Christian Rosenkreuz im Orient

Ein Versuch der Zusammenschau aus der Forschung über seine Reise in die orientalischen spirituellen Zentren des 14. und 15. Jahrhunderts.


Meine Grundlage geht auf die beiden Rosenkreuzer-Schriften, die ‹Fama Fraternitatis› (Fama) und die ‹Confessio Fraternitatis› (Confessio) zurück, die Johann Valentin Andreae der Publikation der ‹Chymischen Hochzeit› 1516 vorangehen ließ.1 Rudolf Steiner sagt über Andreae: «Ein ganz junger Mensch gibt seine Hand einer geistigen Wesenheit, die niederschreibt so etwas wie die Chymische Hochzeit.» Er nennt das Buch auch eine «spirituelle Offenbarung», eine aus der «Intuition verfasste Schrift».2 Im Folgenden gehe ich davon aus, dass die ‹Fama›, die aus der Biografie von Christian Rosenkreuz erzählt, aus der gleichen ‹Quelle› stammte.

Die Reise

Als ein älterer Mönchsbruder zum Heiligen Grab pilgern will, bettelt Christian Rosenkreuz darum, ihn begleiten zu dürfen. Seine Oberen wehren sich anfänglich, aber dann geben sie nach. Auf der Reise wird der Mönchsbruder krank und stirbt in Zypern. Statt zurückzukehren, setzt Christian Rosenkreuz die Reise fort. Nur beschließt er, zunächst nicht nach Jerusalem, sondern nach Damaskus zu gehen, um danach das Heilige Grab zu besuchen. Kurz vor den Toren der Stadt hat er ein ähnliches Christus-Erlebnis wie Saulus, der daraufhin zum Paulus wurde. Christian Rosenkreuz kommt erschüttert und krank nach Damaskus und wird dort von gelehrten Ärzten betreut. Diese staunen über seine heilkundlichen Kenntnisse und führen intensive Gespräche mit ihm. So kommen sie auf die ‹Weisen von Damcar› zu sprechen und Christian Rosenkreuz spürt, wie in ihm das hohe und edle Ingenium3 geweckt wird. Intuitiv weiß er, dass er dort finden wird, was er sucht. Christian Rosenkreuz bittet um eine Begleitung, und so reitet er in Gesellschaft nach Damcar im heutigen Jemen. Als sie dort ankommen, wird er zu seiner Überraschung von den dort lebenden Weisen als ein lang Erwarteter begrüßt.

Damcar oder Dhamar

Diesen geheimnisvollen Ort Damcar kann man nicht auf der Landkarte finden. Wohl aber Dhamar. Forscht man nach der Geschichte dieses Ortes, entdeckt man bald, dass sich mit ihm eine alte spirituelle Tradition verbindet, die ihre Wurzel in den Steinkreisen und der Sternenverehrung des altarabischen Nedschd4 hat. Der Jemen wurde Arabia Felix genannt. Es bezeichnet auch das Reich der Königin von Saba. Die dort gefundene Stele mit einer Mondensichel-Schale, die eine Sonne trägt, ist symptomatisch für die Spiritualität des Ortes. Zur Zeit von Christian Rosenkreuz’ Besuch, um die Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert, war Dhamar der Mittelpunkt neuer gesellschaftlicher Ansätze im Vorderen Orient. So könnte man vermuten, dass Dhamar ein neues Zentrum bildete, wo überlieferte Weisheit und Ansätze zur modernen Wissenschaft zusammenkamen. Die Universität vom heute im Bürgerkrieg arg zerstörten Dhamar trägt den Namen Thamar. Das ist der semitische Name für die königliche Dattelpalme (Phönix dactylifera), und so schafft man eine Brücke zu den Mythen der alten persischen Mysterien, denn Ormuzd hatte die Dattelpalme zum Lebensbaum5 gemacht, durch den die Toten dereinst das Leben erhalten, was schon auf einen Ort von überlieferten Mysterien hinweist.

