Besonderheiten der Bildung geistiger Wahrnehmungsorgane

Anthroposophie besteht nicht darin, zu wiederholen, was andere in der Vergangenheit gesagt haben, ohne es selbst zu erforschen, sondern darin, aus persönlicher Erfahrung, die mit anderen geteilt und von anderen verstanden werden kann, immer wieder neue Perspektiven zu entwickeln. In diesem kurzen Text lenken wir die Aufmerksamkeit auf einige Besonderheiten bei der Bildung übersinnlicher Wahrnehmungsorgane.


Anthroposophische Forschung beruht auf der Entwicklung von seelisch-geistigen Wahrnehmungsorganen. Sie ermöglichen eine Erweiterung des Erfahrungshorizonts auf die seelisch-geistige Dimension der Welt und begründen so die Möglichkeiten einer Geisteswissenschaft.

Einige zu überwindende Täuschungen

Wenn wir über die Organe der geistigen Wahrnehmung sprechen, ist es wichtig, einige der Fehlvorstellungen zu überwinden, die sich natürlicherweise bilden. Da wir an die Wahrnehmung der sinnlichen Welt gewöhnt sind, stellen wir uns die geistige Wahrnehmung ähnlich wie die sinnliche Wahrnehmung vor. Wir stellen uns vor, dass eine neue, ‹objektive› Welt mit Eigenschaften vergleichbar denen der sinnlichen Welt vor dem geistigen Auge erscheinen soll. Diese Vorstellung ist irreführend, denn die geistige Wahrnehmung ist viel subtiler als die Welt der äußeren Objekte und hat ganz andere Eigenschaften. Obwohl sie einen objektiven Charakter hat, entsteht sie aus der inneren Aktivität des Forschers; sie ist das Ergebnis einer kreativen Aktivität des Subjekts, einer Aktivität, die als ‹partizipativ› bezeichnet werden kann. Das Subjekt ‹beteiligt› sich bewusst an ihrer Entstehung. Im Gegensatz dazu werden gewöhnliche Sinneswahrnehmungen von bereits ausgebildeten Organen produziert, sodass sie uns von Anfang an objektiv erscheinen, ohne dass eine besondere Aktivität des Subjekts erforderlich ist. Dieser Unterschied hat zur Folge, dass spirituelle Wahrnehmungen, selbst wenn sie bereits vorhanden sind, leicht übersehen und oft nicht als solche erkannt werden. Denn es wird erwartet, dass die Geisteswahrnehmungen sich wie Sinneswahrnehmungen aufdrängen. Diese Wahrnehmungen sind aber ‹subjektiv-objektiver› Natur, da sie die Subjekt-Objekt-Trennung des gewöhnlichen Bewusstseins überwinden. Sie sind sozusagen das Ergebnis einer Teilnahme des Subjekts am Objekt seiner Aufmerksamkeit und vereinen somit zwei Seiten der Realität, die normalerweise getrennt sind.

Beeinflusst durch die Art und Weise, wie wir gewöhnliche Sinneswahrnehmungen erleben, erwarten wir auch, dass geistige Wahrnehmungen sofort zuverlässig und sicher sind, was jedoch nicht der Fall ist. Die Wahrnehmungen, die von diesen seelisch-geistigen Organen produziert werden, können auch irreführend, unvollständig oder verzerrt sein. Der Grad der Erfahrung und der Reife des Forschers oder der Forscherin spielt hier eine wichtige Rolle, aber niemand ist vor Fehlern und Unzulänglichkeiten gesichert. Auch die spirituelle Wahrnehmung liefert nur einen bestimmten Blickwinkel auf ein Phänomen und ein Fehler kann möglicherweise nicht in der Wahrnehmung selbst, sondern in ihrer Interpretation liegen. Man sollte sich daher bewusst sein, dass Entdeckungen, die von anderen Forschern übermittelt werden, selbst wenn sie von sehr erfahrenen Menschen – wie Rudolf Steiner – stammen, einer weiteren Überprüfung unterzogen werden müssen, um den Kontext, die Perspektive und den Umfang der Gültigkeit zu bestimmen.

