Menschliche Verortungen

Zur ‹Langen Nacht der Philosophie› in Zürich war ein Vortrag zur Zukunft des Ich und künstlicher Intelligenz geplant, der coronabedingt ausfiel. Das große Thema hier im kleinen Gespräch mit Salvatore Lavecchia.


Foto: Norbert Roztocki

Worin unterscheiden sich Ich und künstliche Intelligenz?

Künstliche Intelligenz fußt auf Verarbeitung von ‹Gespeichertem›. Was so entsteht, ist Ableitung von Vergangenem, keine wirkliche Gegenwart/Zukunft. Das Ich, das sich jenseits des Leiblichen und Seelischen als Geistiges erlebt, ist dagegen fruchtbar leere Gegenwart: geistige Wärme und Licht, die jede Wahrnehmung zu einer Geburt verwandeln.

Mit welchem Argument wirbt man für das Ich?

Mit dem ‹Argument› von Freiheit und Liebe! Durch diese beiden kann das Ich in jedem Augenblick die potenzielle Bestimmbarkeit von Leib und Psyche überwinden, von der die KI überzeugen will. Die Aufgaben der KI sind ins Unbestimmte laufende quantitative Steigerungen, die suggerieren, Lebensqualität würde mit äußerlicher Optimierung zusammenhängen. So wird der Mensch jedoch wie eine Maschine bzw. wie ein Wesen betrachtet, das zootechnisch zu bestimmen ist. Ich könnte jedoch weder wahrnehmen noch verstehen, wenn ich nicht eine unverortbare Mitte aus geistiger Wärme und Licht wäre. Es ist an der Zeit, die philosophischen Perspektiven aufzugreifen, die mit diesem Bild zusammenklingen.

Welchen Herausforderungen werden wir uns in der Zukunft stellen müssen?

Die letzten Jahre zeigen, welche negativen Folgen die Implementierung eines atomistischen Bildes des Ich hat. Werden wir das Ich als überwachbares atomistisches, durch KI determinierbares Selbst empfinden, wird dies unser Alltag sein! Dazu zwingt uns jedoch nichts! Wir sind nämlich noch Herren und Damen der Bilder, die das Leben unseres Ich bestimmen.


Titelbild: Salvatore Lavecchia, Foto: Anna Krygier/Philosophicum

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