Das neue Zentrum im Vorderen Orient

Der Vordere Orient hatte immer schon eine von Kriegen und Machtkämpfen beherrschte Geschichte. Bereits vor Christian Rosenkreuz’ Zeiten wurde der Norden, also Syrien sowie Teile von Anatolien und Persien, von den Mongolen, die mit der Zeit den Islam annahmen, erobert und besetzt.

Ebenso hatte Ägypten eine wechselhafte Geschichte hinter sich. Nachdem die ismailitische Herrschaft der Fatimiden von dem seldschukischen Heerführer und späteren Herrscher Saladin abgelöst wurde, überzogen die Mamluken die Mittelmeerküste und Teile der Küste des Roten Meeres mit Intrigen, Mord und Krieg. Sie hatten nicht nur die Lateiner aus dem Morgenland vertrieben, sondern auch die spirituellen Traditionen ihrer eroberten Gebiete. Da zu Christian Rosenkreuz’ Zeiten nur der größte Teil des südlichen Arabiens und Jemen frei von Besatzung waren, gewinnt Dhamar eine neue Bedeutung.

Geht man näher darauf ein, wer von den Mongolen und wer von den Mamluken nach Dhamar vertrieben wurde, so kommt man auf eine Konzentration von vier großen Strömen, die sich in Dhamar sammelten. Erstens der Strom aus den Folgen des Kulturaustausches auf der Seidenstraße. Zweitens die Überlieferungen der Perser. Drittens kamen hier auch die von Justitianus mit der Schließung der neuplatonischen Philosophenschule in Athen exilierten christlichen Gelehrten an, die in Nordsyrien und dann in Gondi Shapur, im heutigen Westiran, in der berühmten Akademie Aufnahme fanden. Als vierten Strom haben wir die Überlieferung des alten Ägyptens, die sich in die Alchemie verwandelt hat.

Rembrandt, Mann mit Kette, Radierung 1641

1. Die Seidenstraße

Untersucht man die Geschichte der Seidenstraße, die seit dem ersten vorchristlichen Jahrhundert einen wichtigen Kommunikationsweg zwischen China, Indien und dem Vorderen Orient darstellte, so kann man sich vorstellen, wie die Karawansereien entlang der Handelsroute nicht nur Übernachtungsmöglichkeiten boten, sondern abends den Besuchern die Gelegenheit zum regen Austausch. Religiöser Fanatismus wäre hier fehl am Platz gewesen, denn der hin- und herströmende Kulturaustausch beruhte gerade darauf, dass man für alle Denk- und Glaubensrichtungen offen war. So hatten sich der Konfuzianismus wie der Taoismus ebenso auf den Weg gemacht wie der Buddhismus und in umgekehrter Richtung der Manichäismus, von dem die bedeutendsten Reste im Westen Chinas gefunden wurden. Das Ende der Seidenstraße mündete in Palmyra, im heutigen Syrien, einem der wichtigsten Verteilerzentren der mittelalterlichen Welt.

2. Persische Überlieferungen

Persien war die Heimat des großen Zarathustra der persischen Kulturepoche. Dieser sei nicht zu verwechseln mit dem historischen Zarathas, der im 6. Jahrhundert vor Christus lebte. In den ersten nachchristlichen Jahrhunderten bildete die zarathustrische Licht-Finsternis-Lehre den religiösen Kern des Sassanidenreiches, bis sie von den islamischen Eroberern abgelöst wurden.

Der Islam trat seinen Siegeszug im 7. Jahrhundert an, aber unmittelbar nach Mohammeds Tod im Jahr 632 spaltete sich der Islam in zwei Richtungen, in die mehr esoterisch geneigten Schiiten und die mehr weltlich ausgerichteten Sunniten. Die Schiiten hielten sich an einen Imam als Vermittler zum Göttlichen. Aus der Imam-Verehrung gingen die Ismaeliten hervor, die sich ab dem 9./10. Jahrhundert in Nordafrika und Ägypten niederließen und das Fatamidenreich gründeten. Andererseits gab es seit dem 9. Jahrhundert Ismaeliten, die sich für anderthalb Jahrhunderte ‹zurückzogen›, um alles zu sammeln, was die Welt an Weisheitsüberlieferungen hervorgebracht hatte. Diese Sammlung bildete eine Art Enzyklopädie namens ‹Ikhwan al Safa›.

