Von Meta und Physis

Wir Menschen stehen inmitten geistiger Sphären, doch die Welt offenbart sich heute nicht mehr geistig. Deshalb können wir uns in ihr geisterfüllt erfahren und zeigen.


Was ist diese Meta-Physik, die da über der Physis liegt? Das griechische ‹meta› heißt ja gar nicht ‹darüber›. Es ist kein statisches ‹darauf›, nicht ‹überstellt› und nicht in dem Sinne getrennt. Das Wort ist mehr verwandt dem deutschen ‹mit›, heißt ‹außerdem›, ‹inmitten›, ‹mit dabei›.

Platons Höhle ist kein geschlossener Kerker, in den die Menschen mit ihrer ganz eigenen Trugwelt gesperrt sind. Der Eingang nach draußen ist offen, das Licht scheint herein. Der Übergang zwischen den Welten ist fließend, wie Brandung und Gischt in einer Grotte am Meer. Da ist Bewegung. Platon betont: Auch der Mensch ist beweglich.

Foto: Xue Li

Wie verstehen die alten Griechen die Welt und das Überirdische? Sie leben unter dem göttlich bestirnten Himmel (Mond, Merkur, Venus, Sonne, Mars, Jupiter, Saturn – Selene, Hermes, Aphrodite, Helios, Ares, Zeus und Chronos, dahinter Uranos, der Fixsternhimmel) auf der Erde inmitten der Sphären der Götter. Aber Sphären sind nicht Graphen, Striche, und nicht Zyklen, Kreise, Ringe, die sich aufeinander türmen wie Gesteinsschichten. Die Sphäre hat einen Inhalt. Und wenn Sphären sich übereinanderlegen, dann durchdringen sie sich. So setzen sich die göttlichen Schöpferkräfte fort, nach und nach, hinab, an Qualität gewinnend, von den Urgründen, dem Einen, bis zur elementaren, physischen Welt. Die Sphären vermitteln, verlieren dabei nicht die Eigenschaften der vorherigen, sondern fügen hinzu, was den Geist der Erde näher bringt. So findet sich der antike Grieche meta-physisch wieder, in einer Welt, die ihm das Göttlichste in ihrem Weltlichsten offenbart. So begreift er die Götter durch Beobachtung der Natur, so begreift er die Natur durch ein Bedenken der Götter. (Platon und Aristoteles sind sich vielleicht doch gar nicht so fern und einer mit Recht der Schüler des anderen.) Wie aber weiter? Die griechische Welt musste abbrechen. Andernfalls hätte sich das Bewusstsein für das Geistige so restlos in der Umwelt wiedergefunden, dass der Mensch sich zerstreut hätte. Dann würde er sein geistiges Wesen durch und durch erfahren, aber als um ihn liegend, an ihn tretend, in ihn wirkend.1

Metaphysik heißt, das Physische mit physischen Sinnen als Ausdruck des Geistigen zu betrachten und physisch mit ihm zu leben, weil man selbst beseelt und mit Geist ist. Wer Systeme aufstellt, fällt mit diesem letzten Punkt: Leben!

Der Welt gegenüber

Die Welt muss weiter abrücken. Ich bemerke, dass ich eben nicht in der Umgebung stecke. Da wird die Physis materialistisch, und mit Recht! Weil ich weitergehen muss als die Griechen. Weil der Gott nicht nur, wie bei den Griechen, bis unter die Mondensphäre an uns herangetreten ist, sondern auch durch Äther, Feuer, Luft und Wasser hinab bis in die tiefste Erde, nicht nur Licht, sondern Fleisch geworden ist. Jetzt wird es spannend: Licht strahlt, aber Licht ‹für sich› sieht man nur an einer Stelle: im Himmel. Überall sonst braucht das Licht einen dunklen Gegenstand, an dem es erscheint. Also wandert es unter die Erde. Jetzt scheint uns die Dunkelheit auf. Jetzt erst ist der materialistische Stoff geboren, die Unsichtbarkeit der Welt wird uns sichtbar. Mein Denken, mein Sinnen ist von seinen Gegenständen getrennt.

Ich stehe der Welt gegenüber. Sie ist nicht so durchgeistigt, dass ich mich selbst an ihr erfahren könnte. Wir haben das Rätsel bekommen, das Stoffliche zu erfahren, aber nicht zu begreifen, wie und warum, weil es uns nur einen Ort anweist, nicht uns selbst. Das Rätsel wird sich nicht von alleine lösen.

Wo ist der Gott, den wir nicht mehr sehen? Er ist wirklich in die materielle Welt gefahren und wieder heraus. Steiner formuliert: Man soll das Ich nicht im Innern suchen, so wenig wie die Luft in der Lunge. Ich stehe der Welt gegenüber; aber gegenüber stehe ich nur, weil sie mich durchdringt und doch nicht angleicht. So atme ich die Luft aus der weiten Welt ein und aus mir selbst wieder heraus. Nur äußere Luft könnte nicht beleben, nur innere Luft nicht Leben äußern. Mein Ich ist mit dem Äußeren verbunden, weil der Gott in jeden Krümel, jede Faser gefahren ist. Ich allein finde es immer neu, weil kein Gegenstand es dauerhaft ausfüllen kann. Mir prägen die Gegenstände sich ein, weil ich mich in ihre Welt einpräge.2

Die Metaphysik mag heute überflüssig geworden sein. Sie scheidet zu stark die Welten. Mit ihr überflüssig wird die Physik, denn beide durchdringen sich in Wahrheit. Echte Metaphysik heute heißt, das Physische mit physischen Sinnen als Ausdruck des Geistigen zu betrachten und physisch mit ihm zu leben, weil man selbst beseelt und mit Geist ist. Wer Systeme aufstellt, fällt mit diesem letzten Punkt: Leben! Von Metaphysik und Physik kann heute nicht mehr die Rede sein. Beide sind höchstens – ein Gespräch.

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Footnotes

  1. Rudolf Steiner, Perspektiven der Menschheitsentwickelung. Vortrag vom 16.6.1921, GA 204, Dornach 1979.
  2. Rudolf Steiner, Mysterienwahrheiten und Weihnachtsimpulse. Vortrag vom 30.12.1917, GA 180, Dornach 1966.

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