Ein großer Schritt voran

Lange hat es gedauert, fast ein halbes Jahrhundert, doch nun hat sich die UN- Staatengemeinschaft auf ein Abkommen zum Schutz der Weltmeere geeinigt.


Die Weltmeere bedecken etwa 70 Prozent der Oberfläche unserer Erde und umfassen küstennahe und küstenferne Gebiete, die Hochsee. Sie ist der größte recht einheitliche Lebensraum der Biosphäre, der sich von der Meeresoberfläche bis in die Tiefsee in 11 000 Metern erstreckt, mit einer mittleren Tiefe von etwa 3700 Metern. Die Hochsee umfasst zwei Drittel der Weltmeere und damit mehr als 40 Prozent der Biosphäre der gesamten Erde. Dieser Lebensraum birgt eine noch überraschend wenig bekannte Artenvielfalt von einzelligen Mikroorganismen über Würmer, Stachelhäuter wie zum Beispiel Seegurken und Seesterne bis zu den Fischen und Meeressäugern wie den Walen, sowohl in der Wassersäule als auch auf dem Meeresboden, insbesondere in der Tiefsee. Die mikroskopisch kleinen Algen in den durchlichteten oberflächennahen Schichten, das Phytoplankton, tragen zur Hälfte des gesamten durch die Vegetation gebildeten Sauerstoffs bei. Also atmen wir rein statistisch mit jedem zweiten Atemzug durch das Phytoplankton gebildeten und für uns lebensspendenden Sauerstoff ein. Bestimmte Gebiete der Weltmeere sind zudem für die Fischerei höchst attraktiv; ebenso bergen der Meeresboden, die Sedimente und Gesteine darunter große Vorkommen von seltenen und begehrten Metallen wie Mangan, Zink und Nickel und Vorkommen von Gas und Erdöl. Insbesondere die Tiefsee ist allerdings bisher weniger erforscht als die von der Erde abgewandte Seite des Mondes.

Der allergrößte Teil der Hochsee liegt außerhalb der nationalen Ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ). Er gehört faktisch allen Menschen auf der Erde in gleicher Weise und kann bisher für alle Nationen ohne irgendwelche Regelungen erforscht, befischt oder im Hinblick auf andere Ressourcen wie Bodenschätze, aber auch genetische Information aus ganz unterschiedlichen Organismen für zum Beispiel biotechnologische Anwendungen ausgebeutet werden. Diese Situation wird insbesondere von den großen Industrienationen und von global operierenden Firmen genutzt. Kleinere Länder ohne entsprechende wirtschaftliche und finanzielle Voraussetzungen haben das Nachsehen. Zudem hat die Hochsee bei der Klimaerwärmung als Speicher für Wärme und CO₂ mit den Folgen der Versauerung, der Erwärmung und der dadurch veränderten Meeresströmungen und Lebensräume eine besondere Bedeutung. Die Hochsee ist seit Urzeiten ein bedeutendes Regulativ für die Aufrechterhaltung der Temperatur-Homöostase des Erdorganismus.

Daher ist das am 4. März durch die fünfte Staatenkonferenz der UNO verabschiedete Abkommen zum Schutz der Hochsee ein sehr erfreuliches, ja historisches Ereignis. Nach über 18 Jahren mit zum Teil zähen Verhandlungsrunden werden erstmals Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die genannten Aktivitäten in der Hochsee transparent und wirtschaftlich schwache Länder an der Erforschung und Nutzung der genetischen Ressourcen beteiligt und verbindliche Regeln zum Einrichten von Meeresschutzgebieten festgesetzt werden. Insbesondere der letzte Punkt ist von enormer Bedeutung. Denn Schutzgebiete sind für viele bedrohte Arten und Lebensräume überlebenswichtig und dienen nicht nur zu deren lokalem Schutz, sondern ermöglichen auch das Aus- oder Wiederausbreiten in andere nicht unter Schutz stehende Gebiete. Wenn das Abkommen in Kraft tritt, können keine wissenschaftlichen, unternehmerischen und staatlichen Aktivitäten mit Umweltrelevanz mehr in der Hochsee durchgeführt werden, ohne dass die beabsichtigten Tätigkeiten und erzielten Ergebnisse bekannt gegeben werden. Eine noch einzurichtende Institution muss zudem darüber entscheiden, inwieweit beabsichtigte und möglicherweise die Meeresumwelt schädigende Tätigkeiten, zum Beispiel bei der geologischen Erkundung der Tiefsee, durchgeführt werden dürfen, mit Ausgleichsmaßnahmen kompensiert oder sogar untersagt werden müssen. Das Abkommen ist ein Meilenstein dafür, dass das Ziel des globalen Naturschutzabkommens, das auf dem Weltnaturgipfel in Montreal im vergangenen Dezember beschlossen wurde, erreicht wird, nämlich 30 Prozent der Land- und Meeresgebiete bis 2030 unter Schutz zu stellen.

Das Hochseeschutzabkommen ist auch deshalb von großer Bedeutung und ein neuer Schritt bei solchen Abkommen, weil in den noch zu etablierenden Gremien Entscheidungen mit Mehrheiten getroffen werden und kein Staat Vetorecht erhält. Bei früheren Abkommen mit ähnlicher Intention, zum Beispiel beim bereits 1959 beschlossenen Vertrag zum Schutz der Antarktis, müssen alle Beschlüsse einstimmig gefasst werden. So gab es in den letzten Jahrzehnten in der Antarktis keinen Fortschritt bei der Ausweisung von neuen Schutzgebieten, denn einzelne Staaten hatten entsprechenden Vorschlägen nicht zugestimmt. Dieser Fehler eines Vetorechts konnte bei dem Hochseeschutzabkommen vermieden werden. In dem Abkommen ist auch vorgesehen, dass wirtschaftsschwächere Länder, vor allem aus der Südhemisphäre, von den reicheren Ländern Ausgleichszahlungen erhalten für die Forschung und die Nutzung der Erkenntnisse für verschiedenste Anwendungen. Gerade dieser Punkt ist für die wirtschaftsschwächeren Länder von großer Bedeutung. Bevor das Abkommen in Kraft treten kann, muss es nach einigen weiteren rechtlichen Prüfungen durch die beteiligten Staaten ratifiziert werden. Zudem müssen dann die im Abkommen vorgesehenen Gremien zur Erfüllung der Transparenz und des Interessenausgleichs der Unterzeichnerstaaten eingerichtet werden. Man kann hoffen, dass dies zügig passiert, damit die vielversprechenden Intentionen des Abkommens rasch umgesetzt werden können.

Es erscheint als ein sehr hoffnungsvolles Zeichen, dass die Weltgemeinschaft der Länder mit diesem Abkommen ihre Verantwortung für ein so großes Gebiet der Biosphäre wahrnehmen will. Das gilt umso mehr in der gegenwärtigen Zeit, die von politischen, sozialen, das globale Klima und die Artenvielfalt betreffenden Krisen gekennzeichnet ist. Gerade im Zeitalter der Bewusstseinsseele müssen wir Menschen die Verantwortung für all unser Tun und dessen Folgen für die gesamte Biosphäre tragen, auch für die für viele Menschen außerhalb des Bewusstseinshorizontes liegende Hochsee. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Hoffnungen auch tatsächlich erfüllen.


Referenzen
BBNJ
UN einigt sich auf globalen Ozeanvertrag
Historischer Durchbruch für den Schutz der Weltmeere
Science Photo Gallery

Foto Meinhard Simmon

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