Hinzu kommt, dass spirituelle Wahrnehmungen interpretiert, konzeptualisiert und verständlich formuliert werden müssen. Es ist durchaus möglich, Wahrnehmungen zu haben, ohne sie konzeptualisieren oder formulieren zu können. Manchmal ist die Interpretation unvollkommen, während die Wahrnehmung relevant ist. In anderen Fällen ist es die Formulierung, die schwierig wird. All dies muss berücksichtigt werden, wenn man das Themenfeld der spirituellen Wahrnehmungsorgane betrachtet. Wir möchten uns hier auf diese Frage fokussieren, da geistige Wahrnehmungen unserer Einschätzung nach viel weiter verbreitet sind als allgemein angenommen, aber nicht unbedingt unter denen, die behaupten, solche Wahrnehmungen zu haben. Diejenigen, die solche Wahrnehmungen haben, sprechen dies normalerweise nicht offen aus und formulieren ihre Erfahrungen, ohne sich selbst besondere Fähigkeiten zuzuschreiben. Selbstlosigkeit ist ein Merkmal echter spiritueller Suche.

Im Licht des Universellen gebildet

Es gibt Hunderte von Möglichkeiten, die Bildung der Organe der geistigen Wahrnehmung zu beschreiben, und Hunderte von verschiedenen Übungen, um sie zu vollziehen. Die Erfahrung zeigt auch, dass manche Menschen solche Organe entwickeln, ohne Bücher darüber gelesen zu haben. Eine aufmerksame Beobachtung lässt erkennen, dass spirituelle Wahrnehmungen vorhanden sein können, auch wenn die Person sie nicht als solche bezeichnet. Doch was ist dann der zentrale Prozess, der bei der Bildung dieser Organe stattfindet?

Im normalen Leben unterliegt das menschliche Bewusstsein zwei unbewussten Tendenzen. Gegenüber der Außenwelt neigt der Mensch dazu, eine Subjekt-Objekt-Spaltung herzustellen, die ihm diese äußere Welt als ‹objektiv›, als völlig getrennt von ihm erscheinen lässt. Dies ist eine Tendenz zur ‹Nicht-Teilnahme›, die mit der Entwicklung des modernen wissenschaftlichen Bewusstseins verbunden ist. Dem Menschen erscheint die Welt um ihn herum als gewissermaßen fremd und in eine unendliche Anzahl von zufälligen Ereignissen zersplittert. Die andere unbewusste Tendenz zeigt sich im Hinblick auf das Innenleben. Hier identifiziert sich das Subjekt mit seinen Erlebnissen, seinen Sympathien, seinen Antipathien, seinen Freuden und Leiden. Auf diese Weise verliert sich das Subjekt in seinem inneren Leben und kann es daher nicht wahrnehmen, da es mit ihm eins ist. Es handelt sich hierbei sozusagen um ein Übermaß an ‹Teilhabe›: eine Verschmelzung. Die Prozesse, die durch die spirituelle Entwicklung in Gang gesetzt werden, verändern diese Beziehungen zwischen der inneren und der äußeren Welt und ermöglichen dann eine ‹bewusste Teilnahme›.

Die Prozesse, die durch spirituelle Entwicklung in Gang gesetzt werden, verändern die Beziehungen zwischen der inneren und der äußeren Welt und ermöglichen eine ‹bewusste Teilnahme›.

Die Bildung der Organe der geistigen Wahrnehmung beginnt mit der Erfahrung der Natur des Bewusstseins. Dieses Bewusstsein bleibt gewöhnlich das unbeobachtete Element des inneren Lebens, da es das ‹Beobachtende› ist. In ihm findet der Prozess des Denkens statt, der ebenfalls unbeobachtet bleibt. Dieser Punkt des Bewusstseins wird gewöhnlich als der subjektive Teil der Realität erlebt und scheint daher unwiderruflich von der Welt abgeschnitten zu sein. Der die Natur des Bewusstseins und der damit verbundenen Denkaktivität untersucht, kommt jedoch zu dem Schluss, dass im Bewusstsein ‹etwas› mehr als nur blasse Subjektivität zu finden ist. Dieses Etwas, das im gewöhnlichen Bewusstsein latent vorhanden ist, bleibt jedoch normalerweise verborgen. Hier kann der Forscher oder die Forscherin eine grundlegende Entdeckung machen, einer Art Fortsetzung des kartesischen ‹Cogito›. Diese Entdeckung wurde von vielen gemacht und auf vielfältige Weise formuliert. «Wer das Denken beobachtet, lebt während der Beobachtung unmittelbar in einem geistigen, sich selbst tragenden Wesensweben darinnen. Ja, man kann sagen, wer die Wesenheit des Geistigen in der Gestalt, in der sie sich dem Menschen zunächst darbietet, erfassen will, kann dies in dem auf sich selbst beruhenden Denken tun.» So Steiner in der ‹Philosophie der Freiheit›. Eine andere Perspektive bei Schelling: «Uns allen wohnt ein geheimes, wunderbares Vermögen bei, uns aus dem Wechsel der Zeit in unser innerstes, von allem, was von außen hinzukam, entkleidetes Selbst zurückzuziehen und da unter der Form der Unwandelbarkeit das Ewige in uns anzuschauen. Diese Anschauung ist die innerste, eigenste Erfahrung, von der allein alles abhängt, was wir von einer übersinnlichen Welt wissen und glauben.»1

