biografie zu integrieren. Durch die Anregung der Selbstheilungskräfte können Traumafolgestörungen abgemildert oder gar abgewendet werden. In den letzten zwölf Jahren waren wir weltweit bei fast allen großen Katastrophen im Einsatz, u. a. bei den Erdbeben in Haiti, Nepal, China, Ecuador und Mexiko. Kriegsgebiete wie Gaza, Irak und Kirgisien gehören genauso dazu wie die Reaktorkatastrophe in Fukushima. Wir arbeiten immer auch am Aufbau von nachhaltigen Strukturen und Kinderschutzzentren (z. B. in Gaza, Irak und Kenia), um den Kindern längerfristig zu helfen.

Wie kann man sich solch einen Einsatz vorstellen mit seinen Schwierigkeiten und seinen (glücklichen) Überraschungen?

Das ist unterschiedlich. Aktuell liegt die große Schwierigkeit in der chaotischen Lage und der logistischen Herausforderung. Es fehlt an Lebensmitteln und Hilfsmaterial, der öffentliche Transport ist quasi zusammengebrochen. Viele Geschäfte klagen über Plünderungen. Hinzu kommen der Vulkan­ausbruch am Mittwoch und die vielen Nachbeben, die die Gebäude zunehmend destabilisieren. Dies alles versetzt die Menschen weiter in Panik.

Eine professionelle, solide Vorbereitung und Durchführung mit Erfüllung aller internationalen Standards der humanitären Hilfe ist unabdingbar. Eine erhebliche Flexibilität ist zudem wichtig und lässt uns Schwierigkeiten leichter bewältigen. Zudem sind wir davon überzeugt, dass nicht nur unsere eigenen Schutzengel auf uns aufpassen, sondern auch die der Kinder.

Welche praktische Unterstützung gibt hier die Anthroposophie und ihr Menschenbild?

Zum einen ist da die Bedeutung, die die Anthroposophie für mich ganz persönlich und für das Team hat. Sie ist ein wesentlicher Teil unserer inneren Grundhaltung. Zudem sind innere Schulungswege ein wichtiger Teil der eigenen Psychohygiene, die notwendig ist, um die Einsätze zu bewältigen und zu verarbeiten.

Zum anderen gründen unsere Methoden und Therapieansätze auf dem anthroposophischen Menschenbild. Rudolf Steiners Ausführungen über die karmischen Zusammenhänge von Katastrophen können einen wichtigen Beitrag für ein anthroposophisches Krisenverständnis bilden. Die von uns inaugurierte Notfallpädagogik stellt einen Versuch dar, das Prinzip der Humanität um die Dimension des Spirituellen zu erweitern.

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