Buchvorstellung von Daniel Häni, Phillip Kovce:"Was fehlt wenn alles da ist?" Lesung, Gespräch, Kontroverse in der Johannes Kirche in Bochum am 27.10.2015

Ich schaue in die Welt

Philip Kovce hat jüngst ein kleines Buch vorgelegt, das 54 Wochenschrift-Kolumnen aus einem Jahrsiebt (2013–2020) versammelt. 54 Mal ist es ein Griff in die Zeit, der zugleich über die Gegenwart hinausragt und etwas ganz Allgemeines unserer Existenz beleuchtet.


Das gelingt ihm, weil er virtuos mit der Sprache umzugehen vermag. Selbst vertraute Gedanken werden zu neuen Einsichten, weil die Formulierungen, mit denen Philip Kovce nach den Gedanken greift, frisch geschöpft sind. Drei Fragen zu seiner Schreibküche:

Philip Kovce, Foto: Michael von der Lohe

Bei kurzen Reflexionen zur Gegenwart – wie findest du den passenden Gedanken?

Ich muss mich in Geduld üben, Erfah­rungen ernst nehmen und Gelegenheiten beim Schopf packen. Dann lassen sich Gedanken finden, die aus der Vergangenheit schöpfen, in die Zukunft weisen – und genau deshalb auf die Gegenwart zielen. Mir geht es in Sachen Gegenwart weniger um Tagesaktualität als um Geistesgegenwart. Ein guter Text, so mein Eindruck, ist stets mehr als Reflexion. Er ist nicht bloß Nachvollzug, sondern Vollzug. Er schafft Geistesgegenwart.

Urteilsfähigkeit wird häufig infrage gestellt – wie machst du dich urteilsfähig?

Urteilsfähigkeit hat für mich etwas mit Anmaßung zu tun: Ich maße mir an, davon auszugehen, dass es nichts gibt, was mich nichts angeht. Viele fühlen sich heute für vieles nicht zuständig. Und das ist ja nicht mal ganz falsch: Viele wissen einfach vieles besser als ich. Zum Glück! Nur: Kein anderer – keine Statistik, keine Expertenkommission, kein Eingeweihter – steht an meiner Stelle im Leben. Ich allein kann von mir aus gesehen urteilen. Zum Glück! Demut vor dem Wissen anderer und Mut zum eigenen Urteil – auf beides ist die Welt angewiesen.

Denkst du beim Schreiben oder schreibst du deine Gedanken auf. Wie verhalten sich Sprache und Denken bei dir?

Bestenfalls denke ich vor, während und nach dem Schreiben. Das heißt, dass ich nicht gedankenlos an einen Text gehe, aber auch, dass ich mich vom Schreiben immer wieder gedanklich überraschen lasse. Und schließlich heißt das, dass mir später so manches Ungesagte und Unbedachte an einem Text auffällt. Nicht selten sind genau das dann die Samen, die neue Texte, neue Schreib- und Denkfrüchte hervorbringen.


Buch Philip Kovce, Ich schaue in die Welt. Einsichten und Aussichten. 140 Seiten, 14 Euro, Verlag am Goetheanum, Dornach 2020.

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