Der Held im Tigerfell

Im August fand die lang erwartete Tagung der georgischen Jugendvereinigung Parzival statt. Inspiriert von dortigen Liedern und Mythen, reflektiert Nathaniel Williams in seinem Bericht über den in den Tagungsvorträgen anklingenden Gedanken zur sozialen Dreigliederung.


Bei meiner Ankunft am Goetheanum im Januar konnte ich meinen Kontakt mit den Mitgliedern der georgischen Jugendvereinigung Parzival erneuern. Ich hatte sie vor ein paar Jahren bei einem der internationalen Netzwerktreffen der Jugendsektion kennengelernt. Ich erinnere mich an dieses erste Treffen und einige unserer Diskussionen über Hochschulbildung und auch an den radikal anderen Ton, den sie in die Gespräche brachten. Später kontaktierten sie mich mit der Idee einer Jugendtagung, die dann aber wegen offizieller Gesundheitsregeln und Reisebeschränkungen auf unbestimmte Zeit verschoben wurde. Allerdings war die Gruppe unterdessen nicht untätig. Als ich sie im Januar wieder traf, erfuhr ich, dass sie inzwischen eine kleine Waldorfschule in dem georgischen Dorf Matsevani aufgebaut hatten.

In dem Schulgebäude treffen sich Mitglieder freitags zum gemeinsamen Studium. Sie verbringen das Wochenende mit gemeinsamer Arbeit und veranstalten außerschulische Programme für die Kinder im Ort. Diesen Herbst haben sie ein Seminar für junge Menschen eröffnet, die sich für Anthroposophie interessieren.

Bei unserer Zusammenkunft im Januar sprach die Gruppe von ihrer Absicht, die Tagung nun in die Wege zu leiten, und sie fragten, ob die Jugendsektion an diesem Projekt mitarbeiten könnte. Als Ergebnis davon fand vom 9. bis 13. August in Matsevani die internationale Jugendtagung ‹Grundlagen gesunden sozialen Lebens› statt. Hauptgedanke, Thema und Aufbau der Tagung waren schon gründlich vorbereitet, als ich dazukam, da sich die Gruppe seit Jahren damit beschäftigt. Junge Menschen aus aller Welt leiteten Vorträge und Workshops. Der Film ‹Zusammenspiel›1 wurde gezeigt sowie ein weiterer Film über den Aufbau der Schule in Matsevani2, dazu kamen Eurythmie-Übungen, Ausflüge in und um das Dorf und ein Konzert.

Gebäude der Jugendvereinigung Parzival in Matsevani, Georgien, Foto: Charles Cross

Ein Mittelpunkt der Welt

Am Abend des vierten Tages, als alle ihre Plätze draußen für das Konzert einnahmen, war es angenehm kühl nach der extremen Hitze des Tages. Die Hälfte der Versammelten war zu Fuß von ihren Häusern im Dorf herübergekommen. Die anderen waren aus größerer Entfernung zur Tagung angereist. Der Chor, im Halbschatten auf der Veranda stehend und spärlich von hinten beleuchtet, sang Lieder von Liebe und Krieg und alten liturgischen Festen. Wie seit Jahr und Tag erhoben sich die Melodien in der Dämmerung, bewegten und ergriffen die Seele.

Ein paar Kilometer weiter in einem größeren Dorf senkte sich die Nacht über die riesigen Industrieruinen aus der Zeit sowjetischer Kollektivwirtschaft, deren Infrastruktur und gigantische Lagerhäuser jetzt von Pflanzen überwuchert sind: Zeugen sowohl der unaufhaltsamen Kraft der Elemente als auch der Vernachlässigung. In zweifacher Hinsicht versanken diese Ruinen im Schatten – im Schatten der Nacht und im Schatten schwindender Reste von 60 Jahren Kommunismus. In den nahe gelegenen Feldern waren Heugarben aufgerichtet, wie man sie im Westen nur von Gemälden Monets oder Van Goghs kennt. Kühe wanderten durch die Straßen des Ortes, manche beaufsichtigt, andere nicht. Während Dunkelheit die Stadt umhüllte, spielten die letzten Farben der Dämmerung noch um die oft von uralten Kirchen gekrönten Hügel.

Die Gesänge führten uns nach innen und in die Nacht. Sie sprachen von der Suche nach dem Goldenen Vlies, von dem großen Gott – an Felsen gekettet mit entblößter Leber, von der Ankunft des heiligen Nino und der geistigen Strömung des Christentums. All diese Bilder waren in den vorhergehenden Tagen auferstanden und lebten nun zwischen den jungen Menschen unter den Sternen. So viele Sternschnuppen!

