Anthroposophische Medizin zwischen Realität und Ideal

Der Einladung der Medizinischen Sektion zum Mitgliederabend am 7. November waren 100 Menschen gefolgt, 170 weitere nahmen online teil. In Impulsvorträgen nahmen die Sektionsleiterinnen Karin Michael und Marion Debus eine geisteswissenschaftliche Einordnung vor, in welchen Kämpfen sich die Anthroposophische Medizin befindet.


Es geht, so Karin Michael, zuerst darum, den Patientinnen und Patienten zu dienen, sie bei der Verwirklichung ihres Zukunftsideals zu unterstützen und darum, ihr Licht und ihre Bedürfnisse zu erkennen. Technik und Politik erschweren das.

Von den moralischen Grenzgängen zwischen äußeren Vorgaben und innerem Ideal in der Medizin handelte Marion Debus’ Vortrag. Sie betonte, sich im Sinne Steiners kulturgestaltend einzubringen, was mit Opfern verbunden sei: Bereits Gerhard Kienle sei Ende der 1960er-Jahre bei der Gründung des ersten anthroposophischen Gemeinschaftskrankenhauses in Deutschland, Witten/Herdecke, auf zweifachen Gegenwind gestoßen: aus den Reihen der anthroposophischen Gesellschaft, deren Mitglieder um die Anthroposophischen Medizin fürchteten, wie vonseiten der Behörden, die ihn mit bürokratischen Anforderungen konfrontierten. Marion Debus stellte den anthroposophischen Kinderarzt Tido von Schoen-Angerer als externen Berater der TCIM-Units (Arbeitsgruppe für traditionelle, komplementäre und integrative Medizin) vor. In dieser Funktion ist er beteiligt, die neue Strategie für die traditionelle, komplementäre und integrative Medizin in den Jahren 2025 bis 2034 zu formulieren. Dadurch konnten die Bedingungen der Anthroposophischen Medizin in den Gesundheitssystemen weltweit verbessert werden. Sie rief auf, den möglichen Freiheitsbeschränkungen im Gesundheitswesen mit zivilgesellschaftlichem Engagement zu begegnen.

Auch Michaela Glöckler beschrieb anhand der Arbeit der Europäische Allianz ‹Eliant› den Grenzgang von Initiativen angewandter Anthroposophie: ein Spagat zwischen «innerster Esoterik und größtmöglicher Öffentlichkeit». Online zugeschaltet ermutigte Stefan Schmidt-Troschke von ‹Gesundheit Aktiv›, sich für die menschliche Gestaltung eines Gesundheitswesens einzubringen. Dann folgte ein Austausch in Kleingruppen und später im Plenum. Dabei wurde deutlich, dass viele sorge haben vor einem Machtmissbrauch durch supranationale Institutionen. Die Sektionsleitung betonte die Notwendigkeit, sich im Kampf um eine individuelle, freiheitliche Medizin zivilgesellschaftlich in die bestehenden Verhältnisse einzubringen und sich dabei des geistigen Quells, aus dem man schöpft, bewusst zu sein.

Online wurde kritisiert, dass die Veranstaltung nur auf Deutsch angeboten wurde. Folge: Es wurde eine Onlineveranstaltung für Interessierte aus Asien sowie Nord- und Südamerika auf Englisch angeboten. Das nächste Gespräch in dieser Reihe findet am 12. März um 19 Uhr statt.


Titelbild Kamille Foto Sofia Lismont

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