Ich bin es selbst

Philipp Reubke, Verantwortlicher der Pädagogischen Sektion, hält zur Frage, was unter den erschwerten Bedingungen der Corona-Beschränkungen in Kindergarten und Schule wesentlich sei, online eine kurze Ansprache.


Er erzählt von einem Waldspaziergang seiner Kindergartengruppe, der plötzlich über eine schmale Brücke ohne Geländer führte. Was tut man? Zuerst einmal Ruhe bewahren. Die Lage einschätzen und mit vertrauten Mitteln meistern. Also sangen sie ein Lied, das zum Gänsemarsch einlädt, und überquerten so die Brücke. Sollten die Entscheidungsträger in der Coronakrise nicht so handeln? Mit Ruhe, Optimismus, gründlicher Prüfung und bekannten Mitteln Wege finden? Reubke erinnert an die mediale Panikmache, an häufige Meinungsverschiedenheiten in der Bereitschaft, sich an die Regeln zu halten. Dann zitiert er Rudolf Steiner in ‹Die Erziehungsfrage als soziale Frage›. Dort habe Steiner das Erziehungsideal der Waldorfschule beschrieben: Vor allem komme es darauf an, zu Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit zu erziehen. Das dürfe nicht theoretisch sein, sondern müsse sich tief und früh im Kind verankern: Den Drang zur Freiheit lerne man durch Nachahmung in der frühen Kindheit, den Respekt vor der Gleichheit aller in der Unterstufe, wenn eine geliebte Autorität da sei, und die Motivation zur Brüderlichkeit gewinne man in der Jugend, wenn man Begeisterung für eine menschenwürdige Welt pflege. Das klingt paradox. Wenn Erziehung aber umgekehrt bedeuten würde, dass man sich den Regeln zu unterwerfen lerne, dann könne das nicht zu Freiheit, Respekt vor Gleichheit oder zu Brüderlichkeit führen. Nachahmung heißt, so Reubke: Ich bin es selbst, der sich von der Kultur inspirieren lässt und frei übt, ohne Zwang. Auf eine geliebte Autorität zu hören, heiße, gern darauf zu verzichten, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen, weil man auf den geliebten Lehrer oder die geliebte Lehrerin hört. Mich für eine menschenwürdige Welt zu engagieren, bedeute doch, die eigenen Fähigkeiten aufgrund eines Ideals zu entwickeln, durch meine Liebe zur Welt. All das, so Reubke, lasse sich nur verwirklichen, wenn man als Erwachsener die innere Ruhe kultiviere, Zuversicht, Humor und Freude in sich trage. Das sind die unverzichtbaren Werkzeuge der Pädagogik.


Vortrag online unter: Pädagogische Sektion

Bild: Philipp Reubke, Foto: Wolfgang Held

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