Eine Miniatur von Mamuka Tawakalaschwili aus dem Manuskript von Schota Rustaweli’s ‹Recke im Tigerfell›. 15. Jahrhundert, Nationales Zentrum für Manuskripte, Tiflis, Georgien. Fotoquelle: Machavariani, H. & Aleksidze, Z., ‹The Decoration of Georgian Manuscripts›, Tbilissi, 1990

Vier Tage vorher hatte der Dichter Rati Amaglobeli in seinem Eröffnungsvortrag mit dem Titel ‹Georgien und die Anthroposophie› viele dieser Bilder heraufbeschworen. Begonnen hatte er mit einer Geschichte von Schota Rustaweli, die während der Tagung immer wieder aufleuchtete. Sie handelt von dem Ritter im Tigerfell und geht auf ein georgisches Epos aus dem 13. Jahrhundert zurück. Viele von denen, die von weither zu dieser Tagung gekommen waren, hatten noch nie davon gehört, obwohl sie auf dem Schota-Rustaweli-Flughafen in Tiflis gelandet waren.

Amaglobeli breitete Jahrtausende umfassende Bilder wie in einem Panorama aus, um den von fern angereisten jungen Menschen eine Begegnung mit der georgischen Kultur zu ermöglichen. In seiner Präsentation leuchtete etwas von der Qualität auf, die mir Jahre zuvor in meinen Gesprächen mit der Jugendvereinigung und auf früheren Reisen in die Ukraine aufgefallen war. Im Westen ist es nicht mehr ‹in›, von Seele zu sprechen, aber sie eignet sich am besten als Farbe für diese Qualität: Die Seele dachte und die Bilder waren beseelt. Es war, als könnte man nichts denken, ohne dass einem die Ewigkeit über die Schulter blickte. Und da in der Gegenwart des Göttlichen alles mehr Tiefe hat, waren auch die so entwickelten Gedanken tiefer. Dieser Grundton fällt Menschen aus dem Westen vielleicht wegen des Kontrastes auf. Nachdem er Dostojewskis ‹Schuld und Sühne› gelesen hatte, sann Saul Bellow über den unmittelbaren, charismatischen Reiz russischer Literatur nach: «Ihre Konventionen erlauben ihnen, ihren Gefühlen über die Natur und die Menschen frei Ausdruck zu verleihen. Unser Erbe dagegen ist eine beschränkte, zurückhaltende Haltung Gefühlen gegenüber. […] Es fehlt uns die russische Offenheit. Unser Weg ist enger.»3

Zu Beginn der Geschichte ist der Held Awthandil mit seinem König auf der Jagd. Sie werden von einem geheimnisvollen Ritter unterbrochen, der in ein Tigerfell gehüllt und von auffallender Schönheit ist. Awthandil und der König verfolgen ihn mit ihrem Heer von Kriegern und finden ihn wieder: Weinend, von Kummer und Verzweiflung verzehrt, bringt er ihnen keinerlei Interesse entgegen. Mühelos überwältigt er das kleine Heer, das ihm nachgesandt wurde, und verschwindet. Er ist der berühmte Tariel. Awthandil zieht aus, um herauszufinden, wer dieser Mann ist. Seine Geliebte kann er nicht heiraten, bevor er dieses Rätsel gelöst hat. So beginnt dieses epische Werk.

In Amaglobelis breitgespannten Darstellungen wird die Jagd zur Suche nach dem Göttlichen, Tariel zum erhabenen Geistessucher. Amaglobeli sieht darin eine keimhafte Form der Anthroposophie, die von der platonisch-spirituellen Orientierung Georgiens geprägt ist und die in seiner Sicht viel vom aristotelischen Einfluss Mitteleuropas und insbesondere der Anthroposophie lernen kann.