Im heutigen Südanatolien oder Syrien gab es Zentren wie Edessa und Harran, die zwar unter dem Schirm des Islams lebten, in denen aber solche Formen der alten Überlieferungen gepflegt wurden. Bei näherer Untersuchung spürt man, wie die alten, vor allem persisch geprägten Traditionen wieder erblühten. Aber sie wurden ergänzt durch den Neuplatonismus und die jüdische Mystik. So entstand hier ein Ort, wo man die Wege, die zurück ins Göttliche führten, erarbeiten konnte. Die Details dieses Weges zu übersinnlichen Erfahrungen kann man in den Schriften des Philosophen Suhrawardi6 studieren.

Durch die mongolischen Eroberungen im 12. und 13. Jahrhundert wurden solche Zentren zerstört und das spirituelle Leben ins Exil vertrieben. Wo hätten sie hingehen sollen? Es gab nur ein von ewigen Kriegen freies Land, das war Arabia Felix. Dhamar lag auf der Hand.

3. Gondi Shapur

Es wurde schon erwähnt, wie die Exilgriechen nach Syrien ins Exil gingen, denn überall im Morgenland gab es freiere christliche Gemeinden, also solche, die weder orthodox noch an Rom gebunden waren, wo sie Aufnahme fanden. Es waren vor allem die Aristoteliker und Wissenschaftler, die von der im 3. Jahrhundert gegründeten Akademie von Gondi Shapur angezogen wurden. Hier hatte sich ein Weisheitszentrum gebildet, wo die alte Mysterienmedizin und ihre medizinischen Kenntnisse in eine medizinische Praxis mit Hospitälern umgewandelt wurde. Daraus entwickelte sich zur Zeit der Abbassiden-Kalifen die hohe Kunst der Chirurgie und das Gesundheitssystem der Krankenhäuser mit ihrer gesundheitlichen Fürsorge. Mit der gleichen umsichtigen Zuwendung zur sinnlichen Handhabung ergaben sich auch andere Bereiche, wie die Pharmazie und die Agrikultur. Mathematik und Astronomie unterstützten das wissenschaftliche Bestreben.

4. Die Alchemie

Die Wandlung von der ägyptischen Mysterienweisheit in die Alchemie kann ich hier nur streifen. Die Kenntnis der vielen Praktiken des Totenkultes deutet schon auf die praktische Interpretation der Handhabung im Einklang mit den Mysterien. Magie gehörte ebenso dazu wie ausgebreitete Kenntnisse der Geheimnisse der Leibbildung, die in dem Bau der Pyramiden und in den Tempeln zum Ausdruck kommt. Der spirituelle Inhalt ging aber im Lauf der Jahrhunderte verloren und es gab nur noch die Überlieferungen der Praktiken. Aus diesen ergibt sich die Alchemie.

Christian Rosenkreuz in Dhamar (Damcar)

Diese vier Ströme trafen in Dhamar zusam­men. So begegnete Christian Rosenkreuz die gesamte Überlieferungsfülle des Orients, die von den Weisen an diesem Ort gepflegt wurde.

Innerhalb kurzer Zeit erlernte Christian Rosenkreuz die arabische Sprache, sodass er das Buch ‹Liber M› ins Lateinische übersetzen konnte. Die ‹Fama› erzählt weiter, dass dies auch der Ort war, an dem er sich in die Physik und die Mathematik einarbeitete. Mit diesen zwei Begriffen kann man zunächst nicht viel anfangen, aber der Hinweis auf das Buch ‹Liber Mundi› (das Buch der Welt) bedeutet etwas ganz Bestimmtes. Dazu sagte Rudolf Steiner: «Die äußere Arbeit hatte den Zweck, das, was hinter der Maja der Materie liegt, zu ergründen. Man wollte die Maja der Materie untersuchen. Dem gesamten Makrokosmos liegt ebenso ein Äther-Makrokosmos, ein Ätherleib zugrunde, wie der Mensch einen Ätherleib hat. Es gibt einen gewissen Grenzübergang von der gröberen zur feineren Substanz. Richten wir unsern Blick auf die Grenze zwischen physischer und ätherischer Substanz.»7

