Vom Klimawandel zum Klimabruch

Das Phänomen, dem wir heute gegenüberstehen, ist mit ‹Klimawandel› nicht mehr richtig zu bezeichnen. Das Klima war stets rhythmischen Wandlungen unterworfen, aber mit denen hat die heutige Menschheit gebrochen. Ein Bruch, für den man sich interessieren und den man heilen muss.


Wer die Vergangenheit nicht würdigt, hat Schwierigkeiten, die Zukunft zu gestalten. Darum ist es hilfreich, die langen Entwicklungsphasen der Erde der letzten 500 Millionen Jahre zurückzuverfolgen, um das Heute zu verstehen. Man kann erkennen, dass die Erde trotz unterschiedlichster Vegetation und Tierwelt stets eine Wärmeautonomie hatte, in der die Schwankungen der mittleren Temperatur 5 Grad Celsius höher oder niedriger betrugen. Der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre war jedoch vor 500 Millionen Jahren viel höher und sank dann rapide bis zur ‹großen Lebenskrise› auf der Erde vor ca. 250 Millionen Jahren. Danach entwickelten sich erstmals Säugetiere und später die Blütenpflanzen. In der Rückschau auf die atmosphärischen Verhältnisse der Erde entdeckt man verschiedene Rhythmen, und das ist wesentlich, um den heutigen Klimabruch zu verstehen. Drei große Rhythmen, die sich aus der Beziehung von Erde und Sonne ergeben, hat Kopernikus bereits dargestellt. Der dritte, ganz langsame Rhythmus ist dann das, was wir als das ‹Platonische Weltenjahr› bezeichnen. Man kann durch die Messungen an Eisbohrkernen und Meeressedimenten erkennen, wie sich diese Rhythmen vollzogen, wenn auch eher musikalisch und nicht mechanisch gleich: Auf jede große Eiszeit folgte ein sehr schneller Temperaturanstieg in eine Warmzeit und dann in vier beweglichen Stufen ein rhythmischer Temperaturabfall in die nächste Eiszeit. Vor circa 10.000 Jahren begann die letzte Warmzeit. Die Werte des im Eis eingeschlossenen Kohlendioxids begleiten dieses Ansteigen und Absteigen der Temperatur in einem parallelen Verlauf. Nach diesen Rhythmen hat die Erde bereits den Impuls für eine neue Eiszeit erhalten. Es ist nicht ein Ursache-Wirkungs-, sondern ein Beziehungsdenken in Rhythmen, mit dem man das verstehen kann. Diese großen, kosmischen Rhythmen verursachen die Eis- und Warmzeiten nicht, sondern sie impulsieren sie. Für das Zustandekommen des impulsierten Wechsels braucht es noch andere Bedingungen auf der Erde selbst. Über mehrere hundert Millionen Jahre wurde Kohlendioxid in der Erdentiefe zu Kohle, Gas, Erdöl verwandelt und somit aus der Atmosphäre entfernt. Diese Stoffe sind zu einem Drittel in einer vergleichsweise rasanten Geschwindigkeit zutage gefördert, verbrannt worden und somit ist der Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre wieder angestiegen. Dieser langsamste Rhythmus des Kohlenstoffwechsels wurde durch die massive Ausbeutung der fossilen Brennstoffe in den letzten 150 Jahren gebrochen. Wir haben heute Kohlendioxidwerte, die so hoch sind wie zuletzt vor 7 Millionen Jahren. Während durch Atomkraft, Solarenergie und Energiesparen die Umwandlung fossiler Brennstoffe in den letzten 30 Jahren zwar weniger schnell ansteigt, steigt der Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre und in den Weltmeeren immer noch dramatisch an. Denn seit 1985 gibt es einen Umschwung in den Meeren. Die Lebensverhältnisse für das Plankton wurden schlechter und somit die Umwandlung von Kohlendioxid in Biomasse gehemmt. Die schnelle Erwärmung der Erde kann nicht natürlich erklärt werden, denn die kosmischen Rhythmen würden eine neue Eiszeit anzeigen; die Erwärmung ist menschengemacht. Auf einer Grafik der Temperaturentwicklung der letzten 10 000 Jahre sehen die letzten 100 Jahre der Kurve senkrecht aus. Das ist der Klimabruch. Brüche können geheilt werden, wenn man sich Mühe gibt und sich für das Brechen interessiert. Wir haben also die Aufgabe, uns für die Stellen, die zum Klimabruch geführt haben, zu interessieren. Das gilt auch für andere Bereiche wie zum Beispiel für das aktuelle Artensterben, das heute etwa 10 000-mal schneller abläuft als frühere Artensterben in der Erdgeschichte. Wir bräuchten neue Formen der denkenden Zuwendung zur Erde. Wir müssten vom maschinellen Denken wegkommen, hin zu einem Denken, das bewegte Begriffe wie Rhythmus, Metamorphose und Entwicklung entwickelt. Dieses bewegliche Denken ist die Quelle für die Einsicht in die Notwendigkeiten und das Handeln danach. Ohne bewegliches Denken haben wir keine Chance; technische Lösungen sind nur vorübergehende Symptombekämpfungen. Denn Beweglichkeit des Denkens führt zur Beweglichkeit des Fühlens und Wollens. Ich hoffe, dass wir aus diesen menschlichen Kräften die Möglichkeit haben, die Wende zu schaffen. Der Klimabruch ist die Aufforderung an den Menschen, sich zu wandeln. Es gibt viel zu tun, packen wir es an!


Titelbild: Xue Li

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