Das Bild hängt schief

Der Komiker, Karikaturist und Autor Vicco von Bülow alias Loriot wäre am 12. November hundert Jahre alt geworden – eine Verneigung vor ihm und allen, die den menschlichsten Spiegel geben.


Gefragt, wie man denn mit mit leerem Gerede umgehen soll, rät der französische Komiker Louis de Funès, die Räume, wo so geschwätzt werde, zu verdunkeln, denn mit dem Überwurf einer Decke, hätte sich das bei anderen Vertretern von geistloser Sprache, den Papageien, bewährt. Die Pointe ist auch ein Augenzwinkern für die französische Intellektualität, und somit meint Funès sich hier auch selbst. Er folgt dem Satz, den sein deutscher Kollege Vicco von Bülow, der letzte Woche hundert Jahre alt geworden wäre, so formuliert: «Wer glaubt, Humor bestehe darin, sich über andere Leute lustig zu machen, hat den Humor nicht verstanden. Um komisch zu sein, muss man vor allem sich selber zur Disposition stellen.» Deshalb, so ein Biograf des großen Humoristen, sei sein Witz nie verletzend, sondern decke die menschliche Verletzlichkeit auf. Es gehört wohl zum Glück eines Landes, Volkes, wenn aus seinen Reihen jemand solch humorvolle Spiegel der landestypischen Eigentümlichkeit aufzustellen vermag. Emil Steinberger, der schweizerische Humorist, hat die Verschwiegenheit seiner Landsleute im Blick, wenn er sinniert: «Lügen kann man beichten, die Wahrheit muss man für sich behalten.» Ganz anders der britische Komiker Rowan Atkinson, der als Mr. Bean in tausend Episoden das exzentrische Flair seiner Landsleute porträtiert. So zum Beispiel als Hotelgast, der im Zimmer angekommen, Vorhangstangen und Bilderrahmen aus dem Koffer packt und an die Wände dübelt, um sich heimisch zu fühlen. Dabei erzittert das ganze Hotel von seiner Schlagbohrmaschine. Vicco von Bülow, Loriot, geht als Gast in einem Zimmer anders vor und zeigt, was deutsche Ordnungsliebe ist. In einem opulent eingerichteten Wohnzimmer fällt ihm ein einzelnes, schief hängendes Bild ins Auge. Er will es zurechtrücken und die Katastrophe nimmt ihren Lauf. «Komisch ist alles, was scheitert», erklärt von Bülow sein Werk. «Komik entsteht meist da, wo Würde misslingt, wo beabsichtigter Ernst aus menschlichen Gründen in sein Gegenteil umschlägt», fügt er an und gibt dabei wie alle Erfinder und Erfinderinnen von Witz und Humor uns, die wir wie der Bildzurechtrücker stolpern und straucheln, die Würde zurück.


Bild Stern von Loriot am Potzdamer Platz in Berlin. Foto: Wikimedia/Thomas Schmidt (netAction)/ CC BY 3.0

Print Friendly, PDF & Email

Letzte Kommentare