Abendlicher Tempelglockenklang

Der Wind legt sich, und als ich den Waldweg entlangkomme, höre ich, völlig unerwartet, Tempelglockenklang. Er erinnert mich an mein Herz, von dem ich mich entfernte und, je länger ich lebe, weiter entferne, so wie der blaue Himmel in einer Schlammpfütze fern von sich selbst ist. Bin ich denn der letzte Narr, dümmer als der Bambus und die Eichen, die neben mir stehen? Wenn ja, werde ich wohl diesen Klang wieder und wieder so hören, als eine Mahnung, die ausschließlich mir gilt.

Aus: Choi Seung-Ho, Autobiographie aus Eis. Gedichte. Aus dem Koreanischen von Kyunghee Park und Kurt Drawert, Göttingen 2011, S. 85.


Was sind meine Tempelglocken, deren Klang mich zum Herzen ruft? Johanna Lamprecht


Zeichnung von Philipp Tok

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