Während sich diese Imaginationen unter freiem Himmel entfalteten, wandte sich Amaglobeli der jüngeren Geschichte Georgiens zu. Er sprach über den berühmten georgischen Schriftsteller Konstantin Gamsachurdia (1893–1975), der Vorträge Rudolf Steiners besuchte und in einem Radio-Interview (unter sowjetischer Herrschaft und zu einer Zeit, als solche Interessen zu Verhaftung oder Schlimmerem führen konnten) sagte, dass die Anthroposophie eine seiner wichtigsten Inspirationen sei. Sein Sohn Swiad (1939–1993) sollte während der Sowjetherrschaft einer der bekanntesten Dissidenten in Georgien werden. Zusammen mit dem gleichgesinnten Merab Kostawa gründete er das georgische Helsinki Watch Committee. Diese beiden Freunde, Swiad und Merab, arbeiteten an einer der ersten Übersetzungen von Rudolf Steiners Werk in die georgische Sprache. Sie interessierten sich für den Zusammenhang der Anthroposophie mit den georgischen Mysterien und der georgischen Kultur. Die Briefe, die sie sich gegenseitig schrieben, unterzeichneten sie mit Awthandil und Tariel. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde Swiad Gamsachurdia der erste demokratisch gewählte Präsident Georgiens.

Eine Miniatur aus dem 16.–17. Jhr. zu dem Manuskript von Shota Rustaveli’s
Gedicht ‹Der Recke im Tigerfell›, Gemeinfrei.

An dem ersten Abend, als wir an einem Hügel in Matsevani zusammensaßen, gesellte sich einer von Swiads Söhnen, Konstantin Gamsachurdia, zu Amaglobeli. Er sprach von seinen eigenen Erinnerungen und davon, wie diese großartigen Erzählungen das Leben seines Vaters geprägt hatten. Konstantin hat ausführlich über das Leben seines Vaters geschrieben4 und Teile von dessen wissenschaftlichen Forschungsarbeiten über Rustaweli ins Deutsche übertragen.5 Vor dreißig Jahren wurde die Gamsachurdia-Regierung in einem Putsch gestürzt und Swiad Gamsachurdia wurde kurz danach umgebracht.

In den Worten der Redner dieses Abends war die Gegenwart des russischen Staates spürbar. Zwanzig Prozent von Georgien sind noch von der russischen Armee besetzt. Für viele Menschen im Westen mag diese Besatzung oberflächlich gesehen eine neuere Entwicklung sein, aber für die von weither angereisten Besuchenden dieser Tagung zeichnete sich ein viel älteres und komplexeres Verhältnis ab.

All diese Bilder und Eindrücke begleiteten die Lieder, die die Nacht erfüllten. Einen Moment lang wurde Georgien zum Mittelpunkt der Welt.

Wandlung durch soziale Dreigliederung

Mindestens die Hälfte der jungen Menschen, die an der Tagung teilnahmen, kamen aus Georgien. Für sie waren vielleicht die Gäste, die die Vorträge hielten und Workshops leiteten, das Faszinierendste an dieser Tagung. Das junge Organisationsteam hatte fünf Vorträge für die Tagung vorgesehen, jeder zwei Stunden lang. Sie waren zutiefst interessiert, von der älteren Generation zu lernen, und bemüht, genügend Zeit für diese Vorträge zur Verfügung zu stellen.

Philipp Jacobsen gab einen Beitrag zum Thema ‹Der menschliche Organismus als Modell für eine gesunde Gesellschaft und für die soziale Dreigliederung›. Darin beschrieb er, Rudolf Steiners Hinweisen folgend, die Sicht auf Leib, Physiologie und Psychologie des Menschen als Anregung für eine entsprechende dreigliedrige Betrachtung des sozialen Lebens.

Vova Khvitia, ein gebürtiger Georgier, hielt einen Vortrag mit dem Titel ‹Geschichtlicher Vorblick auf soziale Formen›, in dem er das Publikum durch Geschichten und Imaginationen der Mysterienzentren und -ereignisse Georgiens, des Westens (Europa) und des Ostens (Asien) führte. Für die Menschen, die aus den USA kamen (und davon gab es einige), war es eine interessante Erfahrung, dass mit Georgien als Mittelpunkt der Welt Amerika nicht einmal erwähnt wurde.

Im Inneren der Kirchenruine auf dem Berggipfel bei Matsevani, Georgien. Foto: Charles Cross

In seinem Vortrag ‹Analyse des gegenwärtigen sozialen Lebens vom Gesichtspunkt sozialer Dreigliederung› beschrieb Gerard Häfner die Entwicklung der deutschen Verfassung. Er erzählte, wie ihm vor Jahren aufgefallen war, dass die darin enthaltenen Hinweise auf das Wahlsystem falsch interpretiert wurden und dass insbesondere eine Stelle es deutschen Wählerinnen und Wählern unmöglich mache, eigene Gesetzesvorschläge zu erarbeiten und verbindlich zur Abstimmung zu bringen. Er ging diesem Verdacht nicht nur nach und fand ihn bestätigt, sondern begründete auch eine Bewegung für direkte Demokratie in Deutschland. Seine Darstellung der von ihm und anderen Gleichgesinnten verfolgten politischen Ziele, ihrer Strategien und ihrer errungenen Erfolgen waren besonders ermutigend. Viele junge Menschen in Georgien waren erst wenige Monate zuvor auf die Straße gegangen, um gegen das geplante ‹Gesetz über ausländische Agenten/Agentinnen› zu protestieren.

