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Schwesterlichkeit

‹Geschwisterlich› gibt es, auch ‹schwesterlich› ist noch möglich, aber Schwesterlichkeit klingt allzu sperrig. Das ist schade, denn es beschreibt eine Seite, die zur Brüderlichkeit hinzukommen sollte, damit eine Gemeinschaft menschlich wird.


Brüder unternehmen etwas zusammen, teilen ein Brot, teilen ein Erlebnis, teilen die Eltern. Was Schwestern teilen, das ist das Gefühl. Von Tschechows ‹Drei Schwestern› bis zu Iphigenie, Elektra und Klytaimnestra oder den sieben Plejaden im griechischen Mythos. Schwestern, so erzählen die großen Geschichten, kommen leichter in Streit, wenn es ums Teilen geht, sie sind nicht immer brüderlich, aber sie wissen voneinander. Wo Brüder wie bei Dostojewskis ‹Brüder Karamasow› sich entfremden und verlieren, sich im Gleichnis vom fleißigen und vom verlorenen Sohn nicht verstehen, da sind es die Schwestern, die voneinander wissen.

Im 20. Jahrhundert wurde mit den Gütern, die um die Welt kreisen, der Wille global. Mit Migration und Kommunikation wird im 21. Jahrhundert das Gefühl global. Gehörte zum 20. Jahrhundert die Brüderlichkeit, kommt im 21. die Schwesterlichkeit hinzu als Tugend des Menschlichen.


Bild: Anselm Feuerbach, Iphigenie, 1862

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