Hier wird mit wenigen Worten auf eine Erneuerung der Naturwissenschaft hingewiesen, denn dadurch, dass Christian Rosenkreuz die unmittelbare Begegnung mit der Christuswesenheit vor Damaskus gehabt hatte, bedeutete dies nicht Physik im heutigen Sinn, sondern die ganze überlieferte Kenntnis der im Physischen wirkenden Gesetzmäßigkeiten. Die Mathematik war nicht Mathematik im heutigen Sinn, sondern die ganze Welt der Zahlengeheimnisse, die unter anderem von den Sternen abgelesen worden waren. Von hier aus ist der Weg nicht weit zum Verständnis dessen, was mit dem Wort Alchemie gemeint war.

Diese Alchemie wurde als Erbe der ägyptischen Mysterien gerne von den arabischen Gelehrten aufgegriffen und erweitert, weil sie für das praktische Leben anwendbar war. Durch Christian Rosenkreuz bekam die Alchemie aber eine veränderte Bedeutung. Sie wurde als Instrument aufgefasst, woran man sich schulen konnte, um ‹im Buche der Natur› lesen zu lernen. Es war das Mittel, um Erkenntnisse über die Wirksamkeit des Göttlichen zu gewinnen, indem man die äußere Erscheinung an den Anfang setzte und nicht die Weiterentwicklung der Überlieferung. Deshalb wurde die Alchemie in der ‹Fama› so eindeutig von den falschen Alchemisten und Goldmachern abgegrenzt. Die Prägung, die Christian Rosenkreuz der Alchemie gab, wird in der ‹Confessio› beschrieben. Rudolf Steiner hat diese Veränderung folgendermaßen dargestellt: «Diese Substanz hellseherisch anzuschauen, war das Bestreben der Rosenkreuzer. Sie sahen die Vorbereitung, die Ausbildung eines solchen Schauens in einer erhöhten Wirksamkeit der moralischen Kräfte der Seele, die dann diese Substanz sichtbar machte. In den moralischen Kräften der Seele erblickten sie die Kraft zu diesem Schauen. Diese Substanz ist von den Rosenkreuzern wirklich geschaut und entdeckt worden. Sie fanden, dass diese Substanz in einer bestimmten Form in der Welt lebt, im Makrokosmos wie auch im Menschen. Draußen in der Welt, außerhalb des Menschen, verehrten sie sie als das große Gewand, als das Kleid des Makrokosmos.»8

Die Sabäische Kultur im 14./15. Jahrhundert

Schauen wir aber auf Dhamar von der anderen Seite, dann hatten die schiitisch ismailitisch geprägten Sabäer9 zur Zeit von Christian Rosenkreuz’ Aufenthalt in Damcar eine blühende Wirtschaft zuwege gebracht. Nicht nur waren sie Meister in den angewandten Wissenschaften geworden, denn sie waren bekannt, als Chemiker, Metallurgen, Ärzte, Ingenieure und Konstrukteure höchst raffinierter Maschinen.10 Sie profilierten sich ebenso mit einer hoch entwickelten Baukunst wie einer umsichtig angelegten Agrikultur. Ihre Fähigkeiten bezüglich der Pferdezucht waren weithin berühmt. Man kann darin eine deutliche Zuwendung zu der äußeren Seite des Lebens sehen. Die Errungenschaften von Gondi Shapur konnten sie einbeziehen, aber diese wurden durch die anderen Traditionen ergänzt.