Ich war gebeten worden, den letzten Vortrag mit dem Titel ‹Wege zum Wandel durch soziale Dreigliederung› zu halten. Berührt von dem Gesehenen und Gehörten sprach ich von den Bestrebungen, Himmel und Erde zusammenzubringen, von Marx’ Kommunismus, Christentum und assoziativer Wirtschaft.

Das Bild von dem Ritter im Tigerfell, der halb wahnsinnig und von einem tiefen Kummer bedrückt durch die Wildnis irrt, inspirierte mich unerwartet zu einem genaueren Blick auf assoziatives Wirtschaften. Während dieses großartige Bild sich weitete und Jahrhunderte umspannte, wurden die gigantischen Ruinen der Sowjetära kleiner. Es war erstaunlich, Marx’ Experiment so schrumpfen zu sehen. Vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion hatte fast die halbe Weltbevölkerung in einem Staat gelebt, dessen Verfassung von den Ideen von Karl Marx inspiriert war. Sein Einfluss kann nur mit dem bedeutender religiöser Führer verglichen werden, obwohl seine Botschaft ausdrücklich säkular war. Sein Ziel war es, Himmel und Erde durch Überwindung der menschlichen Spiritualität zu vereinen. Er wollte die Erde zum Himmel machen. Er wollte einen menschlichen Geist, der sich mit der Erde vereinigt. Welch seltsame Resonanzen entstehen, wenn man diesen Gedanken mit den christlichen Mysterien zusammendenkt. Auch dort finden wir das Bestreben, Himmel und Erde zu vereinen. Die radikale Herausforderung in diesen Mysterien ist ein Gott, der als Mensch auf der Erde lebte und einen menschlichen Tod erlitt. Die Visionen der verwandelten Erde, des auferstandenen Menschen und der Überwindung des Todes sind prophetische Imaginationen der Einheit von Himmel und Erde.6

In den vorchristlichen Mysterien bieten die Erde und die irdische Persönlichkeit keinen Raum für die Gottheit. Ein beeindruckendes Beispiel dafür sehen wir in der Lehre Buddhas, wo das Menschen-Ich durch das Entsagen von Begehren und Bindungen den göttlichen Zustand erreicht. Diese Spiritualität des Entsagens der Persönlichkeit führt zu einem Element göttlichen Lebens, einem Element der Loslösung, des Nirvana und zum Einswerden mit dem Göttlichen. Dies ist auch die Grundgeste des Platonismus. Eines der eindrücklichsten Bilder in Rustawelis Epos ist das tragische, immerwährende Leiden, das der strebende Tariel in seiner Sehnsucht nach der Geliebten (dem Göttlichen) erfährt. Er irrt in der Wildnis umher, in ein Tigerfell gekleidet, das er jeden Tag zerreißt und beschmutzt und das in der Nacht von einem Diener seiner Geliebten gekämmt, gereinigt und wiederhergestellt wird. Wie bei Platon sind auch in diesem Bild Erde und Menschenleben notwendigerweise Quellen von Illusion und Leid. Der Mensch kann sich weder mit diesem Element verbinden noch sich von ihm befreien. Wie verhalten sich diese Mysterien zum marxistischen Denken? Wie können die Mysterien der Liebe die Erde und die Wirtschaft als grundlegendste Dimension menschlicher Gemeinschaft verwandeln?

