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Da oben ist das Übersinnliche für dich!

Aus dem Vorwort der Neuauflage ‹Das Polarlicht› von Harald Falck-Ytter.


«Licht ist die Aktion des Weltalls», schreibt Novalis. Licht ist also der ‹Wille› des Alls. Es war eine großartige Beobachtung einer Teilnehmerin einer Polarlichtexkursion, als sie den ‹Willen› des Polarlichtes beschrieb: Es sei ein Wille, der keine Intention habe, der nirgendwohin wolle, der kein Ziel, keinen Zweck kenne, sondern im bloßen Sein sich erfülle. Tatsächlich liegt im Polarlicht eine rätselhafte Absichtslosigkeit. Vielleicht ist es deshalb so, weil das Polarlicht weder Scheinendes noch Beschienenes ist, das Polarlicht ist keine Lichtquelle und auch kein Stoff, auf den das Licht fällt. Auch hier hält es die Mitte: Es ist Licht, das nichts beleuchtet, sondern nur sich selbst erleuchtet. Was man von Sprache und Musik kennt, dass man einem Prozess begegnet, dass man mit der Aufmerksamkeit in den Strom der Zeit hineingeführt wird, das geschieht beim Polarlicht. Damit offenbart das Nordlicht eine Seite des Lichtes, die man nicht erwarten würde. Licht vermittelt über das Sinnesorgan Auge mit einem Schlag Orientierung, ein Verständnis. Licht gilt deshalb mit Recht als Metapher für Erkennen, für die Idee, für den Schritt aus der Zeit hinaus. Doch das Polarlicht hat nichts davon, im Gegenteil, es ist reiner Prozess. Viele Beobachtende meinen wohl deshalb etwas zu hören, ein Rauschen oder Klingen. Weil dieses Licht des Nordens sich zur Zeit verhält wie eine Melodie, ein Satz, meint man etwas zu hören. Das Polarlicht ist deshalb ein Licht, das sich so verhält, als wäre es Klang, oder anders: Polarlicht ist Musik, die man sehen kann.

 


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Neunmal habe ich bisher mit Studienreisen in Lappland das Polarlicht bestaunen dürfen. Und immer wieder von Neuem war ich vor allem von dessen Ouvertüre berührt. Man steht eingepackt in der polaren Kälte und hebt den Blick und dann ist da ein zarter grauer Schemen. «Was ist das? Ist es Rauch vom Schornstein einer Hütte, eine verlorene Wolke oder doch ein erstes Polarlicht?», so fragt man und schaut genauer und genauer. «Da ist keine glitzernde Pracht, das Auge zu blenden», zitiert Falck-Ytter den Polarforscher Scott. Tatsächlich beginnt das Polarlicht unendlich zart und ungewiss. So öffnet und sensibilisiert sich die Seele, wird aktiver und engagierter. Es beginnt ein Dialog zwischen der Naturerscheinung und dem Betrachter. Im glücklichen Falle ist es der erste Akt dieser grandiosen Lichterscheinung, von der hier im Buch so ausführlich die Rede ist. Nach einer Ruhezeit kann dann mit den vorhangartigen Bögen ein zweiter Akt und schließlich mit einem rosenartigen Reigen im Zenit der dritte Akt folgen.

Nicht weniger, als an vielen Abenden über das nächtliche Polarlicht, freue ich mich nun, dass der Verlag sich entschlossen hat, das großartige Buch ‹Das Polarlicht› von Harald Falck-Ytter ergänzt mit neuen Bildern des Polarlichts erneut aufzulegen, denn obgleich das Polarlicht mehr und mehr Interessierte in den Norden zieht, gibt es kein vergleichbares Werk zum von Buch Harald Falck-Ytter über diese Himmelserscheinung, von der Polforscher Fridjof Nansen schrieb: «Dort oben ist das Übernatürliche für dich!»


Siehe auch Reisehinweis zum Polarlicht auf Seite 12/13.

Harald Falck-Ytter, ‹Das Polarlicht›, Freies Geistesleben; 4. Auflage, 2018, 224 Seiten

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