Offensichtlich nimmt Christian Rosenkreuz auch diese Seite der Kultur auf. Die Fülle seiner Erlebnisse in Dhamar verwandelt er durch seine ‹Christus-Erfahrung›. Der erkennende Mensch wandelt sich, indem er sich erkennend in die Weltengeheimnisse einlebt. Er schult sich, um sich zum Instrument der Forschung umzugestalten, und dadurch nimmt er den Christusimpuls in sich auf. Eine Vorahnung hatte Zosimos von Panopolis im 3. Jahrhundert. In einem Brief schreibt Zosimos: «Wer sich dem großen Werke widmen will, muss sich vor allem der unentbehrlichen Gnade Gottes würdig erweisen, er muss erfüllt sein von Frömmigkeit und guter Gesinnung, muss frei sein von Eigennutz und Habgier, muss stets geneigt sein zu Gebeten und Opfern nach salomonischer Weisheit. Wichtiger noch: Der Alchimist muss fähig sein zu tiefster seelischer Versenkung, und nur um ihrer Göttlichkeit willen darf er die göttliche Kunst betreiben.»11 Dies ist die Haltung, die Paracelsus und auch Goethe einnehmen bei ihren naturwissenschaftlichen Arbeiten, aber auch Rudolf Steiner, wenn er von der Überwindung der empirisch nur auf die Sinneswahrnehmung sich beziehenden naturwissenschaftlichen Denkweise spricht.

Die zweite große Etappe der Reise, Fez

Die Essenz des Rosenkreuzertums arbeitete Christian Rosenkreuz in Dhamar aus. Dann machte er drei Jahre später seinen Weg über Ägypten nach Fez im heutigen Marokko. In Fez gab es die älteste Universität der Welt. Sie wurde im 9. Jahrhundert in Zusammenhang mit der Moschee gegründet und heißt heute ‹Al Qarawiyyin University›. Auch hier war ein Sammlungspunkt der Wissenschaften. Nachdem die Christen Al Andalus bis auf Granada erobert hatten, floh die Wissenschaft nach Fez. Hier lehrten nicht nur berühmte Mystiker und Sufimeister, sondern Fez war auch der Ort, an dem die Wissenschaftler aus der gesamten afrikanischen und islamischen Welt regelmäßig zusammenkamen, um sich über die neuesten Errungenschaften ihrer Forschungen auszutauschen. Es war verpönt, sein Wissen für sich zu behalten, denn der wahre Philosoph betrachtete die Philosophie als Wissenschaft vom Geiste, dem er sich auf Übungswegen näherte. Je mehr Menschen das Wissen um das Göttliche in das Bewusstsein hereinholten, umso fruchtbarer konnte das Leben der Menschen werden.

Die Lehre

Christian Rosenkreuz folgte mit seinem ‹Christus-Erlebnis› in der Seele dem Schulungsweg, wie er in Fez gelehrt wurde: aufsteigend vom Lesen und dann dem Rezitieren des Korans (denn er war Mohammed in der Sprache Allahs diktiert worden) zum disputierenden Verständnis dessen, was die Meister interpretiert hatten. So stieg man auf zur eigenen Erfahrung, zunächst unter der Leitung eines erfahrenen Meisters, und dann, nach vielen Jahren, wurde man in die Selbständigkeit entlassen und es wurde einem die Meisterwürde verliehen.

Erst in den höheren Stufen wurden die anderen Fächer wie Medizin, Astronomie, Physik und Mathematik gelehrt, indem sie auf die islamische Theologie als Erfahrungswissenschaft aufbauten.

Zurück nach Deutschland

Nach zwei Jahren in Fez kehrte Christian Rosenkreuz über Al Andalus nach Europa zurück. Diese Rückreise war aber mit bitteren Enttäuschungen gepflastert, denn er versuchte den Gelehrten seine Errungenschaften zu vermitteln, aber meistens verteidigten sie die kleinen Königreiche ihrer persönlichen Errungenschaften.

Christian Rosenkreuz machte ähnliche Erfahrungen in Frankreich und nahm so seinen Weg zurück nach Deutschland. Dort angekommen, zog er sich fünf Jahre lang in die Einsamkeit zurück. Er gab sich «arbeitsam, hurtig und unverdrossen» seinen Kontemplationen und alchemistischen Experimenten hin. Dann besann er sich seiner Mission, schickte nach seinem ehemaligen, heimatlichen Kloster und bat drei seiner Mitbrüder darum, sich zu ihm zu gesellen.