Diese geistige Erfahrung, das Erwachen des Bewusstseins zu sich selbst, offenbart dem Suchenden, dass innerhalb dessen, was nur Subjektivität zu sein schien, ein Element universeller Natur lebt, das Raum und Zeit übersteigt. Nun geht es nicht nur darum, durch diese innere Erfahrung neue Erkenntnisse über die Natur des Menschen zu gewinnen, sondern auch und vor allem darum, eine neue innere Kraft zu entwickeln. Diese Erfahrung wird zu einer inneren Kraft, wenn sie wiederholt durch Meditation – im weitesten Sinne – kultiviert wird. Sie beginnt dann zu wirken und erleuchtet das innere Leben. So entwickelt der forschende Mensch eine neue Beziehung zu den Bewegungen seines inneren Lebens, mit denen er sich zuvor identifiziert hatte. Er lernt allmählich, sich nicht mehr in den Sympathien, Antipathien und anderen Erlebnissen zu verlieren, die ihn durchdringen, er identifiziert sich nicht mehr mit ihnen, sondern beginnt, sie zu beobachten und sogar durch sie hindurchzusehen. Auf diese Weise nehmen die Bewegungen des inneren Lebens neue Formen an und werden allmählich zu neuen Wahrnehmungsmedien, zu seelisch-geistigen Wahrnehmungsorganen. Die inneren Erlebnisse, die zuvor subjektiver Natur waren, werden allmählich zu Objekten in einem inneren Raum. Das Gedankenleben selbst verändert sich und Ideen beginnen allmählich zu objektiven Realitäten mit einer eigenen kreativen Strahlkraft zu werden. Umgekehrt trifft der umgewandelte Blick nach außen nicht mehr einfach auf Objekte, die von ihm getrennt sind. Die Pflanze, der Stein, das Tier oder der andere Mensch erhält immer mehr den Charakter einer ‹Alterität›, die sowohl tiefer geheimnisvoll als auch vertrauter und intimer wird. Die Welt der Objekte der äußeren Welt erhält immer mehr eine subjektive Qualität, ein inneres Leben.

Das menschliche Wesen ist komplex, die Menschheit als Ganzes ist es auch. Daher nimmt dieser Prozess komplexe und vielfältige Formen an. Die Früchte dieser neuen inneren Aktivität sind unterschiedlich, je nachdem, auf welcher Ebene der menschlichen Erfahrung sie auftreten: auf der Ebene des Denkens, der Sprache, der Gefühle, der äußeren Wahrnehmungen oder der Willensimpulse und so weiter. Jeder Mensch hat sein eigenes Schicksal und seine eigene Konstitution, weshalb die Erfahrungen, die durch diese innere Aktivität hervorgerufen werden, sehr vielfältig sein können. Die zentrale spirituelle Erfahrung, die Erfahrung des universellen – göttlichen – Lichts im Bewusstsein, die durch Meditation kultiviert und verstärkt wird, bildet jedoch eine objektive Grundlage, die die Subjektivität über sich selbst erhebt und zur formativen Kraft für neue Wahrnehmungsorgane wird. Die Entstehung dieses Bewusstseins im inneren Leben kann auch als das Erwachen des ‹höheren Selbst› bezeichnet werden. Seine aktive Gegenwart ist es, die in der Seele die hier erwähnten Organe erzeugt. So kann man die folgende Definition der Anthroposophie verstehen: «Anthroposophie ist eine Erkenntnis, die vom höheren Selbst im Menschen hervorgebracht wird.»2

