Im Dienst des Wortes

So viele Freunde haben wir hier innerhalb von weniger als vier Monaten verloren. Als hätte der Dornacher Hügel sie freigegeben, als hätte er ihre Seelen von diesem zum nächsthöheren Plan in einem langen Zug ausgeatmet.


Jedem Autor, der ein Gewissen mit dem Setzen seines Wortes in die Öffentlichkeit verbindet, ergeht es gegenwärtig wie in einem Alptraum. Zeitungen und Nachrichtenportale im Internet, Fernsehkanäle, Mitteilungen der Politiker, Politikerinnen und Wirtschaftsbosse sind in ihrem Duktus von Manipulation und Lüge geradezu durchtränkt. Durch das permanente Nachdenken des Fremdgedachten und Nachschwatzen des journalistisch Vorgefertigten nehmen viele Menschen eine gewisse Bewusstseinstrübung in sich auf, welche sie ihre Identität, ihren wahren Namen vergessen lässt. Doch die anderen gibt es auch, welche das Geistige lebendig denken, fühlen, sogar schauen können. Zusammen mit vielen anderen, leidbeladenen Seelen, die infolge der Kriege, des Krankseins oder aus anderen Gründen die irdische Welt verlassen, gehen auch sie über die Todesschwelle, eine edle Gesinnung mit sich tragend. Darunter sind nun auch mehrere Dornacher Freunde, die innerhalb eines sehr kurzen Zeitfensters dem Ruf aus dem Jenseits gefolgt sind. Zwischen November 2021 und März 2022 verließ uns eine ganze Schar von Kollegen, Kolleginnen und Freunden aus dem Bereich der Goetheanum-Bühne, die sich jahrelang dem Dienst am Wort, besonders in seiner künstlerischen Form, in aller Liebe gewidmet haben. Die geistige Realität, so wie sie in Wort und Sprache lebt, zur Offenbarung zu bringen, sie lebendig zu halten, ist ihr besonderes Anliegen gewesen, welches sie in die geistige Heimat mitgenommen haben. Hier sei ihrer gedacht, auch wenn nur mit einem allzu bescheidenen Wort.

Michael Blume (geb. 16.3.1928), be­geis­t­erter Sprachgestalter, Schauspieler und Regisseur von ‹Faust› und ‹Mysteriendramen›, verließ uns am 18. November 2021. Unvergesslich bleibt sein Feuer und seine Ergebenheit an die Dichtkunst und an die spirituelle Wahrheit. Am 25. November folgte ihm seine langjährige Kollegin Ruth Dubach (geb. 3.4.1929), hingebende Dichterin und Darstellerin von ‹Theodora› in den Mysteriendramen Rudolf Steiners, begabt mit einem seltenen Edelsinn in ihrer ganzen Lebensführung. Einige Tage später, am 3. Dezember 2021, ging Michael Galsterer (geb. 8.10.1941), der langjährige, treue Nachtwächter vom Goetheanum, durch die Todespforte. Alle Ensemblemitglieder kannten ihn gut, da sein ernsthaft-freundliches Erscheinen am Spätabend den Abschluss aller Aktivitäten einleitete und den Beginn der Nachtruhe für den Bau signalisierte. Die Sprachgestalterin Ursula Pusterer (geb. 22.1.1935), langjährige, jugendhaft lebhafte Darstellerin der ‹Philia› in den Mysteriendramen, ging am 7. Dezember über die Todesschwelle. Am 20. Dezember verließ auch Rosemarie Kaufmann-Schmid (geb. 28.2.1940), Eurythmistin und Waldorflehrerin, die als Erste die Kontakte im Russland der Sowjetzeit verwirklichte, ihre Erdenhülle. Sie war es, die auf ihre Weise den Eisernen Vorhang des Kalten Krieges öffnete. Am 7. Januar 2022 ging dann Sophia Walsh (geb. 23.3.1930) in die geistige Heimat zurück, nachdem sie jahrzehntelang, zuerst auf der Goetheanum-Bühne und dann jahrelang im Ausland, der Sprachkunst in ihrer ichhaften Art gedient hat. Eine andere Koryphäe und tragendes Mitglied des Eurythmieensembles, Sieglinde Lehnhardt (geb. 20.10.1937), welche die zahlreichen künstlerischen Aufgaben eindrücklich bewältigte und einen großen Sinn für die dramatisch geartete Eurythmie besaß, ging am 25. Januar 2022 durch ihre Krankheit in die geistige Heimat. Wenn man weiß, was eine Säule einem Raum ist, dann erlebte man das auch an ihrem ganzen Wirken für die Bühne. Wenige Tage später, am 13. Februar, nach sechsjährigem Kampf mit seiner schweren Krankheit, ging auch Klaus Frank (geb. 28.5.1958) von uns, fantasievoller Sprachgestalter und Schauspieler, von innigsten Gedanken an die Arbeit um und an der Sprache getragen. Nur einen Tag später trat auch Felix von Allmen (geb. 14.5.1951), uns im sprachgestalterischen Strom verbundener Freund, nach seiner schweren Krankheit durch die Todespforte. Und am 1. März tat dies Michaela Birker (geb. 30.3.1933). Sie war eine still tragende, langjährige Mitarbeiterin des Goetheanum, die sich Schreinereiarbeiten widmete und in engem Kontakt zur Bühne stand.

Sie sind nun mit einem Geistimpuls versehen, der mit dem Wort und seiner Geistobjektivität innig verbunden ist, im nächsthöheren Plan. Wir können denken und hoffen, dass diese Seelen im Ringen mit dem Unwort der Gegenwart, das jenseits der Schwelle seinen Ursprung hat, ihren aktiven Beitrag leisten werden. Denn unsere Zivilisation droht aus den Fugen zu geraten und bedarf der Hilfe der Verstorbenen, die ihr ihre gereiften Kräfte und Bewusstseinsstärke zuströmen lassen können.


Foto: Thea

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