Damit wurde die Keimzelle der Bruderschaft gegründet. Viele Jahre lang wurden seine Mitbrüder ausgebildet. Es kamen wenige neue hinzu, und als die Zeit reif war, schickte Christian Rosenkreuz sie in die Welt, um als Ärzte tätig zu sein. Nur zwei Brüder blieben bei ihm, sein Schreiber und sein Zeichner.

Zusammenschau

Christian Rosenkreuz wurde 1378 geboren. Mit fünf Jahren gaben ihn seine Eltern in ein Kloster, wo er wohlwollend aufgenommen wurde. Von den Eltern ist nachher nicht mehr die Rede, außer dass er aus einem verarmten deutschen Adelsgeschlecht stammte. Die Reise ins Heilige Land machte er mit einem älteren Klosterbruder. Nachdem dieser auf Zypern gestorben war, setzte er seine Reise allein fort. In der ‹Fama› heißt es, dass er mit 16 auf Reisen ging, also etwa 1394. Rudolf Steiner zufolge war er 28 Jahre alt, als er auf Reisen ging, also etwa im Jahr 1406. Die Zeiten der Reisen großzügig mit berechnet, war er bis ca. 1398 (bzw. 1410) in Dhamcar, bis ca. 1401 (1413) in Fez und dann nach weiteren fünf Jahren ca. 1406 (1418) zurück in Deutschland. Kurz danach wurde die Perspektive entdeckt (1427) und Christian Rosenkreuz erlebte seine chymische Hochzeit 1459, zur gleichen Zeit, als in Florenz die platonische Akademie blühte und Marsilio Ficino das ‹Corpus Hermeticum› auf Anregung von Cosimo de Medici aus dem Griechischen ins Lateinische übersetzte (1463). Christian Rosenkreuz starb 1484 und sein Grab durfte erst 120 Jahre danach geöffnet werden, also 1620. Dort fand man sein ‹Itinerarium und Vitam›, die Grundlagen seiner Lebensbeschreibung, so wie sie in der ‹Fama› mitgeteilt wurden.

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Footnotes

  1. Joh. Valentin Andreae, Fama Fraternitatis (1614), Confessio Fraternitatis (1615) und Chymische Hochzeit: Christiani Rosencreutz. Anno 1459 (1616), wobei das Letztere schon 1604 als Manuskript zirkulierte. Texte herausgegeben von Richard von Dülmen, Stuttgart 1973.
  2. Rudolf Steiner, GA 35 (1965), S. 384 f.
  3. Dieses Wort aus der ‹Fama› bedeutet das Aufwachen seines inneren Wesens, die Früchte seines Damaskus-Erlebnisses im Einklang mit seinem Schicksalswillen.
  4. Sigismund von Gleich, Marksteine der Kulturgeschichte. Stuttgart 1963, S. 141 ff.
  5. Nach einer persischen Legende. Die Dattelpalme als Lebensbaum, Hinweise Gen 2,9 und 1 Kön 6, 29-35 und Ez 40,16-41,26. Die Palme als Verzierung in Zusammenhang mit dem Salomonischen Tempel. Auf den Ikonen der Ostkirchen findet man immer wieder die Dattelpalme als Symbol für den Lebensbaum.
  6. Siehe Henri Corbin, En Islam Iranien. Aspects spirituels et philosophiques. Sohrawardi et les Platoniciens de Perse. Paris 1971.
  7. Rudolf Steiner, GA 130, S. 65.
  8. A. a. O.
  9. Sabbäer wurden auch die Menschen um Harran genannt. Hier sind die Jemeniten aus dem Lande Saba gemeint.
  10. Sigismund von Gleich, a. a. O., S. 146. Siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Rasuliden und https://de.wikipedia.org/wiki/Zaiditen.
  11. Aus dem Brief des Zosimos, zit. auf S. 77. Hans Werner Schütt, Auf der Suche nach dem Stein der Weisen. Die Geschichte der Alchemie. München 2000.

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