Das Aufblühen der menschlichen Persönlichkeit

Durch diese Erweckung nimmt ein überindividuelles Element, das auf innerer Aktivität beruht, seinen Platz innerhalb der Subjektivität ein. Subjektivität und Objektivität verbinden sich, um die Organe der spirituellen Wahrnehmung zu bilden. Diese Wahrnehmungsorgane und -fähigkeiten sowie die mit ihnen verbundenen Erkenntnisarten wurden in der anthroposophischen Literatur auf vielfältige Weise beschrieben, zum Beispiel in Verbindung mit den ‹Lotusblüten› oder durch die Stufen der höheren Erkenntnis: Imagination, Inspiration, Intuition. Diese Beschreibungen sind wichtig, um angemessene Konzepte zu bilden und die innere Arbeit zu orientieren, aber sie können auch irreführend sein. Denn während gewöhnliches Wissen im Wesentlichen eine Gehirnaktivität ist, bezieht Geisteserkenntnis den ganzen Menschen mit ein. Auf der einen Seite wird die individuelle Subjektivität durch die innere Arbeit über sich selbst erhoben, aber diese Subjektivität, die auch die Einzigartigkeit eines jeden Menschen ausmacht, wird nicht ausgelöscht. Im Gegenteil, die Bildung der geistigen Wahrnehmungsorgane führt nicht zu standardisierten Individuen, die das Gleiche wahrnehmen, fühlen und ausdrücken. Diese Bildung erfolgt vollständig durch die ursprüngliche Konstitution des Individuums.

Jeder Mensch hat eine eigene physische, seelische und geistige Beschaffenheit, spezifische Talente und Schwächen, eine einzigartige Biografie mit besonderen Prüfungen, besondere Forschungsinteressen, Lebens- und Kulturkontexte. Die geistige Wahrnehmung und die daraus resultierende Erkenntnis bilden sich auf dieser einzigartigen Basis, die das Baumaterial für diese Organe darstellt. Auch wenn es universelle Gesetze gibt, die bei diesen Organbildungsprozessen gelten, so ist es doch die einzigartige Konfiguration eines jeden Individuums, die ihnen ihre Substanz verleiht. Im Bereich der klassischen Wissenschaft spielt die individuelle Biografie eine untergeordnete Rolle, während im Bereich der Geisteserkenntnis, die den ganzen Menschen einbezieht, diese Faktoren der Biografie und des Schicksals eine entscheidende Rolle spielen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass diese Erkenntnis subjektiv und unwissenschaftlich ist, sondern dass sie verschiedene Formen annimmt, die vom Individuum geprägt sind: Wie könnte es anders sein, wenn wir von einem Erkenntnisprozess sprechen, der auf Freiheit und Entfaltung der Persönlichkeit beruht?

Manche Menschen haben die Veranlagung, eher durch dieses oder jenes Feld der Seele wahrzunehmen. Darüber hinaus spielt der intellektuelle Hintergrund des Suchenden eine wichtige Rolle bei der Art und Weise, wie er seine Wahrnehmungen formuliert. Es macht einen Unterschied, ob es sich um einen Künstler, einen Wissenschaftler oder einen Handwerker handelt. Jeder Mensch hat, abgesehen von den Sprachen, die er spricht, seine eigene Sprache, seine eigene Art zu formulieren, und es kann lange dauern, manchmal sogar Jahre, bis man sich mit der Ausdrucksweise eines anderen vertraut gemacht hat.

Die Pflanze, der Stein, das Tier oder der andere Mensch erhält immer mehr den Charakter einer ‹Alterität›, die sowohl tiefer geheimnisvoll als auch vertrauter und intimer wird.

Der andere wird immer wertvoller

Obwohl ein Objektivierungsprozess bei der Bildung der spirituellen Wahrnehmungsorgane stattfindet, geht er auch mit einer Entfaltung der Persönlichkeit einher, die die interindividuellen Unterschiede gewissermaßen verstärkt. Wenn wir uns dessen bewusst sind, können wir einige Konsequenzen daraus ziehen.