Beschriftung über der Tür einer alten Kirche auf dem Berggipfel bei Matsevani, Georgien. Foto: Nathaniel Williams

Sowohl Khvitia als auch Amaglobeli wiesen auf die Bedeutung der europäischen Mysterien für die Zukunft Georgiens hin. Nach Khvitia liegt der Grund dafür in der europäischen Fähigkeit, Spiritualität mit dem praktischen äußeren Leben zu verbinden und so Himmel und Erde zu vereinen. Diese Aufgabe ist auf berührende Weise in dem Nationalökonomischen Kurs reflektiert, den Rudolf Steiner vor hundert Jahren hielt.7 Die dort entwickelte Wirtschaftslehre ist heute vielleicht verständlicher als je zuvor. Er sah die wachsende wirtschaftliche Globalität voraus und entwickelte eine ökonomische Soziologie, die erst jetzt wissenschaftlich bestätigt wird.8 Die heutige Weltwirtschaft hat die Möglichkeit, durch Zusammenarbeit und Assoziation eine besondere solidarische Strömung freizusetzen (jenseits von Nation, Kultur und Religion). Rudolf Steiner sprach von einer bestimmten Art von Liebe, die direkt unter der Oberfläche der heutigen wirtschaftlichen Bedingungen ruht, und davon, wie diese bewusst ergriffen werden können, um so ihr Potenzial für das Gute zu entfalten.

Heute ist das nicht mehr bloße Theorie, sondern eine effektive und eindrückliche Tatsache. Die GLS-Bank ist ein Beispiel dafür, die Bewegung für solidarische Landwirtschaft ein zweites.9 Es gibt große Unternehmens- und Verbraucher-und-Verbraucherinnen-Assoziationen, die sich in der Benefit-Corporation-Bewegung und in B-Lab aktiv für diese Vision des Wirtschaftslebens einsetzen.10 Vielleicht kann durch den Westen das Durchdringen irdischen Lebens mit dieser bestimmten Art von Liebe möglich werden. In der neuen Deutung des Wirtschaftslebens als Frage nach dem Guten, als Ort der Solidarität und Zusammenarbeit, sehen wir heute in den USA das größte Versprechen. Es ist ein Impuls, der auch deutlich in der Freien Schule für Geisteswissenschaft lebt. Er beruht auf einer Soziallehre, die den ‹wahren Preis› sichtbar werden lässt, ein Preis, der durch freiwilligen Richtungswechsel zum Guten führen kann: auf der Grundlage von Assoziation, sowohl in der Produktion als auch im Verbrauch. Es ist weder zentralisierte Wirtschaft noch freier Wettbewerbsmarkt.

Die Frage, wie Geist und Erde zusammenkommen können, eine Frage, die sowohl dem marxistischen Gedanken wie auch den christlichen Mysterien zugrunde liegt, ist eine wichtige Frage, die auch heute viele junge Menschen in sich tragen. Viele werden nicht so darüber sprechen. Ich hätte auch nicht so darüber gesprochen, wenn ich nicht in Georgien gewesen wäre, einem Mittelpunkt der Welt.

Der Vortragsraum der Jugendtagung im Freien. Foto: Nathaniel Williams

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Übersetzung aus dem Amerikanischen von Margot M. Saar

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Footnotes

  1. Filmprojekt Soziale Dreigliederung.
  2. Aufbauprozess des Bildungsraums.
  3. Saul Bellow, Saul Bellow: Letters. Penguin, 2010 XXXIV. Bellow erforschte insbesondere die Beziehung zwischen dem Westen (usa) und Osteuropa. In seinem Buch ‹Mehr noch sterben an gebrochnem Herzen› zeichnet er die ‹Prüfung des Westens› als vollständige Identifikation mit der Persönlichkeit nach und bezieht sich dabei ständig auf die Kultur Osteuropas und Denker wie Solowjew. Solowjew beschrieb bekanntermaßen die Aufgabe des Westens als etwas, das im Osten nicht aufgegriffen worden sei. Dort sei das vollständig Menschliche noch nicht entwickelt und die Spiritualität noch unreif gewesen, jedoch verheißungsvoll für die Zukunft.
  4. Konstantin Gamsachurdia, Swiad Gamsachurdia, Dissident – Präsident – Märtyrer. Perseus-Verlag, 1995.
  5. Swiad Gamsachurdia, Die Bildsprache in Rustawelis ‹Mann im Tigerfell›. 2010.
  6. Rudolf Steiner, Das Christentum als mystische Tatsache und die Mysterien des Altertums. GA 8, Rudolf Steiner Nachlassverwaltung, 1989 (erstmals erschienen 1902).
  7. Rudolf Steiner, Nationalökonomischer Kurs. Aufgaben einer neuen Wirtschaftswissenschaft I. GA 340, Rudolf Steiner Verlag, 2002 (14 Vorträge von 1922).
  8. David Brooks, Opinion. People Are More Generous Than You May Think. The New York Times, August 31, 2023, sec. Opinion.
  9. Trauger Groh und Steven McFadden, Farms of Tomorrow Revisited. Steiner Books, 1998.
  10. B Lab Global Site.

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