Einen Schuldigen suchen

Es ist, als ob die negativen Kommentare über Anthroposophie mit den Infektionszahlen zusammenlaufen.


Jetzt, da die vierte Welle Höchststände erreicht, machen Zeitungen Anthroposophie als Schuldige für die geringe Impfrate aus. Die mediale Welle begann mit Applaus von ungewünschter Seite. Das rechtsnationale Magazin ‹Compact online› nahm am 9. und 11. November Rudolf Steiner für sich ein. Dann folgten von ‹Financal Times› und vom Auslandressortleiter des ‹Spiegel› Mathieu von Rohr Artikel, die feststellten, dass in Westeuropa die deutschsprachigen Länder die geringste Impfrate besitzen. Ralf Fücks, Zentrum für liberale Moderne, bezeichnet per Twitter Anthroposophie als eine Spielart antimoderner Grundströmung. Von Tobias Rapp, einem ehemaligen Waldorfschüler, folgt im ‹Spiegel› der Artikel ‹In Steiners Sekte›, der mit wenig journalistischer Sorgfalt behauptet, an Waldorfschulen würden Krankheiten verharmlost. Im Podcast nennt er Rudolf Steiner einen ‹Irren›. Moderater, aber ohne Belege, spricht der Basler Soziologe Oliver Nachtwey im ‹Deutschlandfunk› ebenfalls von der Gleichung: tiefe Impfrate = hoher Anteil an Anthroposophie. Es gibt auch andere Stimmen, wie die des Chefredakteurs von ‹t-online›, Florian Harms, der – selbst Waldorfschüler – beschreibt, dass die tiefe Impfrate in Deutschland viele Gründe habe. Das betont auch Michael Blume von der Stuttgarter Landesregierung in einem Vortrag in Karlsruhe. Erfreulich: Unter dem Titel ‹Impfskepsis: Sind Anthroposophen mitschuldig?› befragte das zdf Stefan Schmidt-Troschke vom Dachverband Anthroposophische Medizin in Deutschland zu den Vorwürfen. Er betont, dass keine empirischen Daten bekannt wären, nach denen in der anthroposophischen Bewegung überdurchschnittliches Bedenken beim Impfen vorliege, und fügt an, dass Steiner nicht grundsätzlich gegen Impfen eingestellt gewesen sei. Rudolf Steiner: «Denn das fanatische Sichstellen gegen diese Dinge ist dasjenige, was ich, nicht aus medizinischen, aber aus allgemein anthroposophischen Gründen, ganz und gar nicht empfehlen würde.»


Foto: Manuel Nageli

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