Zunächst einmal ist, wie in jedem anderen Bereich der wissenschaftlichen Forschung, keine spirituelle Forschung jemals abgeschlossen und wahr in sich selbst. Sie muss immer wieder neu überprüft, neu kontextualisiert und neu erforscht werden. Eine Wissenschaft wird erst dann zur Wissenschaft, wenn sie in der Lage ist, sich selbst zu hinterfragen und sich im Laufe der Zeit durch neue Forschungen und von neuen Forscherinnen und Forschern immer weiter zu entwickeln.

Darüber hinaus kommen in der spirituellen Forschung immer die besonderen Talente und Fähigkeiten einer bestimmten Person zum Ausdruck, was ihre Beiträge umso interessanter und wertvoller macht. Je weiter man auf dem Gebiet der spirituellen Forschung voranschreitet, desto interessanter werden die anderen Forschenden, aber auch die anderen Menschen im Allgemeinen. Je mehr Erfahrung wir sammeln, desto mehr wissen wir, dass wir andere brauchen, um uns andere Perspektiven zu eröffnen, um uns in Bereichen zu ergänzen, die wir weniger gut wahrnehmen, oder sogar um Fehleinschätzungen zu korrigieren, die wir machen können. Mit der Zeit wird auch klar, dass die Frage der spirituellen Wahrnehmung und Erkenntnis unabhängig von den Worten und dem Vokabular ist, die wir dafür verwenden. Manche Menschen werden zum Beispiel niemals zugeben, dass sie bereits über spirituelle Wahrnehmungen verfügen, obwohl dies der Fall ist. Sie legen diese Worte nicht auf ihre Erfahrungen. Geistige Wahrnehmung nimmt oft subtile Formen an, die unbemerkt bleiben, aber dennoch bedeutsam und entscheidend sind. Man muss auch kein ‹Anthroposoph› im äußeren Sinne des Wortes sein, um begonnen zu haben, das ‹höhere Selbst› und die damit verbundenen Organe zu erwecken. Es ist also klar, dass alle denkbaren Situationen eintreten können.

So hat die Entwicklung einer Geisteserkenntnis keineswegs eine ‹standardisierende› oder ‹normative› Wirkung, sondern erhöht die menschliche Vielfalt und die Intensität dieser Vielfalt – und macht sie dadurch immer interessanter und wünschenswerter, trotz aller Schwierigkeiten, die damit verbunden sind. So muss diese Forschungsarbeit zwar einerseits im Laboratorium des inneren Lebens stattfinden, erfordert aber andererseits auch das Laboratorium der Begegnung, des Austauschs und der Arbeit mit anderen. In diesen Begegnungen wird sich auch zeigen, wie sehr eine neue Kunst der Gesprächsführung entwickelt werden muss, eine Art Wiederauferstehung der sokratischen Mäeutik, die es jedem ermöglicht, sich auszudrücken, seine inneren Erfahrungen zu formulieren und von anderen verstanden zu werden, um in konstruktiven Dialogen, die die Vielfalt der Persönlichkeiten respektieren, voranzukommen. In diesem Zusammenhang können neue Verständnisse und Gesetzmäßigkeiten erscheinen, die sich durch ihre Fruchtbarkeit bestätigen können.

Dieser Reichtum an Fähigkeiten bildet den Rohstoff für das Leben der Anthroposophie. Die Wertschätzung dieses Reichtums ist sicherlich eine zentrale Aufgabe der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft und der Anthroposophischen Gesellschaft, die Weihnachten 2023 den hundertsten Jahrestag ihrer Neugründung feiern werden. Sie bilden zusammen einen Schmelztiegel für menschliche Begegnung und Austausch, einen Übungsraum und einen Schauplatz für Formulierungen und Veröffentlichungen der Früchte dieser partizipativen spirituellen Forschung. Wenn wir uns der Vielfalt und der vielen Nuancen bewusst werden, in denen sich die Geistesforschung offenbart, entwickeln wir ein unbegrenztes Interesse an anderen Forschenden und spüren, wie wertvoll jeder Mensch in seiner Einzigartigkeit ist.


Skizzen Fabian Roschka

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Footnotes

  1. Friedrich Schelling, Briefe über Dogmatismus und Kritizismus. 8. Brief. Independently published, 2019.
  2. Rudolf Steiners Vorschlag einer Definition des Wortes ‹Anthroposophie› für das Oxford Dictionary: «Anthroposophy is a knowledge produced by the Higher Self in man.», in Carl Unger, Was ist Anthroposophie? Verlag am Goetheanum, 1996.

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